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Nervös spiele ich mit meinen Händen, während ich darauf warte, dass mich jemand aufruft. Mein Herz schlägt laut gegen meine Brust und ich zucke bei jedem Geräusch zusammen. Verdammt, ich hasse Neuanfänge. Ich wollte nie die Schule wechseln oder in eine fremde Stadt ziehen. Heimweh schnürt mir augenblicklich die Kehle zu und ich versuche mich mit regelmäßigem Ein- und Ausatmen zu beruhigen - ohne Erfolg.
Als mein Vater mir vor drei Monaten sagte, dass wir umziehen müssen brach eine Welt für mich zusammen. Aber nicht nur für mich, sondern auch für meine beste Freundin Abigail, die seit dem Kindergarten nicht nur meine Nachbarin war, sondern auch engste Freundin/Seelenschwester ist. Wir haben alles gemeinsam überstanden - die Pubertät, die Grundschule, den Tod meiner Mutter. Sie ist meine bessere Hälfte und ich habe keine Ahnung, wie ich ohne sie klar kommen soll.
Wieder verfluche ich meinen Vater. Ich verstehe ohnehin nicht, wieso dieser Umzug nötig gewesen ist, wo doch seine Hauptfirma in unserer Heimatstadt liegt. Ich seufze.
Meine Gedanken wandern zu Abby, welche mir heulend hinterher gewinkt hat, als wir losfuhren. Mann, sie ist sicher am Boden. Sie hat wirklich stundenlang geweint, als ich ihr sagen musste, dass wir umziehen. Selbst mir kamen die Tränen, doch ich konnte sie unterdrücken. Denn ich weine nicht. Das tue ich schon seit Jahren nicht mehr.
Plötzlich setzt sich jemand neben mich und reißt mich aus den Gedanken. Als ich aufsehe und direkt in strahlend blaue Augen blicke, setzt mein Herz aus. Verdammt! Ein Typ, vielleicht etwas älter als ich, mit hellbraunen Haare, die ihm Kreuz und Quer auf seinem Kopf liegen und hellen Augen, starrt gerade aus zu Wand und nimmt keine Notiz von mir oder der Tatsache, dass ich ihn anglotze, als wäre er ein bekannter Musiker oder Model - so sieht er nämlich aus.
Seine Gesichtszüge sind markant, elegant, als wären sie persönlich von Gott gemeißelt worden. Hohe Wangen-Knochen, unter seinen zusammengezogenen Augenbrauen umrahmen dichte, lange Wimpern seine himmelblauen Augen. Seine Lippen sind weder zu schmal, noch zu voll. Außerdem trägt er einen Drei-Tage-Bart, was ihm auch etwas Verwegenes verleiht, sowie das schwarze Tattoo, wovon man ein Teil, an seinem Hals erkennen kann. Er ist verdammt heiß. Nein, sogar richtig schön. Ich bin überwältigt, verliere jegliches Schamgefühl und starre ihn offensichtlich an. Doch er würdigt mich keines Blickes.
Dann kommt ein dicker, kleiner Mann und erlöst mich aus dem Bann, indem er sich vorstellt. „Ich bin Mr Miller, euer Geschichts- und Klassenlehrer. Ihr müsst Darren und Beatrice sein."
Mein Herz setzt wieder aus. Darren.
Mr Miller führt uns durch das Gebäude, erklärt uns die Regeln und zeigt uns die Räume, doch ich höre überhaupt nicht zu, was ganz und gar nicht meine Art ist. Doch meine volle Aufmerksamkeit gehört Darren. Ich weiß selbst nicht woran das liegt, ich habe schon viele heiße Kerle gesehen, sogar mit ihnen gesprochen, und trotzdem beobachte ich, wie er zuhört und ab und zu nickt, seine Augen ein wenig kneift, während er versucht, den Akzent von unserem Lehrer zu verstehen. Wow, ich bin hin und weg.
