Zweites Treffen

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Am nächsten morgen zwangen sich beide in aller Frühe aus dem Bett.

Rasch sammelten sie ihre Habseligkeiten zusammen, wenn es auch nicht viele waren.

Kira konnte kaum glauben, dass es jetzt schon zurück nach Theben ging. Insgeheim blickte sie der Zukunft mit Angst entgegen. Was wäre, wenn Ahmose ihnen nicht verzieh, dass sie eines Nachts einfach abgehauen waren? Selbst wenn er es täte, wie ginge es dann weiter? Würden sie bei ihm leben, bis er Intef endlich dazu gezwungen hätte, in seine Fußstapfen zu treten?

Seufzend starrte sie auf den Boden. „Mir gefällt das alles nicht.‟

„Ich hab mir das alles auch anders vorgestellt‟, hörte sie Intef hinter sich. „Aber manchmal muss man eben auch Dinge tun, die man unter anderen Umständen nicht mal in Erwägung gezogen hätte. Menschen sind nun einmal Senetsteine des Schicksals.‟

Senetsteine? Kira vermutete, dass dies die altägyptische Version von „Schachfigur des Schicksals‟ war. Unwillkürlich musste sie lächeln. Gemeinsam mit Intef vom Schicksal herumgeschubst zu werden, gab ihr mehr Mut, als wenn sie alleine den Rückzug hätte antreten müssen. Den Rückzug aus Memphis, ihrem Weg nach Hause...

In dem Bestreben, sich innerlich gegen alles zu wappnen, was ihnen noch bevor stehen könnte, straffte sie die Schultern und nahm Intef bei der Hand. „Komm, wir sollten uns noch ein letztes Mal verabschieden, bevor wir aus Memphis verschwinden.‟ Insgeheim gestand sie sich ein, dass sie sich wohl noch in alle Ewigkeit Vorwürfe machen würde, wenn sie sich nicht bei Ramose verabschiedete. Zwar hatte ihr Kopf verstanden, dass Ramose sie angelogen hatte, war wütend auf ihn und würde ihn am liebsten in der Luft zerreißen dafür, dass er ihr die Unmöglichkeit ihrer Heimkehr verschwiegen hatte. Ihr Herz jedoch hielt immer noch an dem Bild fest, was Kira seit jeher von ihm hatte. Fürsorglich, sanftmütig und ein guter Zuhörer.

„Ist das dein Ernst?‟, tönte Intef hinter ihr. „Er hat uns die ganze Zeit etwas vorgemacht und du willst dich bei ihm verabschieden?‟ Er zog sie grob auf den Flur. „Komm, wir gehen jetzt.‟

Kira konnte verstehen, dass Intef Ramose nicht mehr zu Gesicht bekommen wollte, wollte sich jedoch nicht gleich geschlagen geben.

„Ich finde, wir sollten ein bisschen erwachsener handeln und uns anständig verabschieden. Immerhin hat er uns ziemlich lange hier wohnen lassen.‟ Stur blieb sie stehen.

Als Intef das Gesicht verzog, fügte sie hinzu: „Du musst ihm ja nicht um den Hals fallen. Wir sagen nur Bescheid, dass wir gehen, sagen danke für alles und danach: Sayonara.

„Sayonara?‟ Skeptisch beäugte Intef sie.

„Vergiss das. Wir sagen einfach auf Wiedersehen und gehen.‟ Ohne auf irgendwelche Einwände zu warten, zog sie ihn mit sich Richtung Schlafgemächer des Wesirs. Wie ein trotziges Kind vor sich hin murmelnd folgte er ihr.

Innerlich begann Kira, sich sorgfältig ihre Worte zurecht zulegen. Sie würde sich rasch bedanken und Ramose danach alles gute Wünschen. Ganz einfach. Oder sollte sie vielleicht doch ihren vorherigen Streit ansprechen? Sollte sie so tun, als wäre nichts vorgefallen?

Für einen Moment erwog sie, Intef das Reden zu überlassen, doch nach einem flüchtigen Seitenblick auf seinen missmutigen Gesichtsausdruck verwarf sie den Gedanken wieder. Nein, ihr Freund würde wahrscheinlich kein Wort mehr mit Ramose wechseln, geschweige denn länger als nötig die Anwesenheit des Mannes, der ihm weisgemacht hatte, ein aufrichtigerer Mann als Intefs Vater zu sein, ertragen.

Ein bedrückendes Gefühl machte sich während ihrer Grübeleien in ihrem Magen breit und ließ sie unruhig werden. Ihre laut hallenden Schritte auf dem Steinboden hörten sich plötzlich schmerzhaft laut in ihren Ohren an.

All ihr angesammelter Mut fiel allmählich wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Gerade wollte sie schon wie ein verängstigter Hund den Schwanz einziehen, weglaufen und alles vergessen, als etwas in ihr Blickfeld trat, dass sie nie wieder aus ihrem Gedächtnis würde verbannen können.

Giftgrüne Augen starrten in ihre. Pupillen verengt wie Schlitze lieferten sich ein stummes Duell mit den ihren. Kira unterdrückte einen Schrei und wich automatisch ein paar Schritte zurück.

Neben sich hörte sie, wie Intef nach Luft schnappte, als sich die schwarze Gestalt vor ihnen regte, wie ein Panther, der zum Sprung ansetzt.

Ein einziger Gedanke fror in ihrem Geist fest, ließ ihre Glieder zu Eis erstarren und ihren Körper unbeweglich werden: Sie ist wieder da.

Time Traveler - Durch den heißen WüstensandWhere stories live. Discover now