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Während Abigail mit Malik tanzt, unterhalte ich mich mit Ryan. Er und ich haben früher kaum Wörter miteinander gewechselt. Und jetzt tut er so, als wären wir total gute Freunde gewesen. Je länger ich mich mit ihm unterhalte, desto weniger verstehe ich, warum ich überhaupt in ihn verknallt war. Hätte ich gewusst, dass Ryan der Typ Mann ist, der Geschichten erzählt, um einen zu beeindrucken oder der die ganze Zeit mit irgendeinem Scheiß herum prahlt, hätte ich ganz sicher kein Interesse gehabt. Das süße Lachen und die schönen Gesichtszüge scheinen nicht mehr zu wirken und ich warte nur auf den bestmöglichen Moment, um aus der Unterhaltung zu fliehen.
„Hey", sagt jemand hinter mir und tippt mich an. Fast möchte ich der Person danken, da sie mich gerettet hat, doch mein Herz bleibt bei seinem Anblick fast stehen.
„Darren", kommt es glücklich über meine Lippen und unwillkürlich mustere ich ihn. Er hat seine Haare gestylt, das merkt man, doch im Gegensatz zu den anderen hier, ist er recht normal angezogen. Also kein Smoking oder so. Er trägt eine einfache Jeans, ein schwarzes Hemd und schwarze Schuhe. Mein Blick bleibt an seinem Tattoo hängen, da man nun etwas mehr erkennen kann, Dank den nicht-zugeknöpften-Knöpfen. Es ist ein Tattoo im polynesischen Stil und ziert die linke Hälfte seines Oberkörpers. Was würde ich dafür geben, das ganze Ding zu sehen. Ich fühle mich wie eine Kartoffel neben ihm.
„Tanz' mit mir", sagt er und sieht mich mit einem Blick an, der mir den Atem raubt. Ich möchte nicken, mich auf ihn werfen und nie wieder loslassen, doch bevor ich ihm antworten kann, greift er nach meiner Hand und zieht mich auf die Tanzfläche. Rechtzeitig drücke ich Ryan meinen Drink in die Hand, welcher empört schnaubt. Doch ich habe keine Möglichkeit mir Gedanken darüber zu machen.
Ich spanne mich automatisch an, als er eine Hand auf meine Taille legt und entspanne mich wieder, als er meine Hände um seinen Nacken platziert. Dann zieht er mich zu sich und nimmt somit den letzten Abstand zwischen unseren Körpern. Mir wird ganz warm, denn ich brenne innerlich und mein ganzer Körper scheint zu kribbeln. Mein Herz schlägt so schnell und laut, dass er es sicher hören kann. Er ist mir so nah, unsere Nasenspitzen berühren sich fast, während wir uns geschmeidig zur Musik bewegen. Er tanzt wunderbar und ich verfalle ihm immer mehr. Ich sehe ihn einfach nur an. Seine Augen, seine Nase, seinen Drei-Tage-Bart, seine vollen Lippen. Ich sehne mich danach, sie auf meinen Lippen zu spüren. Ich verstehe selbst nicht, was mit mir los ist. Wie kann ich so schnell Gefühle für jemanden entwickeln, den ich gar nicht kenne? Ich kann an einer Hand zählen, wie oft wir uns unterhalten haben und doch fühle ich mich ihm so gebunden, dass es schon absurd ist. Ich habe noch nie so etwas gefühlt.
„Du siehst wunderschön aus", sagt er und reißt mich aus der Trance. Ich werde rot.
„Dankeschön", erwidere ich und lächle ihn breit an. Ich kann gar nicht anders. „Du siehst auch hübsch aus."
Nachdem ich das gesagt habe, fällt mein Lächeln. Okay, das war peinlich. Man sagt zu einem Mann doch nicht, dass er hübsch ist! „Ich äh", beginne ich zu stottern. „Ich meinte süß", versuche ich mich zu verbessern. Er lächelt. „Gott, ich.. meinte.. Du siehst heiß au- Gut! Du siehst gut aus!"
