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»Verstehe ich das also richtig? Der Diricawl konnte sich frei in dem Zimmer von Mister Malfoy bewegen, aufgrund von dessen Entscheidung, die Käfigtür nicht zu schließen. Obwohl das Zimmer keine Fluchtmöglichkeit außer der Tür, die der Diricawl wohl kaum zu öffnen vermag, hat, ist der Vogel trotzdem verschwunden. Und der Accio-Zauber, der auf der ausgefeilten Idee von Filius und mir basiert, der mit dem Halsband des Tiers verbunden ist, funktioniert nicht. Stimmt das so?« Professor McGonagall stand mit gefalteten Händen hinter dem Schreibtisch im Büro der Schulleiterin. Ihr gegenüber standen Hagrid, Neville, Draco und Harry.
»So is' es«, bestätigte Hagrid brummend und funkelte Draco wütend an.
Harry hatte es geschafft, seine Wut auf Draco abzulegen und er war auch froh darüber. Auch wenn er nicht wusste, wem sonst die Schuld zufallen sollte. Vor allem merkte Harry aber, dass Draco sich Sorgen machte.
»Und was wollen wir jetzt tun?«, fragte Neville, der bisher geschwiegen hatte.
Es dauerte einen Moment, bis McGonagall ihm antwortete. »Ich werde sehen müssen, was wir tun können. Auch wenn Sie das wahrscheinlich nicht gerne hören werden, ist das hier keine große Sache. Es ist nur ein winziger, verschollener Diricawl. Ich kann verstehen, dass Ihnen das Fehlen des Tiers Sorgen bereitet. Aber stellen Sie sich vor, Sie wären in meiner Position. Was könnten Sie schon groß tun? Ein Suchkommando nach dem Vogel ausschicken? Nach einem kleinen Diricawl? Ich befürchte, dass ich nicht viel tun kann. Es tut mir sehr leid.«
Harry hatte es fast geahnt. Sie hatte ja Recht.
»Verflucht!«, grummelte Hagrid. »Und das habe ich alles diesem Malfoy zu verdan-«
»Hagrid, ich muss doch sehr bitten.«, unterbrach McGonagall ihn und sah ihn maßregelnd an. Hagrid murmelte etwas Unverständliches in seinen Bart und verließ das Büro dann. Harry schaute ihm überrascht nach.
Professor McGonagall seufzte. »Also gut. Die Situation ist nicht erfreulich, aber auch nicht zu ändern. Ich werde Argus Bescheid sagen, dass er nach eurem Diricawl Ausschau halten soll. Und Hagrid wird sowieso nichts ungetan lassen, um ihn zu finden. Malfoy, Longbottom, ich muss Sie nun bitten zu gehen.«
»Was ist mit Harry?«, fragte Draco und machte keine Anstalten, der Anweisung seiner Schulleiterin zu folgen.
»Ich habe noch etwas mit Potter zu besprechen. Aber das hat nichts mit Ihnen zu tun und geht Sie somit auch nichts an, Mr. Malfoy.«
Draco nickte widerwillig und verließ dann zusammen mit Neville den Raum.
Harry warf McGonagall, mit der er nun allein im Büro war, einen fragenden Blick zu.
»Was haben Sie mit mir zu besprechen, Professor?«
»Es geht um das nächste Wochenende. Ich habe eine Entscheidung getroffen, was Ihre Reise betrifft und werde nun alle nötigen Vorkehrungen treffen.«
»Werde ich fliegen?«
»Nein. Ich halte einen Portschlüssel für die beste Option. Ich werde Kingsley eine Eule schicken und den Portschlüssel beantragen lassen. Außerdem werde ich Andromeda Bescheid wissen lassen. Sie wird auch wissen wollen, wann sie mit Ihrer Ankunft rechnen kann. Setzen Sie sich doch, Potter, dann kann ich Ihnen alles erklären.«
Harry nickte und setzte sich auf den Stuhl vor dem hölzernen Tisch. Professor McGonagall begann zu erzählen.

Draco und Neville betraten den leeren Gang vor der Wendeltreppe zum Schulleiterbüro. Sie schwiegen beide und es schien Draco auch nicht so, als wollte Longbottom gerne mit ihm reden. Ohne sich nochmal umzudrehen, ging Neville weiter und es war eindeutig, dass er sich von Draco entfernen wollte, der noch vor der dem leicht demolierten Wasserspeier stand.
