34. Text von @MandoTurtle

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Chris strich sich die hellbraunen Haare aus den Augen, als er sein Spiegelbild erblickte. Seine grünen Augen waren leicht rot angeschwollen und verweint. Nässe verdeckte seine beiden Wangen und Trauer zierte sein Gesicht.

Nun ist er schon siebzehn Jahre alt, und noch immer hörte seine Mutter nicht damit auf, ihm die Frage zu stellen, die ihm jedes Mal aufs neue Angst machte:

-,,Hast du schon eine Freundin?"

Eine einfache Frage, die aus nur fünf Buchstaben bestand, und dennoch für Schweißausbrüche und rasendes Herzklopfen bei Christian sorgte.

Nein, er hatte keine Freundin. Und er wollte keine. Stattdessen war sein größter Wunsch, eines Tages die Hand von dem ein Meter und sechzig großen Jungen, welcher sein Sitznachbar und bester Freund war, zu halten. Tobias war sein Name, doch wegen seiner Größe nennen seine Freunde ihn Toby, um seine ,,Niedlichkeit" als Kleinwüchsiger zu unterstrichen, was viele bei Leuten wie ihm machten. Also bei kleinen Leuten.

In der Nacht hatte Chris immer wieder Heulkrämpfe. Während er sich tagsüber doch so offen und freundlich verhielt, schwirrten Abends die Gedanken durch seinen Kopf. Immer wieder erinnerte er sich an die Dinge, die er überhaupt nicht braucht. Er erinnerte sich daran, dass eine Beziehung mit Toby nie klappen würde. Dass er ihn nie lieben würde. Dass seine Mutter ihn hassen würde.

Auf Selbstverletzung verzichtete der Jugendliche komplett. Naja...fast.

Er rannte oft absichtlich gegen Kanten oder täuschte Tollpatschigkeit vor, nur, um Schmerzen zu spüren, die die Aufgabe hatten, seinen seelischen Schmerz zu überdecken. Oft klappte es und keiner dachte, dass jemand wie Chris - ein offener, freundlicher und hilfsbereiter Junge - so etwas tun würde. Keiner hinterfragte jemals die blauen Flecken auf seiner Haut. Und wenn, dann wurde es nur ein sehr kurzer Dialog, in dem Chris erzählte, dass er sehr tollpatschig sei.

Der Jugendliche spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht. Schon wieder kamen die ganzen Gedanken hoch und schon wieder wollten sie nicht verschwinden. Selbst, als er sich wieder in sein Bett legte, hörte es nicht auf. Doch es war nichts Neues. Es war ein Moment, den er fast jede Nacht erlebte...

Als er am nächsten Tag aufwachte, putzte Chris sich die Zähne, wusch sich, machte sich schnell die Haare und zog sich einen grünen Hoodie an. Schnell rannte er die Treppen runter zur Küche, wo sein Frühstück schon am Tisch lag. Seine Mutter ging früh zur Arbeit, also musste Chris selbst am Morgen aufwachen und zur Schule gehen. Doch es störte ihn nicht.

Als er seine Spiegeleier zu Ende aß, packte der Judendliche seine Sachen zusammen und verließ das Haus, nachdem er sicher gestellt hatte, dass alle Lichter ausgeschaltet und alle Fenster geschlossen waren.

Er bog um die Ecke und sah, wie erwartet, ein brünettes, großes Mädchen mit einem Handy in der Hand und einem Kaugummi im Mund, so wie Kopfhörer in den Ohren. Obwohl es noch Mitte Februar war, trug sie ein weißes, bauchfreies Top und nicht mehr als ein zartrosa kariertes Hemd drüber. Das einzige, was irgendwie wärmte, war ihre graue Wollmütze und die weißen Stulpen um ihre Beine. Abigail war ihr Name und sie war eine von Chris besten Freunden. Sie sah zwar aus wie eine Tusse, die sich für nichts als Schminke, Mode und Shoppen interessierte, doch tatsächlich trug sie nur zartrosanen Lippenstift und sehr selten Eyeliner oder Lidschatten und behandelte jeden gleich.

Chris ging auf das Mädchen zu und begrüßte sie. Gemeinsam warteten sie auf den Bus. Als dieser ankam, gingen sie rein und saßen auch nebeneinander. Trotzdem wechselten sie kein Wort, weil das Mädchen ihre Kopfhörer nie aus den Ohren nahm. Dennoch störte es Chris nicht, denn Stille war alles, was er brauchte.

Sobald sie ankamen, gingen sie raus. Den restlichen Weg bis zur Schule gingen sie zu Fuß. Sobald sie reinkamen trennten ihre Wege sich. Abigails Spind war ganz wo anders als Chris'. Und dort begann wieder das Gefühlschaos...

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