32. Sexy Santa

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Danke grendelin für den Text

Die Schneeflocken wirbelten durcheinander und im Licht der Leuchtreklamen und
Straßenlaternen sah es aus, als würden sie einen regelrechten Tanz veranstalten. Der kalte Wind
blies unaufhörlich, und wer an diesem Abend nicht längst zuhause oder auf einer der unzähligen
Weihnachtspartys in der Londoner Innenstadt war, der flüchtete sich so schnell es ging in einen
der hell erleuchteten Pubs, die um diese Jahreszeit nicht weniger voller Lichterketten und
Weihnachtskitsch hingen, als die großen Kaufhäuser der Oxford Street. Connor hatte echt genug
davon. Er hatte sich vor dem Schneesturm draußen ins Salisbury Pub gerettet und versuchte sich
darüber klar zu werden, was da vorhin auf der Party passiert war, während er seinen Cider trank.
Der ging auf's Haus, hatte die Barkeeperin mit einem Lächeln und einem Augenzwinkern gesagt
und auf sein Weihnachtsmann-Outfit gedeutet. Connor lächelte etwas müde, aber nett zurück.
Seit Wochen schien gefühlt jeder Mensch, den er kannte oder traf, nur noch im
Weihnachtstaumel zu sein. Alle planten ihre Einkäufe, überlegten, was sie auf der diesjährigen
Feier im Büro tragen würden, ob sie einen Christmas- Jumper bräuchten oder ob die unsexy
wären und, und, und...
Wahrscheinlich hatte die Tatsache, dass er sich aus diesen ganzen Planungen heraushielt, ihm die
Hauptrolle des Abends eingebracht: Santa Claus. Erst gefiel ihm die Idee kein bisschen,
eigentlich noch weniger als das, denn an den Weihnachtsfeiertagen im letzten Jahr war seine
Beziehung mit Daniel aus der PR-Abteilung in die Brüche gegangen. Nicht wegen Weihnachten,
an Weihnachten. Wegen? Was eigentlich? Daniel hatte es so formuliert, als wäre Connor spießig,
eifersüchtig und eingebildet. Dabei war er es einfach nur satt, dass Daniel ständig „was
nebenher" laufen hatte und nicht mal ehrlich und verantwortungsvoll genug war, um auf Safer
Sex zu achten. Wichser! Er war noch nicht betrunken genug, um nicht weiter darüber
nachzudenken oder sich nicht zu ärgern. Er bestellte einen Whiskey. Okay, wo war er vor dem
Whiskey stehen geblieben? Wichser Daniel und das sexy Santa- Outfit. Na, jedenfalls sah er
diese Idee mit sich als Weihnachtsmann als Herausforderung. Er würde nicht in einem schlecht
geschneiderten Polyester- Mantel, von dem der halbe Fellkragen abfiel, bevor die Party zu Ende
war oder mit alberner Bommelmütze dort auftauchen. Was ihn dazu veranlasste, das Ganze völlig
neu zu interpretieren. Daher die weiße Freddy-Mercury- Style Hose mit den roten Seitenstreifen
und dazu die eng sitzende, rote Biker- Lederjacke. Sein Haar hatte er mit weißer Haarkreide und
Gel gestylt. Alles zusammen war jedenfalls der Hingucker gewesen und zunächst war es auch
echt lustig. Seine Kollegen und Kolleginnen aus dem Büro fanden es cool, dass er sich nicht in so
ein altmodisches Kostüm geworfen hatte. Zu dumm nur, dass die Sache dann aus dem Ruder lief.
Wenn er es in irgendeiner Weise geahnt hätte, dass sein Boss auf ihn abfahren könnte, ganz
ehrlich, dann hätte er den Scheiß gelassen. Der Mann hatte Frau und Kinder und es gab nie
irgendwelche Anzeichen für sein Interesse.
Zunächst war es noch irgendwie berauschend. Sie hatten natürlich getrunken und die Musik war
laut und Connor war ein richtig guter Tänzer. Sein Boss auch, wie sich herausstellte. Es machte
Spaß, ja, verdammt, er war auf einer Party und er wollte Spaß haben. Aber dann doch nicht so!