»Du hasst mich.«, stellte Draco ruhig fest und Neville erstarrte im Gehen - ohne sich jedoch umzudrehen. »Oder hast du Angst vor mir? Oder verabscheust du mich einfach nur?«
Draco sah an Nevilles Schulterblättern, dass er versuchte ruhig zu atmen und nachzudenken. Draco wollte ihn nicht unter Druck setzen, wollte aber eine Antwort. Neville bündelte wohl alle Gefühle, die die Leute für ihn empfanden am stärksten. Er war viel weniger naiv, tollpatschig und vergesslich als in der Vergangenheit, aber die Gefühle von damals empfand er immer noch. Er hatte nur gelernt, sie für sich zu behalten. Dessen war Draco sich sicher.
»Ich habe keine Angst vor dir.«, sagte Neville ruhig und drehte sich langsam zu Draco um. »Hatte ich mal. Aber das hat sich geändert. In der Schlacht von Hogwarts hat sich für mich gezeigt, dass du...«, Neville schien nach dem richtigen Wort zu suchen, »schwach bist. Du versuchst viel weniger zu sein, als du bist. Ich glaube, du hast immer versucht, deine Komplexität zu unterdrücken, denn du weißt, dass diese Komplexität menschlich ist. Und du wolltest nie menschlich sein.
Ich habe mich früher viel zu leicht beeinflussen lassen von Leuten wie dir. Das weiß ich. Kannst du dich noch an das Quidditchspiel im ersten Jahr erinnern? Hufflepuff gegen Gryffindor. Snape hat gepfiffen. Und du hast zu mir gesagt ›Longbottom, wenn Hirn Gold wäre, dann wärst du ärmer als Weasley, und das will was heißen‹. Vor diesem Charakterzug von dir, der dich ganz und gar auszumachen schien, hatte ich immer eine gewaltige Ehrfurcht. Eigentlich war es so, dass ich alles, was nicht ich war, lieber gewesen wäre als ich. Verstehst du das? Und ich glaube, dass du irgendwann begreifen wirst, dass du gar nicht so anders bist als ich. Ich habe dich immer irgendwie respektiert, aber jetzt tue ich das nicht mehr.« Neville drehte sich um und lief den Gang weiter, bis er aus Dracos Sichtfeld verschwand.
Draco war sprachlos. Eine ehrfürchtige Bewunderung für Neville hatte sich in ihm ausgebreitet. Wie Recht er doch hatte. Und wie unklar Draco das vorher gewesen war.
›Und du wolltest nie menschlich sein‹, hatte Neville gesagt. ›Scheußlich und eingebildet - genau wie dein Vater‹, das war Hagrid gewesen. Und sie beide hatten die Wahrheit gesagt. Wie sein Vater zu sein, das hatte Draco immer versucht. Schwach. Das war das richtige Wort. Draco hatte immer Autoritätspersonen gebraucht, an die er sich halten konnte. Er war nie mutig gewesen. Nie selbstlos. Oder menschlich. Das einzige, was er gekannt hatte waren Hass und Neid. Den Neid hatte er versucht zu unterdrücken. Den Hass hatte er mit Stolz nach außen getragen. Widerlich. Nun empfand er Hass für sich. Er ballte seine Hände zu Fäusten und presste die Kiefer aufeinander. Wie war er nur all die Jahre so blind gewesen? Er hatte nie eine eigene Persönlichkeit gehabt.
Er entspannte Gesicht und Hände. Es war Zeit das zu ändern. Es war Zeit, dass Draco Malfoy existierte. Es war Zeit, dass Draco Malfoy lebte.
»Draco.«, Draco zuckte zusammen und drehte sich zu Harry um, der gerade die Wendeltreppe hinunterkam.
»Wo ist Neville?«
»Er ist gegangen.«
Harry sah in den Gang, als würde er Neville noch entdecken können.
»Es tut mir leid.«, sagte Draco geradeheraus. Es war Zeit, Rechnungen zu begleichen.
»Was tut dir leid?«
»Alles. Du hattest Recht. All die Jahre. Ich war ein Arsch und das weiß ich jetzt.«
Harry riss die Augen auf und grinste. »Blitzmerker. Besser spät als nie.«
Er legte Draco seine linke Hand auf die Schulter. Ein Kribbeln durchzog ihn und er hoffte, dass Harry seine Hand nie wieder wegnehmen würde. Aber er tat es und eine unangenehme Leere breitete sich in Draco aus.
Stattdessen hielt Harry ihm jetzt die rechte Hand hin. »An unserem ersten Tag hier hast du mir die Freundschaft angeboten. Ich habe sie abgelehnt. Jetzt möchte ich sie gerne annehmen.«
Draco reichte ihm ohne zu zögern seine Hand.
