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Ich besuche die Schule hier nun schon seit zwei Wochen und habe drei Dinge festgestellt: 1. Alle sind nett. Ich habe bisher weder miese Lehrer oder Schüler gesehen, noch irgendwelche Gruppen, die andere Gruppen erniedrigt; 2. Ich bin irgendwie beliebt. Ehrlich, ich dachte ich würde hier niemals Anschluss finden, doch zum ersten Mal in meinem Leben werde ich von jedem akzeptiert und sogar gemocht. In meiner alten Schule hatte ich zwar Freunde, doch nicht soviele wie hier. Selbst die, die nicht in meiner Klasse sind lächeln oder sprechen mich an. Also, ich verstehe mich mit jedem gut. Außer mit einer Person. Denn 3. Darren mag mich nicht. Er ist der einzige der sich nicht mit mir unterhält, versteht oder sonst irgendetwas. Und ja, es macht mich verrückt. Nicht weil ich Aufmerksamkeit brauche. Aber ich frage mich, warum er so distanziert ist. Mit Malik und seinen Kumpels redet er und auch mit ein paar Mädchen aus meiner Klasse. Doch mich sieht er nicht mal an und das obwohl wir neben einander sitzen (wenn wir im Klassenzimmer Unterricht haben). Okay, mag sein, dass ich übertreibe. Aber es regt mich auf. Was habe ich getan? Ich meine, warum ignoriert er mich?
Als ich mit Abigail über mein Problem geredet habe, meinte sie, ich solle ihn ansprechen. Denn sie meint, wenn das so weitergeht verliebe ich mich noch in ihn. Das ist doch total schwachsinnig, schließlich kenne ich ihn kaum. Das habe ich Abigail auch gesagt. Sie hat nur mit ihren frisch gezupften Augenbrauen gewackelt und gemeint, man hat immer Interesse an Leuten, die man nicht haben kann. Als sie dann die ganze Zeit über beim Thema Darren mit ihren neuen Brauen gewackelt hat, wollte ich sie abreißen.
Jetzt sitze ich auf meinem Platz und warte auf Darren. Ich spreche ihn einfach an. Nichts Besonderes. Ich werde ihn fragen, wie es ihm geht. Und dann wird der Rest wie von selbst kommen. Hoffe ich. Mein Herz fängt an zu rasen.
Minuten später betritt der Lehrer den Raum und Darren ist immer noch nicht da. Kommt er nicht? Ausgerechnet heute? Enttäuschung macht sich in mir breit, während ich seufzend den Kopf auf den Tisch lege.
„Bea du sollst doch in der Bibliothek sein", verwirrt sieht mich mein Geschichts-Lehrer an. Ich blicke auf und erwidere seinen Blick. „Wieso denn?"
„Ich habe Bailee gesagt, sie soll dir Bescheid geben, dass du heute früh in die Bibliothek musst", sein Blick fällt auf Bailee, die ihn entschuldigend ansieht. Aus seinem verwirrten Blick wird ein strenger.
„Ach so", sage ich deswegen schnell, tue so als wäre es mir jetzt eingefallen und stehe auf. „Das meinen Sie", lüge ich und packe meine Sachen zusammen, „Tut mir leid, ich habe es vergessen."
Ich verlasse das Klassenzimmer und mache mich auf den weg in die Bibliothek. Mein Handy vibriert und ich bekomme eine Nachricht von Bailee. Grinsend lese ich sie durch.
»Du musst in der Bibliothek mit Darren - Ja, der Darren auf den du stehst. Gibt's überhaupt einen anderen? - eine Präsentation für Geschichte vorbereiten. Die anderen und ich haben sie schon fertig, aber ihr seid ja später gekommen. Und da wir in den nächsten Wochen präsentieren dürft ihr jede Geschichts-Stunde in die Bibliothek. Danke fürs retten und viel Spaß mit deinem Boy.«
Ich wundere mich gar nicht erst wie sie bei so einem Lehrer ans Handy kann, stattdessen starre ich ungläubig aufs Display und versuche mich zu fassen. Zwei Stunden, alleine mit Darren. Vielleicht klappt es ja doch, mit dem Small-Talk und Kennen-Lernen-Versuch.
Betend, dass viele Menschen dort sind, betrete ich die Bibliothek. Sofort entdecke ich ihn, an einem Tisch sitzen. Er liest. Seinen Kopf stützt er auf einer Hand ab und blättert konzentriert im Buch. Wieder spielt er mit seinen Lippen, was er oft macht wenn er gedankenverloren ist, wie ich fest gestellt habe. Das ist natürlich alles andere als gut. Schließlich bleibt mein Blick dann auf seinen Lippen haften und ich kann mich nicht mehr los reißen. Wie jetzt, zum Beispiel. Ich kann einfach nur seine schönen, pinken, vollen, weichen Lippen ansehen. Wobei ich gar nicht wissen kann, ob sie weich sind. Vielleicht sind sie steinhart? Trotzdem sind sie-
„Du bist zu spät", unterbricht mich seine tiefe, atemberaubend schöne Stimme und ich frage mich ob er singen kann. Bestimmt kann er das. Mittlerweile habe ich mich halbwegs an seine Stimme und dessen Wirkung auf mich gewöhnt. Sein Blick liegt noch immer auf dem Buch und ich setzte mich vorsichtig neben ihm.
„Ja, äh, sorry", kommt es über meine Lippen und ich hasse mich für den unsicheren Ton. Schnell räuspere ich mich. „Um was wird unsere Präsentation gehen?"
„Wir hatten keine besonders große Auswahl, also habe ich für uns entschieden. Wir berichten von der Zeit nach 1945, wenn es in Ordnung für dich ist?", kurz sieht er mich fragend an und ich nicke nur. Ich muss mich echt zusammen reißen. Klar, er sieht aus wie ein Vogue-Model und hat eine Stimme wie Harry Styles, ist doch kein Grund zum Auszurasten, oder?
„Was liest du da?", frage ich, als er sein Blick wieder zum Buch widmet. Er zeigt mir die Titelseite, worauf 1984 steht. „Worum geht es da?", frage ich und hoffe, es nervt ihn nicht.
„Das ist eine traurige und verstörende Geschichte", antwortet er und hebt seinen Blick. Er sieht mir direkt in die Augen und ich erkenne nichts darin außer Resignation. Etwas in mir verlangt danach, seine Augen mit Freude zu füllen. Ich stehe wie in einem Bann, während wir uns anstarren.
„So jemand wie du, sollte es nicht lesen." Er löst sich aus der Starre und sieht wieder in das Buch. Der Bann ist aufgelöst und Empörung bildet sich in mir.
„Um was geht es denn überhaupt?"
„Um die Realität", meint er nur, „Es ist einfach nichts für Menschen, die glücklich sind und alles so schön sehen", bricht er die Stille, die für einen Moment herrscht.
Ich brauche ein Weile, um zu verstehen, dass er über das Buch redet. Ich rolle die Augen über den Schwachsinn, das er labert.
„Deswegen bist du so ein Sonnenschein", murmle ich unüberlegt und sehe auf meine Hände. Ganz plötzlich beginnt er zu lachen. Richtig laut. Überrascht schnellt mein Kopf zu ihm und ein Glücksgefühl überkommt mich, während er lacht. Momente später beruhigt er sich zwar, doch sieht mich mit einem leichten Grinsen an. Mein Herz rast noch immer und ich fühle mich stolz, ihn zum Lachen gebracht zu haben. Ich habe ihn noch nie Lachen, geschweige denn Lächeln gesehen, dabei steht es ihm so gut. Vielleicht sollte ich ihm das mal sagen.

the burden - Die Bürde unserer LiebeWhere stories live. Discover now