Kapitel 33

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Daniel

Tick. Tack. Tick. Tack. Tick.

Zwischen einem Tick und einem Tack schien eine halbe Ewigkeit zu stehen. Und zwischen einem Tack und einem Tick eine ganze. Es war unerträglich. Dennoch war dieses Tick und dieses Tack in meinen Ohren wie Musik. Wie das liebste Lied schallte es durch meinen gedankenleeren Kopf. Tick. Tack. Immer wieder. Immer wieder das Warten auf den nächsten Ton, der zu mir durchdrang. Ich klammerte mich daran wie ein Kind an seine Mutter. 

Tick. Tack. Tick. Tack.

Wo war es? Warum kam es nicht? Wieso hörte ich das nächste Tick nicht mehr? War die Uhr stehen geblieben? War meine Uhr stehen geblieben? 

Jemand atmete. Ganz leise. Kaum hörbar und gleichmäßig, seelenruhig. Es war ein bekanntes Geräusch. Es war so lieblich und beruhigte mich. Jedes Mal, wenn ich es hörte, wurde ich ganz still um danach zu lauschen. Und ich lauschte. 

Mein Körper wurde ganz schwer. Es fühlte sich an, als würde ich aus dem Wasser kommen. Im Wasser war ich ganz leicht, ja fast schon schwerelos, und dann kam ich heraus und es schien als hätte mir jemand Steine an alle Gliedmaßen gehängt, die ich an Land schleppen musste.

Es fiel mir schwerer zu atmen als würde ich mich mit meinem eigenen Gewicht erdrücken. Dennoch war es kein bisschen unangenehm. Es war eher so, als würde man einen guten Freund umarmen, den man ewig nicht gesehen hatte und der einen an sich drückt, sodass man kaum mehr Luft bekommt. Und der gute Freund, der mich so fest umarmte trug den Namen Leben. Das Leben umarmte mich und gab mir das wunderbare Gefühl willkommen zu sein. 

Um mich herum wurde es heller, das merkte ich obwohl ich meine Augen geschlossen hielt. 

Es war als würde ich Zuhause ankommen. Dieses Gefühl länger nicht daheim gewesen zu sein und dann wieder zurück zu kommen. Es war wunderschön, so unbeschreiblich schön. 

Ich lebte. Gott verdammt ich lebte! 

Ganz langsam öffnete ich die Augen. Das grelle Licht blendete mich und stach mir förmlich in die Augen, weshalb ich sie wieder schloss. 

Ich atmete ein. Der sterile Geruch von Krankenhaus und Arztpraxis stieg mir in die Nase. Ich war mir nicht sicher, ob ich diesen Geruch hassen oder lieben sollte. Es starben Menschen, während sie ihn einatmeten. Aber dennoch wurden andere Leben gerettet und es war der erste Geruch den die Neugeborenen kennen lernten. 

Ich atmete aus. 

Erneut versuchte ich meine Augen zu öffnen. Erfolgreich. Ich kniff sie leicht zusammen, hielt sie dennoch offen. Nur ganz langsam gewöhnte ich mich an die Helligkeit. 

Ich hob meine Finger ganz leicht. Es war furchtbar anstrengend. Ganz leicht steifte ich etwas. Mein Blick fuhr zu meiner Hand. Bei dem Anblick konnte ich nicht anders als zu lächeln. Noch immer hörte ich ihn leise und gleichmäßig atmen. Es war also wirklich keine Einbildung. Federleicht fuhr ich mit der Fingerspitze über seine weiche Haut, über die ganz feinen Haare, die noch lange nicht zum Bartwuchs zählten, nicht mal als Schatten gingen sie durch. Ganz leicht stupste ich seine süße Nase an. Sein linker Nasenflügel zuckte ganz leicht, so, dass man es kaum bemerkte. Und es war so furchtbar niedlich, dass ich hätte weinen können. 

Seine Lider fingen an zu flattern, ehe er blinzelnd seine wunderschönen Augen öffnete. Er blickte auf meine Hand, machte jedoch keine Anstalten seinen Kopf von seinem Arm zu heben. Ich war mir sicher, dass er tierische Rückenschmerzen haben musste. Wer wusste, wie lang er schon so da saß? Er saß auf einem Stuhl rechts neben dem Bett und hatte seinen Kopf auf seinen Arm gelegt, welcher auf der freien Fläche neben mir auf der Matratze Platz genommen hatte. 

Der Blick des kleineren wanderte meinen Arm hinauf bis zu meinem Gesicht. Er sah mir direkt in die Augen, fing an zu strahlen. Dennoch gab er keinen Mucks von sich und rühren tat er sich auch nicht.

"Die... die Uhr ist stehen geblieben", krächzte ich angestrengt, lächelte meinen Prinzen an. 