»Vielleicht sieben Jahre zu spät«, sagte Harry.
»›Besser spät als nie‹«, grinste Draco, als er Harrys Worte wiederholte.
Dann ließ Harry seine Hand los und diesmal hinterließ sie keine Leere. Freundschaft. Das war ein Anfang.
»Ich werde jetzt aber zum Abendessen gehen.«, sagte Harry und ging an Draco vorbei Richtung Große Halle.
»Dein neugewonnener Freund hätte auch nichts gegen Essen.«, erwiderte Draco und lief Harry hinterher.

Sie traten in die Große Halle, die schon gut gefüllt war, und blieben kurz stehen.
»Guten Appetit, Freund!«, lachte Draco und ging nach links zum Tisch der Slytherins. Harry ging nach rechts.
Er setzte sich gegenüber von Hermine, die neben Ron saß.
»Harry!«, begrüßte sie ihn. »Was war denn vorhin los? Du bist einfach weggelaufen. Wieso hast du Neville gesucht?«
Harry seufzte. »Gilderoy ist verschwunden.«
»Gilderoy? Gilderoy Lockhart?«, lachte Ron. »Harry, der hat sich im zweiten Jahr sein Gedächtnis gelösch-«
»Nein, wir haben unseren Diricawl Gilderoy genannt. Er ist weg.«
Ron prustete los. »Ihr habt euren Diricawl Gilderoy genannt?! Wer hatte denn die bescheuerte Idee?«
»Ron!«, unterbrach Hermine ihn empört und wandte sich an Harry, »Euer Diricawl ist verschwunden? Seit wann? Sie sollten doch noch gar nicht apparieren können.«
»Seit heute Nachmittag. Zumindest hat Draco es dann erst gemerkt. Und Accio funktioniert nicht. Keine Ahnung.«
»War ja klar, dass Malfoy dahinter steckt!«, sagte Ron verächtlich.
»Ich habe mit ihm Freundschaft geschlossen.«, warf Harry ein.
»Du hast WAS?!« Ron war außer sich und starrte Harry an, als wäre er irre.
»Ich habe mit Draco Freundschaft geschlossen.«
»Willst du dann vielleicht morgen Voldemort auferstehen lassen? Und ihn fragen, ob er dich eventuell adoptieren würde? Wenn du schon mal dabei bist, Freundschaften mit deinen Feinden zu schließen?!«
»Ron, reg dich ab«, beschwichtigte Hermine ihn. »Ich glaube, dass es gut ist. Aus einer Freundschaft zieht Harry jedenfalls mehr als aus einer Feindschaft.«
Ron schüttelte nur den Kopf. »Aus dir werde ich nie schlau werden, Harry«, grinste er.
»McGonagall hat sich übrigens ausgedacht, dass ich nächstem Freitag dann mit einem Portschlüssel zu Dromeda reise.«
»Hört sich doch gut an!«, meinte Hermine. »Harry, was mir gerade einfällt; du hast mich doch gefragt, ob ich mal darüber nachdenken kann, warum du zum ersten Mal einen veränderten Albtraum hattest.«
»Ich habe dich überhaupt nicht darum gebeten, Hermine! Du hast dich nur dazu verpflichtet gefühlt oder so.«
»Naja, ist ja auch egal. Jedenfalls habe ich darüber nachgedacht. Weißt du Harry, ich glaube, es ist so wie mit einem Patronus. Zum Beispiel Tonks: Ihr Patronus war ein Kaninchen. Und dann hat er sich wegen starker emotionaler Einflüsse verändert und wurde zum Wolf. Sie hat sich in Remus verliebt. Vielleicht ist es bei dir ähnlich. Eigentlich verändern sich die Albträume nicht, aber unter gewissen emotionalen, persönlichen Bedingungen... Aber ich weiß es nicht. Ist nur so eine Theorie.«
»Danke Hermine«
Sie nickte erfreut. Dann herrschte Stille. Hermine lehnte ihren Kopf an Rons Schulter. Dieser lächelte, gab ihr einen Kuss auf die Haare und lehnte dann seinen Kopf an ihren. Harry musste lächeln, als er sie so glücklich sah. Und auf einmal durchströmte ihn ein angenehmes Gefühl. Es war das Gefühl gewesen, dass ihn in dem Moment erfüllt hatte, als er Dracos Hand gefasst hatte. Er hoffte, dass das Gefühl ihn nie wieder verlassen würde.
»Ach ja, und, Ron, der Name Gilderoy war Dracos Idee.«

Why? || DrarryTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang