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Ein Kribbeln zog sich von Harrys Arm an durch seinen gesamten Körper als er Dracos Hand ergriff. Es war kein unangenehmes Kribbeln.
Langsam ging er weiter und Draco an seiner Hand ging nun neben ihm. Draco benahm sich wirklich wie ein kleines Kind.
»Möchtest du eine Gummischnecke?«, fragte er Harry nach einer Weile und seine Stimme klang jetzt gar nicht nicht mehr traurig, sondern sogar ziemlich unbeschwert.
»Nein danke.«
»Bitte Harry!«, bettelte Draco.
»Nein.«
»Na gut« Es klang, als hätte Draco schon wieder vergessen, was er eigentlich gefragt hatte. Dann schwiegen sie wieder eine Weile.
Irgendwann begann Draco ein wenig rhythmisch an Harrys Hand herumzuhüpfen. Das erinnerte Harry daran, wie er als kleiner Junge immer versucht hatte, nicht auf die Ritzen zwischen den Steinen zu treten. Tante Petunia hatte das immer gehasst und es als ›albernes Rumgehampel‹ bezeichnet. Deswegen ließ er Draco jetzt ›rumhampeln‹ wie er wollte.
»Siehst du die Sterne?«, fragte Draco und begann mittlerweile, seine und Harrys Hand leicht hin und her zu schaukeln, während er immer noch herumtänzelte.
»Ja, ich sehe sie« Ist auch schwierig, die Sterne nicht zu sehen...
»Ich bin auch einer«, meinte Draco fröhlich.
»Was bist du?«
»Ein Stern. Ich bin auch ein Stern wusstest du das? Mein Name ist ein Stern. Drrraaaaacoooo. Verrückt oder?«, lallte Draco glücklich.
Harry hatte immer mehr das Gefühl, ein siebenjähriges Kind neben sich zu haben.
»Harry? Kennen eigentlich auch alle Muggel deinen Namen?«
»Nein, aber weißt du, Draco, es ist egal, was ich dir heute Abend erzähle. Du kannst dich morgen nicht mehr daran erinnern, dafür hast du jetzt zu viel Alkohol im Blut. Du wirst dich nicht mal daran erinnern, dass ich mit dir zurück nach Hogwarts gegangen bin.«
»Ehrlich?«
»Ja«
»Schade«
Harry schüttelte amüsiert den Kopf und grinste.
Der Rest des Weges verlief schweigend - auch wenn Draco irgendwann begann, die Schulhymne von Hogwarts in Dauerschleife zu singen.
Als sie dann die Eingangshalle von Hogwarts betraten, ließ Harry Dracos Hand los.
»Bis morgen, Draco.«
»Kommst du mit?«
»Was?«
»Bringst du mich in mein Zimmer?«
»Wenn es sein muss. Aber ich komme nur bis zu den Slytherinkerkern mit.« Draco nickte und lief voran.
Da Draco jetzt vor Harry lief, konnte der Gryffindor ziemlich gut beobachten, dass Draco beim Laufen stark torkelte. Vielleicht hatte er vorher versucht, das Torkeln mit dem Herumhüpfen auszugleichen. Aber wahrscheinlich sollte Harry froh sein, dass Draco nicht noch betrunkener war. Dann hätte er ihn vielleicht aus Hogsmeade zurücktragen müssen. Da war ein wenig kindliches Gerede und Herumgezappel ihm dann doch lieber. Außerdem konnte Harry nicht sagen, dass es ihm nicht gefallen hatte, Draco an der Hand zu halten, auch wenn das nur auf den Alkohol zurückzuführen war. Er durfte sich auf nichts etwas einbilden, das Draco unter solchem Alkoholeinfluss getan hatte. Eigentlich schade.
Dann blieb Draco stehen.
»Weiter wolltest du nicht mitkommen.«, sagte er zu Harry.
»Na dann schlaf gut, Draco.«
»Samstag Abend«, sagte Draco und kicherte. Harry verdrehte die Augen und drehte sich um. Er ging die Treppe wieder hinauf. Dann rief ihm Draco noch »Weißt du eigentlich, wo meine Mütze ist?« hinterher, aber Harry ignorierte ihn einfach und lief weiter. Das hatte ja keinen Zweck. Ein betrunkener Draco Malfoy. Dass er das noch mal erleben durfte.