Ich habe mich vollkommen blamiert. Er lacht leise, hört auf zu tanzen und legt seine Hände auf meine glühenden Wangen. Mein Herz pocht noch schneller. Ob das ungesund ist, wenn man dauernd kurz davor ist, ein Herzinfarkt zu erleiden?
„Ich möchte dich küssen, Tris Parker."
Ich erstarre. Mein Inneres schreit, ja, küss mich verdammt!, doch ich rühre mich nicht. Ich sehe ihn einfach nur fassungslos und unglaublich angetan an. Ich spüre, wie er sich mir nähert, wie sein Blick auf meinen Lippen ruht, wie er sich zu mir beugt und langsam die Augen schließt. Automatisch schließen sich auch meine Augenlider und ich bereite mich darauf vor, die Lippen eines Fremden auf meinen zu spüren. Und ich kann es nicht erwarten.
Doch so schnell er sich mir genähert hat, weicht er auch wieder zurück. „Verdammt", flucht er leise, sein Blick liegt noch immer auf meinen Lippen. „Ich sollte nicht", sagt er und wirkt schon fast gequält, als wolle er es genau so sehr wie ich.
Enttäuschung erfüllt mich und ich schlucke nervös. Plötzlich bemerke ich auch die Menschen um mich herum, die noch tanzen. Ich lasse auch den Blick senken. Darren beginnt wieder sich langsam zu bewegen und wir fahren fort zu tanzen.
„Du solltest dich von mir fern halten", sagt er, seine Stimme leise aber bestimmt. Nun sieht er mich wieder an und ich frage mich, ob er das wirklich ernst meint.
„Was?", frage ich schweratmend, um mich zu vergewissern. Was habe ich falsch gemacht? Weshalb will er sich jetzt von mir fern halten?
„Ich bin kein guter Umgang", ist das einzige, was über seine schönen, vollen Lippen kommt, dessen Berührung ich so sehr ersehne. Dann löst er sich vollkommen von mir, dreht sich um und geht zügig aus der Halle. Und ich bleibe zurück, von der Kälte umhüllt.

Ich setzte mich zu Abigail, die noch immer mit Malik redet, und denke konzentriert über Darren nach. Was ist so plötzlich mit ihm? Wir haben uns heute doch gut verstanden. Ich verstehe das nicht. Weshalb sollte er nicht gut für mich sein?
Hundert Gedanken und Horrorszenarien strömen auf mich ein und ich bekomme Kopfschmerzen. Verdammt sei Darren. Warum ist er auch so unwiderstehlich? Ich seufze niedergeschlagen und lehne meinen Kopf an Abby's Schulter.
Ein ungutes Gefühl macht sich in mir breit. Was hat er gemacht, dass er glaubt, er wäre nicht gut genug für mich? Etwas... Verbotenes? Ich erschaudere. Es könnte alles möglich sein, schließlich kenne ich ihn kaum.
Was ist nur los mit mir? Warum verschwindet dieses seltsame Gefühl in meiner Brust nicht endlich? Er ist doch nur irgendein Kerl, den ich null kenne! Man kann sich nicht so schnell verlieben. Dennoch kann ich nichts gegen das Kribbeln in meinem Bauch tun, welches sich zu erkennen gibt, sobald ich an seinen Blick denke, den er mir zugeworfen hat, kurz bevor er andeutete mich zu küssen. Mein Herz fühlt sich schwer in meiner Brust an und ich habe das Bedürfnis ihn anzurufen. Doch ich entscheide mich dagegen denn a) ich habe seine Nummer nicht und b) was will ich denn sagen? Hey Darren, ich kenne dich zwar kaum aber ich stehe auf dich und will, dass du mich küsst? Wow, ich bin wirklich armselig.
„Tris, alles in Ordnung?"Abigail sieht mich mit besorgter Miene an, doch ich setze schnell ein Lächeln auf und nicke.
„Alles okay", antworte ich. Sie mustert mich zwar einen Moment skeptisch, doch nickt dann und wendet sich wieder Malik zu. Und ich bleibe mit meinen launischen Gedanken alleine.

the burden - Die Bürde unserer LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt