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Im ersten Moment war Harry zu perplex, um irgendetwas zu tun oder denken. Aber dann übernahm sein Herz.
Er begann, seine Lippen auch sanft gegen Dracos zu bewegen und er legte ihm die Hände an die Hüfte. Der Kuss löste ein unfassbares Gefühl in ihm aus. Er lächelte kurz in ihn hinein, als Draco auch seine freie Hand noch an Harrys Gesicht legte.
Leise seufzte Harry, als sie ihre Lippen voneinander lösten. Lächelnd sah er in Dracos graue Augen, die er gerade wieder öffnete. Auch auf Dracos Gesicht breitete sich ein Lächeln aus. Er schlang seine Arme um Harrys Taille und zog ihn zu sich heran. Harry schloss die Augen und legte seinen Kopf in die Halsbeuge des Größeren.
»Darüber hat Dumbledore mit mir geredet.«, flüsterte Draco, während er mit einer Hand durch Harrys Haare fuhr. »Er hat mir gesagt, dass ich dich entweder aufgeben oder für mich gewinnen muss. Und das habe ich getan.« Harry spürte einen sanften Kuss auf seinen Haaren. Er biss sich leicht auf die Unterlippe und nahm seinen Kopf ein wenig nach hinten, um Draco in die Augen sehen zu können. Dieser erwiderte seinen Blick.
»Du weißt gar nicht, wie sehr ich auf diesen Moment gewartet habe.«, murmelte Draco und strich Harry eine Strähne aus der Stirn. Dracos sturmgraue Augen, die Harry immer als kalt und hasserfüllt gekannt hatte, leuchteten jetzt lebhaft. Zärtlich legte Harry eine Hand in Dracos Nacken und zog sein Gesicht wieder zu sich. Ihre Lippen vereinten sich zu einem gefühlvollen Kuss und Harry entspannte sich komplett in Dracos Armen und schloss die Augen. Er spürte, wie Dracos Zunge sacht über seine Unterlippe strich und Harry öffnete seinen Mund leicht, um ihm Einlass zu gewähren. Ihre Zungen umspielten einander und schließlich lösten sie sich wieder voneinander. Harry ließ die Augen geschlossen und versuchte seine Atmung wieder zu normalisieren. Er legte seinen Kopf auf Dracos Schulter.
»Deine Berührungen sind viel schöner, wenn du nicht betrunken bist«, hauchte er und seine Lippen streiften dabei Dracos Hals. Er spürte, wie sich eine Gänsehaut darauf ausbreitete und musste lächeln.
»Was habe ich gemacht?« Harry hörte das Grinsen aus seiner Stimme.
»Du wolltest meine Hand halten. Und dann sind wir so zurück nach Hogwarts gegangen. Es hat sich gut angefühlt, aber nicht ganz echt. Du hattest den Alkohol in deinem Blut.«
»Ich fasse es nicht, dass das hier echt ist.«, sagte Draco und machte eine ausladende Geste. Dann legte er die Hand an Harrys Wange und strich mit seinem Daumen über seine Lippen. »Dass ich sieben Jahre gebraucht habe, um das zu begreifen. Um dich zu begreifen.«
»Ich habe ja nicht weniger Zeit gebraucht.«, erwiderte Harry und legte seine Hand an Dracos, die noch auf seiner Wange lag.
Dann trat Draco langsam einen Schritt von Harry weg und griff nach seiner Hand. Draco schloss die Augen und atmete ruhig durch, und Harry fragte sich, was er da tat. Bis er es begriff. Er äußerte einen Wunsch. Plötzlich war Dracos Bett weg und stattdessen stand da ein weich aussehendes Sofa. Der Rest des Raumes war unverändert.
Harry wurde an seiner Hand zum Sofa hingezogen. Draco setzte sich darauf und Harry legte sich hin. Sein Kopf lag auf Dracos Schoß.

Draco konnte es nicht glauben. Wie konnte es sein, dass Harry seine Gefühle erwiderte? Aber der Grund war Draco eigentlich egal. Hauptsache war, dass es so war. Innerlich dankte er Dumbledore für seinen Rat.
Leicht massierte er Harrys Kopf mit seinen Händen und lächelte, als dieser entspannt die Augen schloss.
»Deiner Vater wird mich hassen.«, sagte Harry nach einer Weile.
»Er wird mich hassen!«, berichtigte Draco. »Dich hasst er so schon.«
»Aber vielleicht wird deine Mutter das ja akzeptieren.« In dem Moment fiel Draco etwas ein.
»Wo du schon von meiner Mutter redest, Dumbledore hat mir etwas erzählt. Also eigentlich hat er es mir nicht mal erzählt. Er meinte, ich soll dich fragen.«
»Was denn?«
»Dumbledore hat angedeutet, dass meine Mutter dich gerettet hat. Mit Liebe.«
Harry öffnete die Augen und drehte sich von der Seite auf den Rücken. Draco verlor sich in seinen grünen Augen.
»Ja Draco, aber aus Liebe zu dir. In der Schlacht von Hogwarts, da dachten alle, ich wäre tot. Als Hagrid mich getragen hat. Erinnerst du dich?«
Natürlich erinnere ich mich daran.
»Ja«
»Das mit Narzissa hatte damit zu tun. Sicher weißt du noch, wie Voldemort vorher immer wieder alle wissen lassen hat, dass sie mich einfach nur ausliefern müssen, dann würde der Kampf enden. Ich war dabei, als Voldemort Snape getötet hat. Er hat mir seine Erinnerungen gegeben, weil Dumbledore ihm aufgetragen hatte, dass ich die Wahrheit erfahren musste. Durch Snapes Erinnerungen wurde ich dann in den Plan eingeweiht, der schon ewig gestanden hat, ich war nur immer zu naiv und dumm gewesen, ihn zu erkennen. Mein ganzes Leben hatte nur einem Zweck gedient: zu sterben. Es hat mich unfassbar wütend gemacht, benutzt und angelogen worden zu sein. Aber ich wusste auch, dass es, auch wenn es mir nicht passte, der einzige Weg war. Voldemort hat dieses letzte Ultimatum gestellt. Ich glaube, ich werde die Worte nie vergessen, Draco. ›Harry Potter, ich spreche nun zu dir. Du hast deine Freunde für dich sterben lassen, anstatt mir selbst entgegenzutreten. Ich werde eine Stunde lang im Verbotenen Wald warten. Wenn du nach Ablauf dieser Stunde nicht zu mir gekommen bist, dich nicht ergeben hast, dann beginnt die Schlacht von neuem. Diesmal werde ich selbst in den Kampf ziehen. Harry Potter, und ich werde dich finden, und ich werde jeden Einzelnen, ob Mann, Frau oder Kind, bestrafen, der versucht hat, dich vor mir zu verstecken.‹ Es ist, als hätte er mir diese Worte ins Fleisch gebrannt, ich werde sie immer mit mir tragen.
Naja, ich hatte keine Wahl. Aber ich glaube, ich verstand auch, dass es das Richtige ist. Ich bin in den Wald gegangen, wie Voldemort es verlangt hat. Ich habe mich widerstandslos töten lassen. Aber ich war nicht tot. Ich war in einem, ich weiß nicht, so ein Zwischending. Ich weiß bis heute nicht, ob es wirklich real war. Es war Cing's Cross - irgendwie. Aber ich war nicht alleine da. Der abgespaltene Teil von Voldemorts Seele, in Form eines...seltsamen Wesens«, Harry rümpfte die Nase - was Draco verdammt süß fand, »und Dumbledore. Er hat mir Vieles erklärt, beinahe Alles. Dass ich ein Horkrux war und deswegen getötet werden musste. Aber vor allem, dass ich durch mein Blut in Voldemorts Körper an das Leben gebunden war, solange er lebte. Er hat mir über die Heiligtümer des Todes und seinen eigenen Hochmut erzählt. Und dass ich die Wahl hatte, zurückzukehren.