»Alraunensaft«, sagte Harry zur fetten Dame und das Porträt schwang auf. Der Gryffindor-Gemeinschaftsraum war noch gut gefüllt und ein Feuer prasselte im Kamin. Eigentlich war Harry schon müde - obwohl es ja noch nicht mal sehr spät war - aber er sah Hermine und Ron in zwei Sesseln sitzen und ging zu ihnen hinüber.
»Hey, auch schon da?«, grinste Ron.
»Ich musste noch ein bisschen Babysitten.« Hermine und Ron sahen ihn fragend an.
»Ach, Justin, Seamus und vor allem Draco haben ein paar Butterbier zu viel getrunken.«
»Malfoy? Malfoy war betrunken?«, fragte Ron ungläubig.
»Er hat sich benommen wie ein kleines Kind«, bestätigte Harry.
»Wieso verpasse ich immer das Beste?«, jammerte Ron. »Ich hätte ihm die Haare bunt gefärbt oder so, während er total voll ist. Das war es dann mit dem perfekten Blond.«
»Ich mag das Blond.«, meinte Harry schlicht.
Ron riss grinsend die Augen auf. »Uh, Harry Potter mag Draco Malfoys Haare. Und vielleicht nicht nur die Haare. Da trifft es sich ja gut, dass er schwul ist. Harry und Draco. Draco und Harry. Was für eine Liebesgeschichte! Zwei Erzfeinde und ihr Sinneswandel.«
»Halt den Mund, Ron. Ich gehe lieber ins Bett. Nacht, Hermine!«
»Gute Nacht, Harry!«, lächelte sie.
Bevor Ron noch etwas sagen konnte, ging Harry hoch in den Schlafsaal. Er musste grinsen, als er Seamus in seinem Bett liegen und schlafen sah, denn er trug zwar seinen Schlafanzug, aber noch immer Dracos Pudelmütze.
Harry zog sich um und schlüpfte in sein Bett. Er lag auf dem Rücken und hatte die Augen geschlossen. Er versuchte, sich wieder in die Situation zurückzuversetzen, wie er vorhin Dracos Hand gehalten hatte.

Draco öffnete die Augen und stöhnte. Er hatte höllische Kopfschmerzen.
Er griff nach der goldenen Armbanduhr, die auf seinem Nachttisch lag. Es war schon kurz nach 10 Uhr.
Ächzend schwang Draco die Beine über den Bettrand. Ich hätte nicht so viel trinken sollen.
Er wusste, dass er mit Seamus Finnigan und Justin Finch-Fletchley im Drei Besen gesessen und getrunken hatte. Er konnte sich auch daran erinnern, dass irgendwas mit Harry war, nur nicht genau was. Das war es dann. Aber wenigstens war er in seinem Bett aufgewacht. Das war doch schon mal etwas.
Er sah an sich herunter und verdrehte die Augen. Er trug seine Schlafhose, allerdings noch sein weißes Hemd, das nach dem Schlafen total zerknittert war. Er knöpfte das Hemd auf und zog es aus. Er wollte baden gehen.
Die Schlafhose behielt er an, warf sich aber einen weiten Pullover über, um nicht halbnackt durch Hogwarts zu laufen, bis er das Bad für die Vertrauensschüler erreicht hätte. Er nahm sich auch frische Sachen mit. Dann ging er los.
Das Bad war leer - wahrscheinlich waren alle beim Frühstück. Draco nahm sich eins der flauschigen Handtücher und ließ die große Wanne volllaufen. Bis auf ein wenig Schaumbad, tat er nichts ins Badewasser. Dann ließ er sich langsam in das Wasser gleiten. Er schloss die Augen und versuchte, die pulsierenden Schmerzen in seinem Kopf und die leichte Übelkeit zu unterdrücken. Nie wieder würde er so viel Alkohol trinken.
Als Draco sich aus dem Wasser stemmte und versuchte, sich gerade hinzustellen, wurde ihm leicht schwindlig. Er schrieb es dem Temperaturwechsel - vom heißen Wasser in die kühlere Luft des Bades - zu. Der Schwindel verging schnell und er zog sich an.
