Verschwinden im Rauch

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Entsetzt starrte Kira die dunkle Gestalt vor ihr an. Die giftgrünen Augen zogen sie in ihren Bann wie das grausam schöne Lied einer Sirene. Erst als die Augen von ihr zu Intef wanderten, gelang es Kira, sich von ihnen loszureißen. Mit Schrecken registrierte sie die schwarze Kleidung, die den Körper und das Gesicht der Frau bedeckte, jede Gefühlsregung versteckte, jede noch so kleine Regung wie die Bewegung eines Schattens wirken ließ.

Mit einem Mal blitzte etwas Silbernes vor Kiras Augen auf. Mit einer raschen Bewegung ließ die Frau ein bedrohlich funkelndes Messer in den Falten ihrer dunklen Kleidung verschwinden.

Schlagartig kehrte Kiras Geist in die Gegenwart zurück. Die Attentäterin war zurück, um ihr ursprüngliches Vorhaben in die Tat umzusetzen: Ramose zu töten. Doch seit ihrer letzten Begegnung war Kira um eine Information reicher geworden: Als sie der Attentäterin in ihr vermummtes Gesicht sah, wusste sie, dass es sich um die dritte Zeitreisende handelte. Jemand, der aus einer anderen Zeit war und nicht hierhin gehörte – genau wie sie.

Vorsichtig machte sie einen Schritt auf die Frau zu, welche jedoch mit der Reaktionsgeschwindigkeit eines echten Kriegers zurückwich und in die Falten ihres Gewands griff.

Warnend kniff sie die Augen zusammen, während ihre Hand zwischen den Falten ruhte, bereit jederzeit eine Waffe zu ziehen.

Kira verstand die Drohung, ignorierte sie jedoch. Die Frau vor ihr war zwar eine versuchte Mörderin, mochte deswegen verabscheuungswürdig und schauderhaft von ihrem Charakter sein, war dennoch auch die einzige Person, die die passende Scheibe zur Zeitmaschine hatte und somit den einzigen Schlüssel, um Kira nach Hause zu bringen.

Beschwichtigend hob sie die Arme und erwiderte den stechenden Blick ihres Gegenüber mit einem eigenen starken und entschlossenem.

„Wir wissen, wer du bist‟, sagte Kira.

Keine Reaktion. Der Blick der Frau bohrte sich weiterhin in sie, als wolle er Kira verschlingen.

„Ich bin auch nicht aus dieser Epoche, genau wie du‟, versuchte sie es wieder. „Und du bist die Einzige, die die Zeitmaschine in Gang bringen kann.‟

Gerade wollte sie noch einen vorsichtigen Schritt auf sie zumachen, als sie spürte, wie Intef sie von hinten kräftig am Arm zog. Ohne sich nach ihm umzudrehen, blieb sie wo sie war.

„Ich weiß nicht, was für eine Beziehung du zu Ramose hast, oder warum du versucht hast, ihn umzubringen-‟ Die Attentäterin wich ruckartig ein weiteres Stück zurück. „...aber was immer es ist, dass zwischen euch steht; es lässt sich alles klären. Nimm mich mit zurück in die Zukunft und wir können alles in Ordnung bringen‟, brachte sie ihre Forderung auf den Punkt.

Erwartungsvoll blickte sie in das Gesicht ihres Gegenüber. Durch den schwarzen Stoff war keine Gefühlregung zu erkennen, und auch ihre Augen fixierten sie, ohne zu blinzeln.

Je mehr das entstandene Schweigen sich über den Flur senkte, desto unruhiger wurde Kira. Kalter Schweiß rann ihr den Rücken herunter, Intefs Griff an ihrem Arm schien ihr das Blut abzuklemmen.