So bin ich dann wieder auf der Lichtung im Wald zu Bewusstsein gekommen. Ich habe mich nicht bewegt, hatte eine riesige Angst, dass sie zu früh entdeckten, dass ich noch am Leben war. Aber natürlich ließ Voldemort das kontrollieren. Es war mein Glück, dass er deine Mutter gewählt hat. Man kann ein pochendes, lebendiges Herz nicht verstecken. Natürlich sah sie, dass ich noch lebte. Aber sie hat sich nichts anmerken lassen. Sie hat nach dir gefragt, Draco. Sie hat gefragt, ob du noch am Leben bist. Und ich habe ihr geantwortet. Und natürlich wusste Narzissa, dass sie nie nach Hogwarts kommen würde, wenn sie diese Schlacht verlieren würde. So log sie. Alle dachten, ich wäre tot und Hagrid musste mich zurück nach Hogwarts tragen. Den Rest der Geschichte kennst du.«
Draco war sprachlos. Weniger über die Geschichte mit seiner Mutter, als viel mehr über Harrys Taten. Draco hatte sich immer für bemitleidenswert gehalten, für denjenigen, der nie eine Wahl gehabt hatte. Aber für Harry wurde sogar sein Todesurteil gefällt. Und er hatte ihm nachkommen müssen - und hatte es auch selbstlos getan.
»Du bist also doch ein Held«, murmelte Draco erstaunt.
»Nicht du auch noch«, stöhnte Harry. »Wieso begreift das nur keiner? Ich bin kein Held!«
»Du bist der Einzige, der nicht begreift, dass du ein Held bist. Halt - widersprich mir nicht. Akzeptier es einfach.« Harry schwieg.
»Weiß eigentlich jemand, dass wir hier sind?«, fragte Draco nach einer Weile. Harry hatte sich mit dem Kopf in Dracos Schoß wieder auf die Seite gedreht und Draco hatte begonnen, ihm einzelne Strähnen seines schwarzen Haars zu verflechten.
»Bis auf Hermine - niemand«, antwortete Harry locker.
»Granger weiß, dass wir hier sind?!«
»Naja, zumindest weiß sie es, wenn sie uns in der Eulerei nicht findet.«
»Apropros Granger, erzählst du es ihr und dem Wiesel?«
»Das mit uns? Wenn es für dich okay ist, dann ja. Aber fühl dich nicht unter Druck gesetzt! Wenn du es nicht möchtest, dann-«
»Harry, hey, es ist okay! Auch wenn sie es bestimmt hassen werden.«, lachte Draco. »Und du bist übrigens süß, wenn du aufgeregt bist.« Draco gab Harry einen Kuss auf die Nase.
Dieser protestierte. »Ich war nicht aufgeregt!« Draco verdrehte nur die Augen und schob vorsichtig Harrys Kopf von sich. Er stand auf und der Gryffindor tat es ihm nach.
»Soll ich mitkommen, wenn du es ihnen sagst?«, fragte Draco.
»Ich glaube, besser nicht.«
»Ist schon okay.« Die beiden gingen zur Tür und Draco öffnete sie.
Sobald sie die Tür hinter sich geschlossen hatten, war sie auch schon wieder weg. Draco drückte Harry einen Kuss auf die Stirn.
»Du kannst mir übrigens bitte mehr erzählen von deinem Leben. Ich fühle mich stolz, wenn ich weiß, dass mein Freund ein Held und Abenteurer ist.«, grinste Draco.
»Okay«, grinste Harry, »Dann erzähle ich dir das nächste Mal, wie Ron und ich dich als Crabbe und Goyle im zweiten Jahr ausspioniert haben.« Er zwinkerte Draco neckisch zu, drehte sich um und ließ ihn einfach stehen. Diesem fiel die Kinnlade runter.
»Ihr habt WAS?!«
Doch Harry ignorierte ihn und lief einfach weiter. Draco musste sein Gesicht nicht sehen, um zu wissen, dass er grinste.

Why? || DrarryWhere stories live. Discover now