Nachdem er seine alten Sachen auf sein Bett geworfen hatte, lief er in die große Halle. Es war voll, fast alle Schüler schienen in der Halle zu sein.
Auch Draco setzte sich und nahm sich ein Toast. Er saß wieder neben Blaise, Pansy konnte er nicht sehen - was ihn aber nicht störte. Pansy war gewiss das letzte, was bei Kopfschmerzen half.
»Auch schon wach?«, fragte Blaise. Es klang eigentlich ziemlich desinteressiert. Draco nickte einfach.
Während er aß, versuchte er die vielen Stimmen auszublenden, die seinen Kopf noch stärker dröhnen ließen. Er hatte eigentlich gar keinen Appetit, aß das trockene Toast aber auf.
»Guten Morgen.«, sagte plötzlich jemand. Draco hob den Kopf langsam - ruckartige Bewegungen schmerzten mehr - und sah Seamus Finnigan vor sich stehen. Er sah verschlafen aus und Draco sah ihm an, dass es ihm mindestens so mies ging wie ihm selbst.
»Morgen«, erwiderte Draco und sah Seamus fragend an. Er hatte keine Ahnung, was er hier wollte.
Seamus hielt Draco seine linke Hand entgegen, in der er Dracos dunkelgrüne Pudelmütze hielt. Wieso bei Merlins Bart hat er meine Mütze?
Draco nahm sie ihm ab und murmelte verwundert:»Danke«. Seamus nickte, hielt sich dann mit schmerzverzerrtem Gesichtsausdruck die Hand an die Stirn, lächelte noch einmal gequält und ging dann in Richtung Gryffindor-Tisch.
»Was war denn das?«, fragte Blaise mit hochgezogenen Augenbrauen. Draco zuckte nur mit den Schultern.
»Wenn ich das wüsste...« Er legte die Mütze neben den Teller auf den Tisch und starrte sie noch eine Weile ungläubig an.
Als die Halle sich langsam leerte, stand auch Draco auf. Er ging nicht schnell.
»Du bist übrigens ein wunderbarer Sänger!«, Harry tauchte auf ein Mal neben ihm auf und grinste. Draco schaute ihn nur verwirrt an. Heute morgen überforderte ihn irgendwie alles.
»Ich singe nie«, sagte er.
»Dann kann ich mich wohl sehr glücklich schätzen, deine engelsgleiche Stimme so lange singen gehört zu haben.«
»Was?«
»Du hast gesungen. Gestern Abend. Die Hymne von Hogwarts schmeichelt deiner Stimme sehr.«
Oh Gott Nein. Bitte nicht vor vielen Leuten!
»Wann habe ich gesungen? Wer war dabei?«, fragte Draco schon fast panisch.
»Ach, bloß gesamt Hogsmeade und auch unsere Lehrer saßen am Nebentisch. Nein, Spaß, nur ich. Du hättest dein Gesicht sehen sollen!«
»Idiot«
»Ich sehe, du hast auch deine Mütze schon wieder.«, überging Harry Dracos Bemerkung einfach.
»Seamus hat sie mir gebracht.« Draco zog Harry am Arm ein Stück abseits des Schülerstroms. »Harry, habe ich bis auf das Singen noch irgendetwas gemacht?«
»Du kannst dich wirklich nicht erinnern?«
»Nein«
»Naja, hast du aber nicht. Du bist ein bisschen rumgetaumelt und -getanzt, aber sonst nichts weiter Wildes. Ach, und Hagrid hat mir übrigens eine Eule geschickt. Es geht Gilderoy wirklich ganz und gar gut und wir können ihn uns nachher abholen. Neville schreibt noch den Aufsatz für Kräuterkunde, aber ich wollte dich trotzdem fragen, ob du vielleicht später mit zu Hagrid mitkommen willst.«
»Ja, wann?«, fragte Draco.
»Wenn es okay ist, jetzt gleich.«
»Also gut, dann lass uns gehen.«
Zu zweit verließen sie das Schloss und gingen zu Hagrid.

Why? || DrarryWhere stories live. Discover now