Das Auto des Wesir

788 61 10
                                    



Ein gefühltes Jahrhundert hatten sie gebraucht, um sich in der Stadt zurechtzufinden. Jedes Mal, wenn sie glaubten, den Palast des Wesirs gefunden zu haben, fanden sie sich doch wieder vor einem großen Tempel wieder. Als beide bereits kurz vor der ultimativen Frustration gestanden hatten, beschlossen sie, sich einfach durchzufragen. Jeder Passant, den sie abfingen, konnte ihnen ein Stück weiter helfen. Die meisten beäugten Kira zwar argwöhnisch, gaben sich jedoch mit der abgesprochenen Ausrede zufrieden, Kira sei Intefs Sklavin (, wobei Intef einige Zeit gebraucht hatte, um Kira von dem Vorwand zu überzeugen).

Als die beiden es schließlich zum Palast geschafft hatten, waren beide erschöpft und verschwitzt, Staub und Sand klebte an ihren Klamotten.

Als Kira den Palast erblickte, vergaß sie sofort ihre schmerzenden Füße und fragte sich augenblicklich, wie sie die kleinen Tempelanlagen in der Stadt mit einem Bauwerk hatten verwechseln können, dass jedem Ingenieur als Paradies auf Erden vorgekommen wäre.

Staunend sah sie die drei Meter hohen Steinmauern hoch, die das Gebilde wie ein weißer, in der Sonne leuchtende Mantel umhüllte und dem Betrachter nur die ausgestreckte Alle preisgab, die zum Haupttor führte und auf jeder Seite von einem verzierten Pylon verschönert wurde.

Nebeneinander aufgereihte Säulen, so hoch, dass sie unmöglich von Menschenhand geschaffen sein konnten, säumten den bedachten Bereich vor dem Tor.

Intef, der Kira die ganze Zeit nicht eine Sekunde aus den Augen gelassen hatte, beobachtete ihr fasziniertes Gesicht.

„Wenn dir der Anblick schon gefällt, muss ich dir unbedingt den Pharaonenpalast in Theben zeigen." Er schenkte ihr ein aufrichtiges Lächeln.

Als sie diese Worte hörte, senkte sie niedergeschlagen die Augen. Wenn Intefs und ihre Annahme stimmte, dass der Wesir aus der Zukunft stammte, und sie nach Hause bringen könnte, gäbe es für sie keine Gelegenheit mehr, nach Theben zurückzukehren. Sie würde heimkehren, und dann wäre es das letzte Mal, dass beide sich zu Gesicht bekämen, getrennt durch fast siebzehn Jahrhunderte.

Erst jetzt wurde ihr die Tragweite dessen bewusst. Sie würde ihren besten Freund nie wiedersehen.

Mit einem vor Kummer triefenden Herz dachte sie an Intefs Worte, als er sie aus dem Gefängnis befreit hatte. „Ich wollte nur, dass du in Sicherheit bist." Was hatte er danach gemurmelt? Wenn sie richtig gehört hatte, irgendetwas darüber, dass er sie nicht verlieren wollte. Sicher war sie sich nicht...und nachzufragen traute sie sich nicht. Nachher hatte sie sich ja doch nur verhört.

Intef, der ihre Gefühlsregung offenbar nicht bemerkt hatte, schlug sich plötzlich vor die Stirn. „Das hab ich ja komplett vergessen!" Ärgerlich grummelnd begann der in seiner Tasche zu wühlen und gerade, als Kira fragen wollte, wonach er denn suche, zog er eine silberne Kette hervor. Ihre Kette.

„Die hast du auf deinem Bett liegen lassen", erklärte er mit treuherzigem Blick.

Kira konnte vor Freude kaum glauben, dass er ihre Kette aus Theben mitgebracht hatte. Dass er die Kette überhaupt als die ihre erkannt hatte. Ihre vorherigen deprimierenden Gedanken waren wie fort gewischt, als er ihr das vermisste Schmuckstück hinhielt.

Glücklich nahm Kira die Kette entgegen und legte sie sich um. „Danke." Sie schenkte ihm ein Lächeln, von dem sie hoffte, es würde nicht ganz so wie aus einem kitschigen Filmstreifen aussehen.

Neuen Mut schöpfend gingen sie gemeinsam auf das Tor zu.

Im Innenhof standen mehrere dutzend ärmlich gekleideter Leute in der prallen Sonne.

Time Traveler - Durch den heißen WüstensandWhere stories live. Discover now