Endlich die Wahrheit (Teil 2)

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Als beide ein paar Stunden später erneut vor Ramoses Gemächern standen, schlug Kiras Herz ihr bis zum Hals. Seit sie aufgewacht war, fieberte sie nun schon dem Gespräch mit Ramose entgegen.

Diesmal waren Wachen vor der Tür postiert, doch auch sie konnten sie nicht vor den kleinen Attentaten der Enttäuschung bewahren, denen ihr Herz aufgesetzt war, wäre Ramose wirklich nicht der Mann, für den sie sie hielt.

Tief durchatmend schritt sie durch die große Tür, die Intef und ihr geöffnet wurde.

Doch als sie den Wesir einigermaßen wohlauf an seinem Schreibtisch sitzen sah, vollkommen in einen Haufen Schriftrollen vertieft, wurde ihr schlagartig leichter ums Herz.

„Ramose!‟ Erleichtert lief sie auf den Wesir zu; Intef folgte ihr zurückhaltender.

Überrascht hob sich der blonde Haarschopf von den Schriftrollen. Seine großen blauen Augen blickten erfreut drein, als er Kira und Intef bemerkte. „Da sind ja meine beiden Lebensretter!‟

Kichernd setzte Kira sich zu ihm. „Wie geht es dir?‟

„Besser, als wenn ihr nicht gewesen wäret.‟ Vorsichtig strich er über die Stelle an seinem Bauch, an der die Attentäterin zugestochen hatte. Kira stellte sich vor, wie sein Leibarzt die Wunde genäht hatte, ehe er einen Verband darüber angelegt hatte. War die Medizin im alten Ägypten überhaupt schon so weit, Messerstiche zu behandeln?

Mit nun ernsterem Gesichtsausdruck räumte Ramose die Schriftrollen beiseite und stützte sich mit den Ellenbogen auf die Tischplatte. Selbst im warmen Licht der Nachmittagssonne, das durch das Fenster schien, wirkte sein Gesicht blass und eingefallen. „Wirklich, ich verdanke euch mein Leben.‟ Seine Stimme klang aufrichtig. „Wärt ihr nicht dort gewesen, hätte mich diese Frau wahrscheinlich wirklich... kalt gemacht.‟ Er schauderte.

Gerade wollte Kira erwidern, dass sie es doch gern getan hätten und wollte ihm erzählen, wie Intef mit der Attentäterin auf dem Flur gerangelt hatte, als dieser ihr zuvor kam.

„Warum sollte es jemand auf dein Leben abgesehen haben?‟ Mit festem Blick sah er Ramose ins Gesicht. Sein ernster Tonfall brachte Kira in die Wirklichkeit zurück. Jetzt war es an der Zeit, Antworten aus Ramose herauszubekommen.

Betrübt starrte dieser ins Nichts. „Ich bin der Großwesir Ägyptens, es gibt viele Leute die mir nach dem Leben trachten, in der Hoffnung, so auf Reichtum zu stoßen...‟

Und deswegen entschuldigt er sich bei jemandem, der ihn gerade niedergestochen hat?

Kiras Bauchgefühl sagte ihr, dass trotz Ramoses plausibler Erklärung mehr dahinter steckte, doch Intef fuhr bereits fort.

„Ist so etwas schon einmal passiert?‟

„Guter Gott, nein.‟ Rasch winkte der Wesir ab.

„Kanntest du die Frau?‟

Einen Augenblick lang herrschte Stille.

„Natürlich kannte ich sie nicht! Wie kommst du denn auf solche Gedanken?‟ Entgeistert starrte Ramose ihn an.

Kira spürte, wie ihr der Schweiß ausbrach. Plötzlich wünschte sie sich, Intef nichts davon erzählt zu haben, dass Ramose das Wort an die Attentäterin gerichtet hatte. Hätte sie es doch einfach dabei belassen...

Je mehr die beiden sich über den Tisch hinweg anstarrten, desto stärker beschlich sie das Gefühl, dass dieses Gespräch in eine komplett falsche Richtung lief. Innerlich unterdrückte sie den Drang, Timeout! zu rufen und Intef beiseite zu nehmen. Hatten sie sich nicht geeinigt, nicht in die Offensive zu gehen?