Als wir letztendlich vor einem Klassenzimmer stehen und Mr Miller klopft, wird mir klar, dass ich jetzt meine zukünftige Klasse kennen lernen werde. Die Nervosität, die für eine Weile verschwunden war, kehrt nun zurück und ich versuche tief durch zu atmen. Verdammt. Ich war so abgelenkt, dass ich vergessen habe, was mir nun bevorsteht.
Aller Anfang ist schwer, oder nicht?
Wir betreten den Klassenraum, der augenblicklich verstummt und dutzende Augenpaare richten sich auf uns. Der Lehrer an der Tafel wendet sich auch verwirrt zu uns. Im Raum riecht es nach Menschenatem und Schweiß, als Mr Miller zu reden beginnt. „Das sind Beatrice Parker und Darren Parker", stellt er uns vor. Beim Erwähnen von Darren's Nachnamen, sehen wir einander an. Sein Blick trifft zum ersten Mal meinen und mir wird sofort warm. Ich werde knallrot. Seine Augen mustern kurz mein Gesicht, als würde er mich erst jetzt richtig bemerken und mir wird noch wärmer. Die Klasse kichert, als unser Lehrer erklärt, dass wir keine Geschwister sind.
Ist ja nichts Besonderes, rede ich mir ein, viele Menschen heißen mit Nachnamen Parker. Ich sehe zu Boden. Kein Grund gleich zur Tomate zu werden Bea!
„Ihr könnt euch gerne vorstellen." Auffordernd sieht uns der grauhaarige Mann an.
Unschlüssig sehe ich zu Darren, mein Herz rast immer noch, doch er starrt einfach in die Klasse. Also sehe ich das als Zeichen, dass ich beginnen sollte. „Ich bin Bea", ich lächle leicht und hoffe, dass ich nicht zu unsicher wirke, „Ich bin 18 und wohnte früher in Miami."
Ein Junge in der letzten Reihe erhebt seine Hand und sieht mich grinsend an, während er sich meldet. Verwirrt sehe ich kurz zu Mr Miller, ob es normal ist, dass Schüler etwas beitragen möchten, wenn sich jemand vorstellt, doch dieser sieht geistesabwesend in die Klasse, als sei es ihm völlig egal.
„Äh... Ja?", frage ich und hoffe, er stellt keine peinlichen Fragen. An seinem Blick und seinem Lächeln merke ich, dass er genau das machen wird.
„Hast du einen Freund?" Selbstgefällig sieht er mich an und mir wird ganz warm. Ernsthaft? Igitt. Ich wurde schon ein paar Mal angemacht, aber nicht in der Klasse, besser gesagt vor der ganzen Klasse. „Du weißt schon jemand, der es dir besorgt."
Schockiert weiten sich meine Augen und ich sehe erneut zu Mr Miller, welcher nur seufzt und ihn streng ansieht. Obwohl ich nicht will, spüre ich, wie ich zu einer lebenden Tomate werde. Erneut.
„Ich äh-"
„Ich bin Darren", unterbricht mich plötzlich der Schöne Mann neben mir und mein Kopf schnellt zu ihm. Bei dem Klang seiner Stimme, weiten sich meine Augen und ich starre ihn an, vergesse, wie verlegen ich noch vor Sekunden war. Doch seine Stimme klingt so schön, so beruhigend und doch so rau, dass ich hin und weg bin. Wenn er jetzt auch noch zu singen beginnt wie John Legend falle ich vor Bewunderung tot um.
„Ich bin zwanzig Jahre alt", fährt er fort, „Vor kurzem bin ich zu meiner Mom gezogen und hole nun mein Abschluss nach. Ich wohnte früher in England, was auch immer euch diese Information bringt. Und bevor irgendwelche Deppen fragen, ob ich vergeben bin; nein, ich habe keine Freundin."
Die Klasse beginnt zu lachen und Mr Miller seufzt genervt auf. „Setzt euch", befehlt er uns und wir gehen in die dritte Reihe und setzten uns hin, nebeneinander. Mir ist immer noch so unglaublich heiß. „Wir sehen uns in Geschichte", sagt Mr Miller zur Klasse und verschwindet dann.
