65. Interview mit @Chrissy-Watchmaker

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Zu welchem Teil von LGBTQ+ gehörst du?:
Ich bin schwul.
Wenn ich öffentlich gefragt werde, beantworte ich aber Fragen meistens damit, dass ich gleichgeschlechtlich orientiert bin, zeige auf meinen Ehering und deute auf meinen Mann - sofern er in meiner Nähe ist xD

Wie alt warst du, als du gemerkt hast, dass du nicht hetero bist?:
Das erste Mal habe ich es in der Vierten Klasse bemerkt, also mit 11. Es gab dort einen Jungen, welcher mir auf irgendeiner Weise unheimlich sympathisch war.  In der fünften Klasse war ich dann von einem Mädchen sehr angetan. Dieser Crush hielt aber nicht allzu lange. Zu Einhundert Prozent sicher war ich dann in der siebten Klasse. Dort bekamen wir einen neuen Schüler welcher seitlich neben mir saß. Ich war sofort hin und weg und durchlebte so ziemlich alles an Gefühle.

Und wie bist du dann damit am Anfang umgegangen?:
Als ich mir dessen wirklich bewusst wurde, habe ich daraus ein riesen Geheimnis gemacht. Da ich seiner Zeit ohnehin eher der Außenseiter war, klappte das ganz gut. In meiner Familie wusste es auch erst niemand, was aufgrund meines homophoben Vaters auch besser war. Später habe ich mich meiner besten Freundin und meiner kleinen Clique anvertraut. Denen war es egal, machten zwar kleine Späße darüber, aber das war in Ordnung.

Hast du dich denn dann auch später noch geoutet und wenn ja was war die positivste und was die negativste Reaktion?:
Ich wurde später vom besagten Schwarm in der Schule geoutet, nachdem ich eine Freundin bat, mit ihm zu reden, da ich mich absolut nicht getraut hatte. Das machte natürlich sofort die Runde auf der ganzen Schule. Ab da begann dann mein persönlicher Horror. Tagtäglich kamen dumme Sprüche, Erniedrigungen und reihenweise Gewalt. Auch außerhalb der Schule war ein normales Leben nicht mehr möglich. Ich hatte das Gefühl, der einzige Schwule in unserer Stadt zu sein. Ich habe mich zurückgezogen und auf meine Musik konzentriert. Sie war das Einzige, was mir half. Unter den Schülern gab es aber auch Einige, welche es nicht störte. Jedoch kam nie irgendwas positives von deren Seite. Also wirklich Positives habe ich nicht erlebt. Später, als ich dann mit Achtzehn meine erste längere Beziehung hatte, habe ich mich bei meiner Mutter in Beisammensein meiner Schwester und meinem Freund geoutet. Mir fiel das so unglaublich schwer, da sie mich mal zu Weihnachten fragte, ob ich schwul sei. Nachdem ich dieses, aus Panik, jedoch verneinte, bekam ich nur zur Antwort, dass ich es ihnen auch bloß nicht antun sollte. Das Gespräch dauerte über vier Stunden, bis ich endlich die Karten auf den Tisch gelegt hatte. Die Reaktion meiner Mutter fiel erst ruhig aus. Sie setzte sich hin, entzündete eine Zigarette und sagte, dass sie darauf erstmal eine rauchen müsse. Nach einer Weile meinte sie aber dann, dass sie wenigstens einen netten Schwiegersohn bekommen würde. Anscheinend hatte sie sich schon die Zukunft für sich selber ausgemalt, wer weiß...Nach diesem Gespräch erfuhr es dann mein Vater von meiner Mutter. Die Reaktion darauf war für mich echt heftig. Ich sollte meine Ausbildung noch zu Ende machen und schnellstens ausziehen, weiterhin wollte er mich nicht mehr sehen. BUMS !!!
Glücklicherweise hat meine Mutter sehr lange mit ihm eingeredet, bis sich seine Meinung geändert hatte. Das dauerte fast vier Wochen. Vier Wochen mit diesem Gefühl, verstoßen geworden zu sein.

Und wie geht dein Vater jetzt damit um?:
Mein Vater sieht das heute total locker. Für ihn ist das zur Normalität geworden und ihn stört es einfach nicht mehr. Manchmal ist Blut doch dicker als alte Erziehung ;-)

Hattest du denn auch schon einmal eine Beziehung zum gleichen Geschlecht?:
Ja, natürlich.  Meine erste Beziehung, heimlich versteht sich, hatte ich mit 15, hielt aber nur für ein paar Monate. Ich denke, dass es dafür einfach zu früh war. Auch hatte ich es danach mit einem Mädchen probiert, aber mehr wie küssen war nicht möglich. Das fühlte sich einfach nicht richtig an. Später, mit Achtzehn lernte ich dann meinen heutigen Mann kennen. Seitdem bin ich in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung und mittlerweile auch mit ihm verheiratet.

Gab es Phasen in denen du lieber hetero gewesen wärst?:
Ja, während meiner Schulzeit. Ich wollte nicht "anders" sein, weil es mir nur mehr Probleme gebracht hatte. Heute ist es mir aber egal und gehe damit normal um.

Wie findest du es, dass man wegen seiner Sexualität gemobbt werden kann?:
Ich kann es nicht nachvollziehen. Ich diskriminiere andere Religionen, Hautfarben, Abstammungen oder Sexualitäten auch nicht. Jeder soll so Leben und Lieben dürfen wie er möchte. Ich hätte mir für damals auch gewünscht, dass es Anti-mobbing-Kampagnen gäbe.

Und möchtest du noch etwas allgemeines zu dem Thema LGBTQ sagen?:
Es gibt keinen Grund, sich für seine Sexualität zu schämen oder zu verstecken. Es ist ganz egal wen man liebt, es zählt nur die Liebe zwischen zwei Menschen. Lasst euch nicht verunsichern durch Meinungen von Dritten oder religiösen Ansichten. Lebt euer Leben so wie ihr es wollt. Niemand muss dein Leben leben außer du selbst. Und zusammen treten wir den homophoben Leuten kräftig in den Hintern wenn es sein muss ; - )

Vielen lieben Dank lieber Chrissy-Watchmaker


Übrigens findet ihr hier der Link zu Chrissy-Watchmaker Piano Cover Version zu "Vincent" von Sarah Conner.

https://YouTube.be/Yjg880vD130

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