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Changbin war von Angst gezeichnet. Felix spürte, dass er nicht hier sein wollte. Dass er nicht die Gesichter seiner Eltern sehen wollte. Er spürte, dass Changbin seine Hand drückte, während sie beide darauf warteten, dass jemand die Tür aufmachte. „Niemand ist da. Können wir jetzt gehen? Bitte, Felix". Sein Stimme wirkte gehetzt und triefte von Panik. So hatte er ihn noch nie gesehen. Sonst war Changbin immer so taff und selbstbewusst. Hier verlor er alles, lies nur Angst und Panik übrig. Felix strich über seine Hand und schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln, welches er nicht erwiderte. Denn er blickte zu Boden. Dann ein Geräusch an der Tür. Langsam wurde sie aufgemacht und eine zerbrechliche Frau mit rotverqoullenen Augen stand vor den beiden. Als sie Changbin sah, riss sie ihre Augen auf. „Changbin?" Erst jetzt richtete sich sein Blick auf seine Mutter. „Hey Eomma...". Noch bevor Changbin was machen konnte, zog sie ihn in eine Umarmung und weinte wieder. „Wo warst du nur?", fragte sie unter Tränen. „Weg", antwortete Changbin emotionslos. Changbins Mutter lies ihn immer noch nicht los, sondern umarmte ihn weiterhin, als ob sie Angst hatte, ihn wieder zu verlieren. „Oh, Changbin. Bitte mach das nie wieder.Bitte", flehte sie ihn an. Langsam legte ihr Sohn die Hände um sie. Da war doch eine Regung von ihm. Und noch eine. Seine dunklen Augen füllten sich langsam mit Tränen, die er aber zurück hielt. Er wird hier vor niemanden weinen.

Nach gefühlten fünf Minuten lies sie ihn los. Ihre Wangen schimmerten von Tränen. Changbin wischte sich über das Gesicht. Seine Mutter bemerkte erst jetzt Felix. „Hast du ihn gefunden?". Felix nickte. Sofort stürzte sie sich auf den Australier und nahm ihn auch in den Arm. „Danke, dass du Changbin gefunden hast. Danke. Ich kann dir nicht dafür danken. Danke. Kann ich was für dich tun?" Auf ihrem Gesicht bildete sich seit einem Jahr wieder ein Lächeln. Ihr geliebter Sohn war wieder da. „Nein, danke." Sie lies ihn wieder los und umarmte nochmal Changbin, konnte nicht glauben, dass er wieder da an. „Hey Schatz, Changbin ist wieder da", rief sie ins Haus und machte die Tür zu. Changbin und Felix konnten Schritte hören und wenig später sah Changbin seinen Vater wieder. Dieser starrte fassungslos auf seinen Sohn, als wäre er nur eine Erscheinung. „Changbin...",stammelte er, ehe er seinen Sohn in eine Umarmung zog. „Junge...wo warst du nur?", fragte er. Auch er fing an zu weinen. „Eine lange Geschichte...". „Dafür haben wir Zeit. Wir haben uns solche Sorgen um dich gemacht. Deine Mutter hat immer dran geglaubt, dass du noch lebst." Changbins Blick wurde dunkler. „Und du?" „Ich bin jeden Tag zur Polizei gegangen. Großfahndung. Aber niemand hat dich gefunden. Irgendwann hab ich die Hoffnung aufgegeben." „Dieser Junge hat ihn gefunden", sagte Changbins Mutter und deutete auf Felix.

Changbins Vater nahm Felix Hände in seine. „Oh danke. Danke, dass du ihn wieder nach Hause gebracht hast." Felix schenkte den beiden ein Lächeln. „Hab ich gern gemacht. Changbin, kommst du klar?" Felix wollte ihn jetzt alleine lassen, damit er genügend Zeit hatte, sich wieder an seine Eltern zu gewöhnen kann. Er selber hatte nur kurz seinen Eltern Bescheid gesagt, dass er kurzweg war. Changbin drückte sich an Felix und umfasste seine Hand. „Ich weiß nicht...."Seine Mutter schien zu merken, dass Changbin in Felix einen Freund gefunden hatte. „Wie wäre es wenn du zum Essen bleibst? Ich mache Changbins Lieblingsessen." Für einen Bruchteil leuchtete Changbins Augen, als er hörte, dass seine Mutter sein Lieblingsessen machen wird.