„Wir können ja erst eine Vorstell-Runde machen", schlägt der andere Lehrer vor, der nun am Schreibtisch sitzt und um einiges jünger und besser als Mr Miller aussieht. Da die meisten aber nur genervt aufstöhnen und offensichtlich keine Lust haben, meine ich, dass es nicht nötig wäre. Doch er scheint mich nicht gehört zu haben, denn er beginnt von sich selbst zu erzählen.
Alles was ich noch mitbekomme ist, dass er Christian Lawn heißt, aus Torronto kommt und unser englisch Lehrer ist. Doch danach gilt meine ganze Aufmerksamkeit dem schönen Jungen neben mir.
Seine blauen Augen sind nach vorne zu Mr Lawn gerichtet und sind leicht zusammengekniffen. Er stützt seinen Kopf auf einer Hand ab. Sein Zeige- und Mittelfinger liegen auf seinen Lippen und spielen gedankenverloren damit. Dieser Anblick ist so unglaublich schön, dass ich kaum fassen kann, dass er Real ist. Ich habe noch nie so jemanden gesehen. Meine Augen haften auf seinen Lippen und ich stelle mir unwillkürlich vor, wie sie sich anfühlen. Bestimmt weich und sanft und-
Plötzlich sehen die blauen Augen direkt in meine und ich fühle mich ertappt und entblößt. Denn a) er hat mich beim Starren erwischt und b) ich habe mir vorgestellt wie es wäre, ihn zu küssen. Mist! Ich kenne diesen Typen noch nicht einmal. Knallrot angelaufen wende ich den Blick und sehen ihn in dieser Stunde kein weiteres Mal an.
Ein Mädchen, bedeckt mit einem Kopftuch, steht auf und ich höre dieses Mal zu. Sie beginnt von sich zu erzählen und stottert dabei. Sie ist sehr schüchtern, das merkt man. Das süße Mädchen mit den vielen Sommersprossen und den schmalen, mandelförmigen Augen heißt Aisha und ist Siebzehn Jahre alt. Mehr verrät sie nicht über sich und nimmt sofort wieder Platz. Bei ihrem Anblick muss ich lächeln.
Das Mädchen neben ihr steht auf und wirkt wie das komplette Gegenteil von dieser Aisha. Sie hat dunkle, lange Haare und schwarz geschminkte, große Augen. Ihr Blick ist gelangweilt und lustlos während sie redet.
„Ich bin Jenny, bin 17 und ja", sagt sie und setzt sich wieder hin. Dann starrt sie auf ihre schwarzen Nägel und ignoriert die mahnenden Blicke des Lehrers, der wohl wollte, dass sie mehr erzählt.
Dann steht das letzte Mädchen in der Reihe auf und beginnt zu Reden.
„Ich bin Bailee und ich wohnte schon immer hier in Sanville", erzählt sie und stoppt plötzlich. Kurz überlegt sie und fährt dann fort: „Also meine Eltern sind aus Kanada hergezogen, vor meiner Geburt. Aber ich bin hier geboren, also bin ich ja Amerikanerin.. oder? Ich meine-"
„Bailee", unterbricht Mr Lawn sie und sieht sie mit einem Blick an, der jeden zum Lachen bringt.
„Okay, okay", sie rollt die Augen. „Also ich komme aus Kanada" - Alle beginnen zu lachen - „Und meine Hobbys sind... Also, keine Ahnung. Eigentlich tue ich nichts außer mit Jenny und Aisha zu chillen. Aber das ist doch kein Hobby. Oder?", sie sieht zu ihren Freundinnen. „Mädels, wir sind wortwörtlich hobbylos", die ganze Klasse inklusive Bailee beginnt zu lachen.
„Lisa mach du bitte weiter", gibt Herr Lawn auf und wendet sich von Bailee ab. Grinsend mustere ich die drei Freundinnen und habe das Gefühl, ich werde mich gut mit ihnen verstehen.

the burden - Die Bürde unserer LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt