Kapitel 34

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Daniel

Vor einem Tag war ich aufgewacht. Seitdem hatten die Ärzte mir noch nicht wirklich erzählt, was ich jetzt genau hatte. Ich wusste nur, dass ich höllische Schmerzen in meinem linken Bein hatte, wenn die Schmerzmittel nachließen. 

Johnny war immer nur kurz von meiner Seite gewichen und um ehrlich zu sein, war ich ihm dafür mehr als dankbar. 

Es war am Morgen und ich hatte gerade fertig gefrühstückt, als mein Arzt hinein kam.

"Guten Morgen, Daniel." Er war etwas älter, im Licht schimmerte sein Haar inzwischen gräulich und seine Brille war eindeutig nur eine Lesebrille, denn er trug sie sehr weit unten auf der Nase. Seine Miene war etwas ernster, jedoch nicht so ernst, dass ich um mein Leben bangte. 

"Wie geht es dir?", fragte er und lächelte nun doch freundlich.

"Gerade ganz gut", sagte ich recht leise. Natürlich war ich noch immer geschwächt und das sollte schon was heißen, wenn ich mich von irgendwelchen Pflegern waschen ließ und auf Klo begleiten, weil ich es allein nicht schaffte. "Sagen Sie mir heute, was genau los ist?"

Leicht nickte der ältere Herr und seine Stirnfalte wurde sichtbar, als er auf sein Klemmbrett blickte, während seine freie Hand in seiner Kitteltasche verschwand. "Du weißt ja, dass du einen Unfall hattest. Ein Transporter hat dich erwischt und einige Meter mitgerissen. Dabei wurdest du schwer verletzt." Der Doktor räusperte sich. "Meine Kollegen mussten dich wiederbeleben."

Das war doch irgendwie ein Schock für mich, auch wenn ich es bereits irgendwie wusste. Johnny strich sanft über meine Hand. 

"Hätte dein Freund nicht so schnell reagiert, wäre es wahrscheinlich zu spät gewesen." Erneut fiel sein Blick auf den Zettel auf dem Klemmbrett, der ein weiterer Teil meiner Krankenakte werden würde. "Also, Daniel... zwei deiner Rippen sind gebrochen und deinen linken Arm hat es ziemlich erwischt. Elle und Speiche sind beide durch und alle vier Finger deiner linken Hand sind ebenfalls gebrochen. Das Daumengelenk deiner rechten Hand war ausgekugelt, das konnten wir jedoch wieder richten, sodass du dort nicht mehr all zu große Schmerzen haben dürftest. Außerdem hast du eine schwere Gehirnerschütterung und eine Platzwunde am Hinterkopf. Ich weiß, das hört sich alles sehr schlimm an. Aber das lässt sich sehr gut behandeln und es wurde sich bereits hervorragend um deine Verletzungen gekümmert."

Leicht nickte ich, wobei mir ein wenig schwindelig wurde. "Aber was ist mit meinem Bein?"

"Ja, dein Bein..." Er seufzte schwer. "Um ehrlich zu sein, macht mir dein Bern etwas Sorgen. Dein ganzes linkes Bein war förmlich zertrümmert. Es sah erst so aus, als müssten wir es dir abnehmen. Wir haben uns jedoch dagegen entschieden. Trotzdem bezweifle ich, dass es wieder zu hundert Prozent das alte sein wird." Er erklärte mir noch genaueres zu meinen Verletzungen am Bein. Es schockierte mich, es haute mich förmlich um. Das hieß, dass ich nie wieder wirklich Sport machen könnte, nie wieder surfen. Höchstens Laufen ohne Krücken, das dann aber auch nur humpelnd. 

"Ich... lasse euch dann erstmal wieder alleine", verabschiedete sich der Arzt von mir. 

Als er die Tür hinter ihm geschlossen war, begannen Tränen über meine Wangen zu laufen. Scheiße! Verdammte Scheiße!

Mein Freund streichelte liebevoll meine rechte Hand, zeigte mir, dass er da war und mich nicht alleine ließ. Doch würde er mich dann weiterhin so sehr lieben können? Schließlich wäre ich ein Krüppel! Ich würde auf dem Abschlussball nicht mit ihm tanzen können, wir könnten nicht mehr zusammen durch den warmen Sand am Strand rennen... Ich bekam Angst, furchtbare Angst. Wovor? Vor der Zukunft. 

Sanft wischte Johnny mir die Tränen weg. "Du schaffst das, hörst du? Wir schaffen das zusammen. Ich lasse dich damit nicht allein, hörst du, Daniel?", hauchte er mit zittriger Stimme und küsste immer wieder meine Wange. "Ich bin bei dir, du bist nicht alleine damit."

Ganz leicht nickte ich. Ich wusste, dass er es Ernst meinte. Doch so recht glauben konnte ich es nicht, dass er wirklich nicht gehen würde. Natürlich hoffte ich, dass er bei mir bleibt. Aber die Angst besiegte die Hoffnung Stück für Stück. 

"Außerdem hast du nicht nur mich, sondern auch die anderen. Und George und deinen Vater", flüsterte er und versuchte die immer wiederkehrenden Tränen wegzuwischen. "Hörst du? Wir schaffen das. Alle zusammen. Du bist nicht allein. Aber gib nicht auf, ich bitte dich." Er legte seine Stirn an meine. "Nicht aufgeben, Danny... Ich bitte dich."

Ganz leicht nickte ich und sah ihm schniefend in die Augen. Für Außenstehende mochte es vielleicht übertrieben klingen. 'Ach der kann doch sein Bein später einfach nur nicht richtig bewegen, was ist daran so schlimm?' Natürlich gab es viel Schlimmeres und ich wollte nicht sagen, dass mich niemand verstand und niemand wusste wie ich mich fühlte und ich war am schlimmsten dran von allen. Nein, so war es nicht. Trotzdem war es schrecklich für mich. Natürlich war ich froh, überhaupt am Leben zu sein. So hatte ich es mir dennoch nicht vorgestellt. 

Der Boden unter meinen Füßen wurde weg gerissen, das Licht um mich herum wurde von der Dunkelheit verdrängt und ich fiel in ein immer dunkler, in ein immer tiefer werdendes Loch und ich fiel tiefer und tiefer und noch tiefer und ich fiel unendlich weit und ich fiel... 

Ich fiel, bis eine schmächtige Hand die meine griff und mich hielt und hielt und nie wieder losließ.

Together [boyxboy]Where stories live. Discover now