Augen so grün wie Gift

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Nie hätte sie gedacht, dass Liebeskummer sich derart mies anfühlen würde. Na gut, vielleicht lag es zum Teil aber auch daran, dass ihre Beine eingeschlafen waren, während sie im Schneidersitz am See saß und dass die Sonne allmählich höher gestiegen war und nun erbarmungslos auf sie niederbrannte.

Als sie endgültig kein Gefühl mehr in den Beinen hatte, stand sie auf und machte sich an den Rückweg. Insgeheim hoffte sie, Intef nicht über den Weg laufen zu müssen. Sie brauchte nur noch ein bisschen Zeit, ehe sie ihn ernsthaft konfrontieren konnte. Sie würde sich ganz einfach ein schattiges Plätzchen innerhalb des Palastes – vielleicht sogar in der Säulenhalle – suchen und versuchen, Zeit totzuschlagen.

Gemächlich schlenderte sie den Säulengang entlang. Mittlerweile war es im Palast kühler als draußen in der aufgehenden Mittagshitze. Sie lauschte auf das laute Klackern ihrer Schritte, das über den Steinboden hallte.

Sie musste sich dringend ablenken; vielleicht konnte sie ja einfach ein bisschen Schlaf nachholen oder –

„Nein, haben wir nicht.‟

Wie angewurzelt blieb Kira stehen. Hinter der nächsten Biegung des Ganges waren Stimmen zu hören. Die erste war eindeutig Intefs.

„Gut, und...was ist...habt ihr...‟

Sie erkannte auch Ramoses Stimme, konnte jedoch nicht alles verstehen. Worüber unterhielten die beiden sich mit so unüberhörbarer Ernsthaftigkeit?

„Nein, natürlich nicht!‟ Intefs empörte Stimme hallte durch den Gang.

„In Ordnung,...sichergehen...‟ Ramoses Stimme klang nun, als müsse er ein Lächeln unterdrücken.

Als Kira begriff, dass das Gespräch zu ende war, streifte sie hastig die Sandalen von ihren Füßen und rannte in entgegengesetzter Richtung den Gang entlang. In der Hoffnung, von niemandem bemerkt zu werden, huschte sie die Flure entlang; ihre nackten Füße flogen lautlos über den Steinboden.

Als sie sich weit genug von den beiden entfernt hatte, lehnte sie sich erschöpft an eine der kühlen Wände. Ihr Herz fühlte sich an, als wolle es ihr aus der Brust springen. Seufzend ließ sie sich nieder und zog die Knie an die Brust.

Worüber hatten die beiden gesprochen? Sie spürte, wie die Fragen in ihrem Kopf immer mehr wurden, bis sie das Gefühl hatte, er würde platzen.

Sie dachte an all das, was bis jetzt geschehen war. Wie Ramose ihr nicht helfen konnte, nach Hause zu gelangen, wie es einen dritten unbekannten Zeitreisenden gab, wie sie und Intef sich geküsst hatten und sich damit in eine Was-genau-sind-wir-Zone katapultiert hatten, wie sie das seltsame Gespräch zwischen Ramose und Intef belauscht hatte.

„Ich verstehe überhaupt nicht mehr, was hier eigentlich gerade passiert.‟



Als sie sich einigermaßen wieder beruhigt hatte, machte sie sich auf die Suche nach einem kühlen Plätzchen – oder eher nach einem guten Versteck. Insgeheim hoffte sie, heute weder Intef noch Ramose über den Weg laufen zu müssen. Bei dem Gedanken an die beklemmende Atmosphäre, die zwischen ihnen herrschte, musste sie sich unwillkürlich schütteln.

Langsam schlenderte sie die Flure entlang, bis sie sich schließlich in einem Saal von der Größe einer Aula, dessen Decke durch unzählige verzierte Säulen gestützt wurde, wiederfand.

Gedankenversunken betrachtete sie die vielen unterschiedlichen Hieroglyphen, welche fein säuberlich in den Stein der Säulen geschlagen waren.

Da sich sonst niemand im Saal zu befinden schien, zog sie sich in die Schatten einer Wandnische zurück, von wo aus sie den gesamten Saal überblicken konnte, ohne selbst entdeckt zu werden.

Time Traveler - Durch den heißen WüstensandWhere stories live. Discover now