Connor wurde schwindelig, wahrscheinlich hatte er zu viel getrunken, und er wollte an die
frische Luft, also ließ er seinen Boss stehen und suchte sich einen Weg durch die anderen Tänzer,
bis zum Balkon. Die Tür ließ sich nicht öffnen, also war er schon halb auf dem Rückweg, als sein
Boss zu ihm kam, um ihm vorzuschlagen, in seinem Büro auf den Balkon zu gehen. Wäre
Connor nüchterner gewesen, wäre es nicht sein Boss gewesen, hätte er das sofort durchschaut. So
nicht. Als sie die Tür zum Büro erreichten, wurde er unsanft hinein geschoben und die Tür
knallte hinter ihnen zu. Connor tastete nach dem Lichtschalter, aber die Hand seines Bosses zog
Connors Hand da weg. „Lass doch, das brauchen wir nicht", hörte er den Mann sagen, da
schellten seine Alarmglocken endlich los. Im nächsten Moment drängte sich der Typ von hinten
an ihn und drückte ihn mit dem Gesicht zur Wand. „Hey, lass das", brachte Connor
zusammenhängend hinaus. Was? Wie?
„Na, komm schon, lass die Party krachen", schnaufte der Mann an seinem Ohr. Connor drehte
den Kopf angewidert zur Seite. Nein, er wollte es ganz und gar nicht krachen lassen. Er
versuchte, sich von der Wand abzudrücken, den Typen abzuschütteln, aber der schien mehr Halt
und mehr Gewicht zu haben und drückte ihn noch immer viel zu fest an die Wand. Der Moment,
als er spürte, wie der Typ sich hinter ihm an seinem Hosenstall zu schaffen machte, war es, der
Connor dann die notwendige Panik und Kraft gab, um sich erfolgreich zu wehren. Er trat ihm erst
kräftig auf den Fuß, dann packte er seinen Kopf vorn am Haarschopf und zog, so fest er konnte.
Sein Boss schrie überrascht auf, ließ von seiner Umklammerung ab, um seine Hände an die von
Connor zu bringen, da konnte der sich loswinden, den Typen mit einem weiteren Tritt von sich
wegstoßen und die Tür öffnen, um hinaus zu gelangen. Verfluchter Mist! Connor beruhigte sich
erst wieder halbwegs, als er draußen im Schneetreiben auf der St. Martin's Lane, unweit von
Trafalgar Square, vom Laufen ins Gehen zurückschaltete. Noch immer verstört, erschrocken,
aber klarer als zuvor auf der Party.
„Noch ein Whiskey, Süßer?", wollte die Barkeeperin wissen, „Fahren mit dem Schlitten kannst
du sowieso nicht mehr."
Connor lächelte und lehnte ab. „Danke dir, aber ich denke, es reicht. Wo gibt's hier ein Taxi?"
„Unten an Charing Cross."
„Danke."
„Keine Ursache. Merry Christmas."
„Merry Christmas."
Er bezahlte, machte seine rote Lederjacke fest zu und ging hinaus. Auf dem Weg zum Bahnhof
Charing Cross würde er noch an ein oder zwei Gay Bars vorbeikommen. Keine Ahnung, warum
ihm das in den Sinn kam, aber irgendwie stand ihm nicht der Sinn danach, mit dem Gefühl, er
wäre beinahe von seinem Boss zum Sex gezwungen worden, nachhause zu fahren. Er war doch
ganz sicher nicht der einzige junge Mann in London, der enttäuscht und verlassen durch die
verschneite Londoner Nacht vor dem Weihnachtsmorgen taumelte. In dem Santa-Outfit hätte er
sicher gute Chancen auf einen One-Night-Stand, wenn ihm ein Typ gefiel. Er nahm die
Abkürzung an St. Martin-in-the-Fields und dem Oscar Wilde Denkmal vorbei und konnte bereits
die grell beleuchtete Tür eines Clubs sehen, als sich sein Blick an etwas anderem fing. Da hockte
ein Typ auf einer Bank vor dem Bahnhof. War der etwa bei diesem Schneetreiben und diesen
Temperaturen eingeschlafen? Taxis fuhren jedenfalls an der Bank vorbei und der Typ regte sich
nicht. Connor ging zu ihm und rüttelte ihn an der Schulter. Sein blonder Kopf war nach vorn auf
die Brust gesackt. Er schlief. „Hey du, bist du okay?"
Der Typ hob den Kopf. „Was ist?", Connor blinzelte etwas überrascht. Der Typ war jung, gutaussehend, sehr sogar und auch nicht
wenig betrunken. Bestimmt war der aus einer der Gay Bars gekommen und hatte es nur bis zu der
Bank geschafft. Wer ließ denn so einen Jungen einfach betrunken in die Kälte hinaus? Hilflos,
ergänzte er in Gedanken. Okay, da musste er etwas tun. „Hör mal, weißt du wo du bist, wo du hin willst?"
„Tsss, ich bin hier mit dem Weihnachtsmann..."
Alles klar. Die Verkleidung war offenbar wirklich gut. „Okay, ich mein's ernst. Du kannst nicht
hier draußen bleiben. Ich schau jetzt in deine Taschen."
Connor schaute in den Jacken- und Hosentaschen nach einem Hinweis, wer er war oder wohin er
gehörte. Da war nur ein bisschen Kleingeld, zwei verpackte Kondome als ein weiterer Hinweis
auf die Gay Bar Theorie und ein Bierdeckel mit einer verwischten Telefonnummer. Na super.
Wenn er ein Portemonnaie mit Ausweis gehabt hatte, dann war es verloren oder gestohlen.
„Okay, Süßer, so geht das nicht. Du brauchst Hilfe und kommst mit zu mir. Ich hab ne Couch."
„Hast du auch n Schlitten?"
„Du bist ganz schön frech."
„Tsss."

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