Johnny hob seinen Kopf ganz leicht, um auf die Uhr an der Wand gegenüber von mir zu gucken. Seine Augen weiteten sich. "Du hast recht..." Seine Stimme zitterte. Als er wieder zu mir sah, wusste ich auch warum. Johnny weinte. 

"So schrecklich, dass ich noch lebe?", scherzte ich schwach.

Er schüttelte schluchzend den Kopf. "Du Idiot!" Mein Freund kletterte zu mir aufs Bett und schlang ganz vorsichtig seine dünnen Arme um mich. "Ich hab mir solche Sorgen gemacht, Daniel. Ich dachte du stirbst wirklich!" Er drückte sanft meinen Kopf an seine Brust. Ich lauschte seinem Herzschlag. Es raste förmlich, sein Herz. "Es tut mir so schrecklich leid, was ich zu dir gesagt hab. Es tut mir so unendlich leid, dass ich dir Vorwürfe gemacht hab und dass ich so schrecklich eifersüchtig war." Immer wieder strich er mir mit seinen zauberhaften Händen durch die Haare. "Ich will dich nicht verlieren, niemals, Daniel. Oh Gott ich bin so froh, dass du lebst!" Er schniefte. 

Ich krallte mich mit meiner Hand in sein Hemd, welches schon ein wenig nass durch meine eigenen Tränen war. Es machte mich so schrecklich glücklich, seine Arme um mich zu spüren, sein Herz schlagen und den Klang seiner Stimme hören zu können. 

"Ich liebe dich, Danny, ich liebe dich so sehr", weinte er und drückte mir liebevolle Küsse aufs Haar. "Bitte jag mir nie wieder so einen Schrecken ein."

Mein Prinz löste sich von mir und sah mir in die Augen, wischte mir sanft die Tränen weg. "Was hätte ich nur ohne dich tun sollen, hm?"

Er gab mir einen Kuss auf die Stirn. "Bitte verzeih mir, was ich zu dir gesagt hatte. Ich hab nicht nachgedacht, okay?"

Ganz leicht nickte ich. "Dir verzeih ich alles", hauchte ich und lächelte erschöpft. 

"Womit hab ich dich nur verdient, Danny?" Johnny strich mir meine Haare aus dem Gesicht.

"Schicksal", krächzte ich und grinste ganz leicht. 

"Will das Schicksal denn auch, dass ich dich Küsse?", fragte er ganz leise und fuhr mir über die Wange. 

Wieder nickte ich und wartete sehnsüchtig darauf, dass seine Lippen die meine berührten. Wie jedes Mal war es ein so atemberaubendes Gefühl, als er mich küsste. Er war so sanft und steckte all seine Liebe in jeden einzelnen Kuss. Ich wäre ein riesigen Idiot, würde ich so einem wunderbaren Jungen nicht verzeihen und ihn von mir stoßen. Ihn würde ich niemals wieder gehen lassen. 

"Ich liebe dich", flüsterte ich, als wir uns voneinander lösten. Er lehnte lächelnd seine Stirn an die meine. Das Verstellteil an meiner Cap, die er trug, war kalt an meiner Haut und löste eine Gänsehaut aus. 

"Ich liebe dich auch, Daniel, über alles." Mein fester Freund strahlte mich an. 

Ich hob meine Hand, um ihm die Cap abzunehmen, ehe ich sie mir selbst auf den Kopf setzte. Jedoch hielt ich mitten in meiner Bewegung inne, starrte ihn fast schon an. "Was...?"

Johnny fuhr sich über den rasierten Kopf. Seine Haare waren nicht mehr als kurze Stoppeln. "Ich... na ja ich hab sie mir abrasiert."

"Warum?" Ich liebte seine Haare und er liebte seine Haare selbst abgöttisch. 

"Wenn... etwas schreckliches passiert, rasiere ich sie mir ab. Toby hat mich darauf gebracht... Na ja bevor ich..." 

Der Rest seiner Worte verstand ich nicht. Aber das war mir egal. Ich legte meinen rechten Arm um ihn. "Also hast du... es mehr oder weniger für... mich getan?" Das Reden war anstrengend.

Er nickte. 

Ich lächelte erschöpft. "Du bist ein Spinner." Sanft drückte ich ihn an mich. "Mein Spinner..."

"Also liebst du mich trotzdem?", piepste er und machte es sich neben mir gemütlich, schmiegte sich an mich.

"Natürlich liebe ich dich trotzdem." Ich sah ihm in die Augen und küsste ihn liebevoll. "Und das wird sich auch nicht ändern, hörst du?"

Erschöpft schloss ich meine Augen, lächelte.

Ich lebte. Und das machte mich unfassbar glücklich. 

Together [boyxboy]Where stories live. Discover now