„Wenn Felix will", sagte er leise.„Gerne". „Felix? Pass gut auf Changbin auf, ja?". Felix nickte. „Das werde ich machen". „Darf ich in mein Zimmer?", fragte Changbin schüchtern. Immer noch stand ein fremder Changbin neben Felix und der Australier fragte sich langsam, ob Changbin früher so gewesen war. Ob das hier der alte Changbin war. Er hatte nichts mehr mit dem Changbin gemeinsam, den er kennen gelernt hatte. Dieser hier war irgendwie mehr ängstlicher, schien aber seine Eltern zu lieben, anstatt auf sie herab zu schauen, wie er es mit ihm selbst gemacht hatte. Wenn Changbin so früher war, dann hoffte Felix, dass er noch mehr Momente von diesem Changbin mitbekam.

Nachdem seine Mutter ihn angelächelt hatte und ein „Sicher doch", aussprach, zog Changbin Felix in sein Zimmer. Als er dort ankam, schaute er sich erst mal um. Es sah so anders aus, wenn Tageslicht durch sein Fenster schien. Sonst kannte er es nur nachts. Jetzt aber konnte er alles genauer sehen, was er nur flüchtig in Erinnerung hatte. Sein Bett mit der hellen Bettdecke. Den Schreibtisch, auf den nichts anderes lag, als ein paar alte Blöcke, in den er früher seine Lieder rein geschrieben hatte. Der weiße Schrank in der Ecke. Er strich über dessen Holz, schaute sich weiter um, als wäre er nur ein Gast in diesem Zimmer. Trotz dass er jeden Monat einmal hier gewesen war, fühlte es sich an würde er jahrelang nicht mehr hier gewesen war. „Schönes Zimmer", sagte Felix. Felix. Den hatte Changbin fast vergessen. So sehr war er mit seinem Zimmer beschäftigt. „Danke...". Das Fenster war sein letztes Ziel. Er schaute nach draußen und konnte seine alte Nachbarschaft erkennen. Er sah ein paar kleine Kinder auf den Gehweg spielen. Fast schon konnte er ihren freudigen Stimmen hören. Felix hatte zwar Changbin im Visier, blieb aber wo er war. Am anderen Ende des Zimmers. Er wusste, dass Changbin Zeit brauchte. Viel Zeit.

Changbin atmete tief ein und wandte sich vom Fenster ab. „Freust du dich, dass du mich wieder zurück gebracht hast?, fragte er ihn monoton. Changbins Kälte überraschte Felix. Er musste sich doch freuen, wieder Zuhause zu sein. Die Eltern wieder bei sich zu haben. Einfach wieder hier zu sein. Und was machte Changbin? Fragte Felix, ob er sich darüber freute. Es sah so aus, als wäre der schwarzhaarige Junge sauer darüber sein. „Ich hab dir gesagt, dass ich nicht nach Hause will. Wieso hast du nicht auf mich gehört? Wieso hast du das gemacht? Sag's mir, Lee Felix". Da war er wieder. Der taffe, selbstbewusste Junge, den Felix in Erinnerung hatte. „Ich dachte, du wolltest es insgeheim. Komm schon, Binnie. Deine Eltern haben dich vermisst. Du kannst das ihnen doch nicht antun." Changbin zuckte mit der Schulter. „Das hat doch ganz gut geklappt." Er setzte sich auf seinen Schreibtisch hin, drehte sich zu Felix um. „Und das würde auch in Zukunft klappen können. Wieso hast du das kaputtgemacht?" Verzweiflung stieg in Changbin hoch. Er stützte seine Hände an seiner schwarzen Jeans ab. „Es....hat doch so gut geklappt... jetzt ist alles vorbei...sie werden bald herausfinden, was ich gemacht hab. Verstehst du, Felix? Sie werden es herausfinden, dass ich jemand umgebracht hab". Er vergrub das Gesicht in den Händen. „Und dann werden sie glücklich sein, dass ich so lange weg war". Changbin spürte eine Hand auf seinen Händen. Felix. „Irgendwann kommt alles ans Licht und glaub mir, vielleicht geht es dir danach besser. Keine Sorge, ich bleib an deiner Seite, auch wenn jeder andere auf dich herabschaut." Felix zog Changbins Hände weg, ging in die Hocke, und legte seine Hände auf Changbins Schenkel ab. „Ich lasse dich nicht alleine". Changbin senkte seinen Kopf. „Und das wird dein Fehler sein".

Coinflip (Changlix FF)Where stories live. Discover now