Letzte Entscheidung (Teil 2)

748 54 24
                                    


 „Jetzt können wir aber reden, oder?‟

Stumm nickte er. Wieder bemerkte Kira, wie er erneut das Notizbuch aus seiner Tasche holte und nachdenklich über die blutverschmierten Ränder strich. Sie deutete aus seinem Schweigen, dass es nun an ihr war, zu sprechen. Insgeheim wusste sie bereits, welchen Weg sie einschlagen wollte, traute sich jedoch nicht, den Gedanken in Worte zu fassen.

„Du hast mitbekommen, was ich Ramose versprochen habe...‟, begann sie schließlich. Er nickte leicht. Kira zögerte für einen Moment, bevor sie fortfuhr. „Du weißt, was das heißt? Dass ich nicht hierbleiben kann?‟ Sie scheute sich davor, ihm ins Gesicht zu sehen und starrte stattdessen auf den Horizont, den die Sonne bereits in ein warmes Orange färbte.

Für einen Moment herrschte Stille. „Ich weiß, dass hier zu bleiben keine Option ist.‟ Zögernd sah Intef ihr ins Gesicht, ohne dass sie es merkte.

Gerade wollte Kira endlich aussprechen, was ihr schon so lange auf der Seele lastete, wollte endlich die harte Konsequenz ihrer Entscheidung in Worte fassen, als ihr Freund ihr zuvor kam.

„Hier zu bleiben ist nicht nur für dich keine Option, sondern für mich auch nicht. Ramose hat mir gesagt, ich soll weiterhin meinen eigenen Weg gehen und dazu gehört nicht, wieder nach Hause zu gehen. Ich will nicht zurück nach Theben zu meinem Vater. Soll ich dir mal ganz ehrlich was verraten? Ich hasse diesen Kerl. Seit meine Mutter nicht mehr lebt, kümmert er sich nur noch einen Dreck um mich und meine Geschwister. Warum sollte ich zu einem Kerl zurück gehen, der mich mit drei kleinen Geschwistern vollkommen alleine gelassen hat, ohne Mutter, die sich kümmert?‟

Überrascht über seinen plötzlichen Gefühlsausbruch wandte sie sich ihm zu. Entsetzt sah sie mit an, wie er in seine Tasche griff und mehrere Stücke Papyrus hervorholte. Kira erkannte sie als die Vollmachten seines Vaters, mit denen er sie aus dem Medjai-Gefängnis in Memphis befreit hatte. Noch bevor sie ihn fragen konnte, was er vorhatte, warf er einen letzten verabscheuenden Blick auf die Schriftstücke, ehe er begann, diese mit raschen Handgriffen in tausende kleine Fetzen zu zerreißen.

„Was tust du denn da?!‟, rief sie entsetzt. Ohne zu antworten, zerkleinerte er den Papyrus und warf ihn schlussendlich über die Felskante, wo er langsam wie kleine Federn Richtung Boden glitt. Schockiert starrte sie Intef an. „Warum hast du sie zerrissen?‟

„Weil mein Vater so oder so nie seine Vollmachten von mir zurück bekommen hätte.‟ In seinen Augen brannte ein Feuer, dass Kira Sorgen bereitete. „Der sieht mich nie wieder‟, fügte er abfällig hinzu.

Obwohl Kira mehrere Wochen mit Intefs Familie zusammen gelebt hatte, begriff sie erst jetzt die Art der Beziehung, die Intef und Ahmose zueinander hatten und die Ausmaße der Kluft, die Ahmoses Verhalten zwischen ihnen aufgerissen hatte. Unwillkürlich stellte sie sich einen kleinen Jungen vor, der seine eigene Trauer nach dem Verlust seiner Mutter herunterschlucken musste, um sich um seine kleineren Geschwister zu kümmern. Sie stellte sich vor, wie Ahmose seinem Sohn die gesamte Verantwortung der Familie auf die Schultern lud, während er selbst sich im Wein verlor.

Stück für Stück verarbeitete ihr Verstand die Bedeutung von Intefs Worten. Er wollte nicht zurück zu seiner Familie, obwohl ihm klar war, dass Kira nicht in Ägypten bleiben würde.

Mit festem Blick sah er ihr in die Augen. „Kira, lass mich mitkommen. Ich will nicht zurückbleiben, wenn du gehst und außerdem hat Ramose mir das hier gegeben‟, er hob das Notizbuch, „und mir gesagt, ich soll meinen eigenen Weg verfolgen. Für mich heißt das, bei dir zu bleiben und Malia zu verfolgen. Ich will sie genauso gern dran kriegen, wie du‟, fügte er leiser hinzu.

Time Traveler - Durch den heißen WüstensandWhere stories live. Discover now