Weltuntergangsuhr

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Mein Blick war auf die Uhr, an der Wand, gerichtet. Jede Bewegung des Sekundenzeigers wurde von mir wahrgenommen. Das leise Ticken der Uhr war wie Hoffnung und Ende in einem. Natürlich hoffte ich auf ersteres.
Der Unterricht war dröge. Langweilige Mathematik, die sowieso Niemand verstand. Manche meiner Klassenkameraden versuchten dem Stoff zu folgen, aber eigentlich warteten auch sie, genauso wie ich, auf das erlösende Schlagen der Schuluhr, die unser aller Freiheit verkünden würde.
Doch der Unterricht war nur der zweite Grund für mein gebanntes Starren auf die Uhr. Der wichtigste Grund war viel größer und bescherte mir neben feuchten Händen und nervösem hin und her rutschen auch noch verdammte Magenschmerzen.
Ich muss zugeben, dass ich an all dem natürlich selbst Schuld war. Immerhin war es nicht nur meine dumme Idee gewesen und ich hatte sie auch noch in die Tat umgesetzt. Aber das alles war viel zu verlockend gewesen, als dass ich da hätte widerstehen können. Wann hatte man schon einmal die Möglichkeit, dass Auto des Direktors mit Geschenkpapier und Panzertape zu verpacken?
Das Problem an der ganzen Sache war, dass es leider sehr offensichtlich war, wer das gemacht hatte. Es gab zwar nicht wenige Unruhestifter in der Schule, und ich war noch der harmloseste von ihnen, aber leider war ich der Einzige mit solch unglaublich kreativen Ideen.
Doch was hatte ich tun sollen? Die Sache war wirklich einfach viel zu verlockend gewesen.
Von daher saß ich nun an meinem Platz, starrte auf die Uhr und hoffte, dass mein kleiner Streich erst nach dem Unterricht entdeckt werden würde. So konnte ich wenigstens dem Ärger für ein paar Stunden entgehen und auch die Strafpredigt etwas aufschieben. Beides Dinge, die ich nicht gerne haben wollte.
Tick Tack.
Der Zeiger der Uhr rückten langsam vor. Immer in Richtung der Uhrzeit, die mich vor meiner Strafe retten würde. Nur noch Minuten trennten mich vor einer erfolgreichen Flucht. Es war nicht mehr lang.
Tick Tack.
Alles schien sich in Zeitlupe zu bewegen. Der Lehrer an der Tafel, der Stift in der Hand meines Sitznachbarn, die Zeiger der Uhr. Es war wie eine lange andauernde Folter, die einfach nicht enden wollte.
Tick Tack.
Plötzlich läutete die Glocke, zum Zeichen, dass der Unterricht endlich beendet war.
Oh süße Freiheit!
Noch nie in meinem Leben hatte ich meine Sachen so schnell in meinen Rucksack gestopft. Das dabei Hefte und Bücher verknickten war mir egal. Hauptsache endlich raus und nach Hause. Nichts konnte mich aufhalten.
Mit großen Schritten spurtete ich zur Klassentür und riss sie auf, nur um von dem böse lächelnden Gesicht des Direktors begrüßt zu werden.
Diese verdammte Uhr an der Wand hatte mir nicht meine Rettung sondern meinen Untergang angezeigt!

Scherben im LichtWhere stories live. Discover now