Als das Schweigen fast unerträglich wurde, sah Kira sich gezwungen, einzugreifen.

„Also...‟ Ihre Stimme hörte sich in ihren eigenen Ohren leicht schrill an. „...um mal das Thema zu wechseln: Was ich mich jetzt schon länger frage, Ramose, ist, woher du eigentlich die Zeitmaschine kennst.‟ Mit einem Mal kam ihr ein anderer Gedanke. „Oder hast du sie selbst gebaut?‟

Plötzlich fing der Wesir an zu lachen. „Glaubt mir, ich verfüge bei weitem nicht über die nötige Intelligenz, um eine Zeitmaschine zu entwerfen. Nein, vielmehr war ihr Erbauer ein Freund von mir.‟ So plötzlich wie sein Lachen gekommen war, verschwand es auch wieder. Ein dunkler Schatten huschte über sein Gesicht, betrübte die blauen Seen seiner Augen. „...Mein bester Freund, um ehrlich zu sein.‟

Unschlüssig, was sie darauf erwidern sollte, schwieg sie.

„Ist der Erbauer der Zeitmaschine dieselbe Person, wie der dritte Zeitreisende?‟, fragte Intef stattdessen.

„Nein.‟

„Aber du kennst den dritten Zeitreisenden?‟ Intef ließ nicht locker.

„Nein.‟

Ramoses knappe Antworten erinnerten Kira an die Art von Fragespiel, bei der man nur mit Ja und Nein antworten durfte, bis der Andere erriet, um was es ging.

Anscheinend hatte Intef keine Lust zu raten. Mit ernstem Gesichtsausdruck beugte er sich vor und musterte Ramose mit demselben Adlerblick, mit dem auch sein Vater Ahmose einen leicht einschüchtern konnte. „Ramose, du verstehst nicht, wie wichtig das ist. Wenn der dritte Zeitreisende die einzige Person ist, die Kira nach hause bringen kann, dann müssen wir sie finden. Gerade jetzt, wo mordlustige maskierte Frauen durch deinen Palast laufen, sollten wir die Chance ergreifen, Kira heimzubringen. Sie ist hier nicht mehr sicher.‟

Ramose sah aus, als hätte ihm jemand einen Schlag ins Gesicht verpasst.

„Wie ich bereits sagte, ich kenne diese Person nicht. Ich bin zuerst in die Vergangenheit gereist, wie soll ich da wissen, wer noch die Zeitmaschine benutzt hat?‟

„Du lügst.‟

Bei Intefs kalten Worten riss Ramose die Augen auf. Eine noch unangenehmere Stille als zuvor senkte sich über den Raum. Kira spürte, wie ihre Handflächen vor Anspannung feucht vor Schweiß wurden.

Warum musste das Gespräch ausgerechnet auf solche Weise verlaufen?

„Ich lüge nicht‟, stellte Ramose schließlich fest.

Mit einem Mal sprang Intef von seinem Platz auf und sah wütend auf den Wesir herab.

„Du bist ein elender Lügner!‟ Seine Augen schienen vor Wut zu brennen. „Du bist genau wie mein Vater! Ich dachte, du wärst besser, aber du bist ein genauso verlogener Kerl wie er!!‟

Im nächsten Moment sprang auch Ramose auf. „Gut, vielleicht bin ich ein Lügner!‟, rief er. „Aber immerhin habe ich damit versucht, euch zu schützen! Ihr müsst ja ständig eure Nase in Dinge stecken, die euch den Kopf kosten können!‟

„Immerhin verstecken wir uns nicht hinter einem Haufen Lügen!‟ Intefs zornige Stimme hallte durch den Raum.

„Rede nicht von Dingen, die du nicht verstehst, Intef!‟, erwiderte Ramose ebenso erzürnt.

„Ach, und was verstehe ich nicht? Was gibt es so Schreckliches, dass der edle Ramose uns davor beschützen muss?!‟, höhnte er.

„Ich sag dir, was du nicht verstehst: Die dritte Person, die in die Vergangenheit gereist ist, ist die blutdurstige Frau, die mich versucht hat, abzustechen! Eine eiskalte, vor Hass zerfressene Mörderin: DAS ist die Person, die ihr sucht!!!‟

Time Traveler - Durch den heißen WüstensandWhere stories live. Discover now