Weitere Sekunden vergingen. Gerade bildete sich Kira ein, die Frau vor ihr wäre doch kein echter Mensch, sondern eine angsteinflößende Götzenstatue, auf die sie versuchte, einzureden, als plötzlich Leben in diese kam. Zu schnell, als dass Kiras Augen hätten folgen können, machte die Attentäterin plötzlich einen Satz vorwärts. In der nächsten Sekunde ging alles plötzlich ganz schnell. Noch bevor Kira Luft holen konnte, stürzte der grünäugige Panther vorwärts. Sie spürte, wie Intefs Griff um ihren Arm verschwand und stolperte rückwärts.

In nächstem Moment blitzte etwas Goldenes vor ihren Augen auf, blendete sie für einen Moment. Es flog wie ein Falke zischend durch die Luft und ließ seinen Gegenüber einen Sprung zurück machen.

Als sie verstand, was vor sich ging, fand sie plötzlich Intef nicht mehr hinter sich, sondern vor sich wieder. Blitzartig schwang er etwas durch die Luft, was aussah wie ein glänzender Säbel.

Immer noch vollkommen überrumpelt sah sie mit an, wie Intef den Säbel hob und ihn mit einem einzigen kräftigen Schwung in die Schulter seines Gegenübers trieb. Rote Flecken breiteten sich auf der schwarzen Kleidung der Attentäterin aus, doch diese zuckte nicht einmal mit der Wimper. Ihr starrer Blick durchbohrte Intef, fest wie ein Felsen in der Brandung. Unterdessen zog Intef den Säbel aus ihrem Fleisch. Ein widerwärtiges Geräusch war zu hören, während große Blutspritzer auf den hellen Steinboden klatschten und ihn verunstalteten.

Als würde der Blutverlust ihr noch weniger ausmachen, als die klaffende Wunde in ihrer Schulter, rührte sie sich kein bisschen vom Fleck.

Alles war Kira von hinten sehen konnte, waren Intefs wilde schwarze Locken, doch sie konnte sich lebhaft vorstellen, wie auch er seinen Blick in die Frau bohrte, sich ein stilles Duell mit ihr liefernd.

Kira spürte, wie ihr Herz raste, während sie die beiden Kontrahenten vor sich beobachtete. Außerstande, sich vorzustellen, was als nächstes passieren würde, blickte sie mit wachsender Angst von einem zum anderen. Keiner schien den Anschein zu machen, sich zu rühren.

Im nächsten Moment griff die Attentäterin ruckartig in die Falten ihrer Kleidung. Noch bevor sich ein wirkliches Déjà-vu-Gefühl in Kira breitmachen konnte, schleuderte die Frau auch schon ein rundes Säckchen auf den blutbespritzten Boden. Milchiger Nebel stieg in die Höhe und verschleierte innerhalb von Sekunden Kiras Blickfeld. Ihre Augen begannen zu tränen und ließen die gesamte Szenerie zu einer gräulich verschwommenen Flut werden.

Als auch Intef immer mehr in den Nebelschwaden verschwand, bis sie ihn kein bisschen mehr sehen konnte, griff sie in einem Aufwallen der Verzweiflung in die Luft und bekam nach einigem Tasten weichen Leinenstoff zwischen den Fingern zu spüren. Erleichtert zog sie ihren Freund zu sich heran. Ein lautes Klappern war zu hören, als neben ihnen etwas auf den Steinboden fiel. Intef drehte sich im dichten Nebel zu ihr um und griff nach ihr. Während ihrer Umarmung spürte sie, wie er am ganzen Körper zitterte. Arm in Arm standen beide im grauen Nichts, bis der Nebel sich schlussendlich legte und als staubartiges Pulver auf dem Boden in sich zusammen fiel.

Kiras grausige Vermutung wurde bestätigt, als sie über Intefs Schulter auf den Gang starrte: Die Attentäterin war verschwunden.

Erneut war sie ihnen durch die Finger geglitten, mit demselben billigen Trick wie zuvor.

Time Traveler - Durch den heißen WüstensandOpowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz