Virtuelle Realität

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Virtuelle Realität

Ein Meer von Blumen tat sich vor ihr auf. Die unterschiedlichsten Farben wehten in einer sanften Brise hin und her- Vögel zwitscherten in der Ferne und verkündeten den bevor stehenden Sommer. Vereinzelt waren Bienen und Schmetterlinge zu sehen, die im diesen Blumenmeer nach Nektar suchten.
Doch statt diesen wunderschönen Anblick zu genießen, betrachtete sie jede Blume und jeden Grashalm argwöhnisch. An diesen Pflanzen war nichts schön. Die Farben waren viel zu grell, sie hatten die falsche Größe, ihr Duft war nicht in der Luft zu riechen und sie sahen allesamt überhaupt nicht echt aus.
Sie hatte keine Ahnung, was die Leute alle so toll an dieser Virtuellen Realität fanden. Was brauchte man eine Welt voller Pixel und versteckter Zahlen, wenn man eine einzigartige Wirklichkeit hatte? Zudem sah sie auch nicht, was an dieser ganzen Sache so schön sein sollte. Echte Blumen waren viel schöner als dieser Haufen an kleinen bunten Würfeln, echte Bienen summten viel lauter als ihre unechten Kopien und der Wind war wenigstens auf der Haut zu spüren.
Warum also baute man so etwas dann? Um Herr seiner eigenen Welt zu sein, um sich zu fühlen wie ein Gott? Oder damit man sich einreden konnte, dass die schlechte Welt dort draußen eine Lüge war und nur die eigene erschaffene Welt die wahre Wirklichkeit war?
Sie wollte und konnte einfach nicht verstehen. Wie kann man sich nur so belügen und betrügen? Die Welt dort draußen war nicht immer die Beste, dass verstand sie sehr gut. Aber vor ihr davon laufen, nur weil hin und wieder etwas Schlechtes geschieht war wirklich mehr als nur feige.
Das Leben war nun einmal nicht immer froher Sonnenschein. Nicht immer kann man glücklich sein, so war nun einmal der Lauf der Dinge. Ohne Schlechtes gibt es auch nichts Gutes. So etwas schienen diese Leute jedoch vollkommen vergessen zu haben.
„Alles verdammten Idioten!"
Voller Wut packte sie eine der Pflanzen am Stiehl und riss sie mit samt der Wurzel aus.
Zu ihrem eigenen Erstaunen musste sie zugeben, dass sich die Blume unglaublich echt in ihrer Hand anfühlte. Auch wie der Erde, die noch immer vereinzelt an der Wurzel hing, zu Boden rieselte sah vollkommen Real aus. Ebenso wie der kleine Käfer, der noch nichts ahnend am Stiehl hinauf kletterte.
Nein, dies alles war keine Realität, dass musste sie sich einbilden. Sie war nicht wie diese Leute, die nicht zwischen Wahrheit und Lüge unterscheiden konnten. Ihre Augen und ihr Verstand waren noch vollkommen klar und ohne jeden Makel. Genau, ihren Kopf konnte dieser Lug und Trug nicht austricksen. Sie war klüger als dieser Haufen aus Pixeln und Zahlen.
Ja, ganz bestimmt.

Scherben im LichtWhere stories live. Discover now