Erwachen #6

1.4K 54 9
                                    

Rans Sicht

Zwei Tage ist es schon her, seit Conan wie vom Erdboden verschluckt wurde. Als ich den Professor anrief, um mich zu versichern, dass er sich auch ganz sicher nicht bei ihm befand, erzählte er mir nach einer kurzen Stille im Hörer, dass er bereits nach Hause gefahren sei.
"Es war sehr dringend. Nimm es ihm bitte nicht übel, er hatte keine andere Wahl", waren seine Worte. 

Ich musste wirklich meine aufkommende Wut runterschlucken, um sie nicht am teilnahmslosen Professor auszulassen. Doch noch mehr musste ich meine Trauer und Enttäuschung in mich hinein verbannen. Conan ist mir in der Zeit, in der er bei uns lebte stark ans Herz gewachsen. Er kommt mir mittlerweile wie ein kleiner Bruder vor.

Es ist nur schade, dass wir uns nicht verabschieden konnten. Mit ihm wurde es nie langweilig. 

Ich musste mich bemühen meine Tränen zurückzuhalten und klatschte mir schnell mit meinen Handflächen gegen meine beiden Wangen. 

Jetzt war kein guter Moment, um zu trauern. Kid hatte für heute einen weiteren Coup geplant. Einer der einzigen Gründe, weshalb Paps tatsächlich in das Museum wollte und sich momentan so sehr freute, war das gratis Essen, das uns dort erwarten wird.

Ich trat gerade aus der Tür. Die aufgeregte Stimme meines Vaters war unüberhörbar. 
„Mausebein nicht trödeln! Wir müssen los!"
„Ich komme ja schon!"
Mit einem letzten Seufzer, der all meine Trauer und Enttäuschung mit sich nahm, stieg ich in das Auto.

-

„Aua!"
Inspektor Nakamori kniff uns ein erneutes Mal in die Wange.
„Haltet nach ihm Ausschau. Ich verzeihe ihm immer noch nicht die Sache vom letzten Mal", sagte der Polizist Zähne knirschend. 

Ich war zwar nicht die Person, welche betroffen war, doch auch mir ging Kid gewaltig auf den Wecker. 

Dieser notgeile Aufmerksamskeitsfanatiker. Hatte er denn nichts Besseres zu tun? Er könnte sein Können in Zaubershows zeigen. Aber nein! Natürlich musste er stehlen und um die Geschichte auch noch komplett zu machen, gab er sein Diebesgut wieder ab. Dieses merkwürdige Verhalten war mir beinahe so unerklärlich wie der Aufenthaltsort Shinichis.

„Noch eine Minute!", ertönte es aus einem Megafon eines Polizisten. 

Mein Blick schweifte durch die Menschenmasse. Es schien alles normal zu sein. Leute sahen gebannt um sich, murmelten aufgeregt und waren mehr als nur bereit den Dieben zu schnappen. In ihren Hinterköpfen befand sich stets der Gedanke an die Belohnung, die sie bekommen würden, wenn sie ihn erst hatten.

Und dennoch kam mir dieser Friede trügerisch vor. Das, was mich so denken ließ, waren zwei Polizisten nicht weit weg von mir. Man hätte schwören können sie seien Zwillinge, so ähnlich sahen sie sich.

Auf einmal drehte einer der Polizisten seinen Kopf in meine Richtung. Einen Augenblick lang schien er überrascht, dieser Ausdruck verschwand jedoch so schnell wie eine Daune eines Kükens die ins Feuer geworfen wurde. Es sah aus, als hätte er einen Gefühlseintopf gegessen. Trauer, Angst, Schuld und Freude erschienen abwechselnd auf seinem Gesicht.

"Was zum... HEY!" 
Ich versuchte mich durch die Masse zu drängen. Da war eindeutig etwas faul mit diesen Beamten. 
"Lassen sie mich bitte durch", kam es angestrengt aus meiner Kehle, doch keiner bemühte sich auch nur einen Schritt zur Seite zu treten.  

Dann kam eine Ansage eines Polizisten und ich gab die Hoffnung die Zwei zu treffen auf:
„Noch fünf Sekunden,
Vier,
Drei,
Zwei,
Eins,"

Die Lichter gingen aus. Trotz der Dunkelheit konnte ich etwas erkennen. Ohne lange Grübeln sah ich zu ihnen. Und siehe da, sie befanden sich nicht mehr an ihren Plätzen. 

„Also wirklich Inspektor. Sie werden von Mal zu Mal lausiger!"
Das Licht ging wieder an. Vor uns stand er. Sein Pokerface so unberechenbar wie eh und je. Wäre es nicht Kaito Kid der vor mir stand, würde ich sogar sagen, dass er ziemlich gutaussehend war.

Etwas silbrig Glitzerndes erhaschte meine Aufmerksamkeit. Es war ein Schlüssel welcher Kids Hals schmückte. Jener von Nakamori, welcher bis vor wenigen Momenten noch in seinem Besitz war. Die Vitrine unter ihm wurde von einem weißen Laken verdeckt.

„Sie sollten mal wirklich die Personen wechseln", spottete das Phantom grinsend. Der Angesprochene schnaufte bloß vergnügt.
„Vielleicht habe ich das ja?"
Kids Blick blieb unverändert. Wenn ich mich nicht irrte, dann wurde sein Pokerface noch ein Stück selbstsicherer. Das konnte nur schlechtes bedeuten.

„Keine Sorge. Ihre Tochter schlummert friedlich auf der Toilette. Sie werden keinen Schlüssel mehr um ihren, wohl bemerkt, wunderschönen Hals finden."
Der Mondscheinmagier hob das weiße Tuch von der Vitrine. Sie war leergeräumt. Nichts befand sich in ihr.

Nakamori war baff. Wieder einmal. Bevor er auch nur den Hauch einer Chance hatte einen weiteren Befehl von sich zu geben, verbeugte sich der Dieb rasch und zündete eine Granate. Gas strömte aus ihr heraus. Ich hielt mir den Kragen meines Strickpullovers gegen meine Atemöffnungen. Alle Leute um mich herum fielen stückweise um. Sicherlich werden heute alle träumen, dass sie Kaito Kid mit eigenen Händen gefangen hatten. 

Du und ich, gegen den Rest der Welt { Kaishin / Shinkai } *in Überarbeitung*Where stories live. Discover now