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Ich nehme Briannas Stimme neben mir kaum wahr.
„Darren, es reicht, du bringst ihn um!"
Auch Owen und Chris versuchen ihn wegzuzerren, doch Darren hat Jace bereits bewusstlos geschlagen. Polizeisirenen ertönen. Jace' Kumpels sind schon lange weg.
„Darren!", höre ich mich brüllen. „Es reicht, verdammt nochmal!"
Endlich hört er auf und Chris zerrt ihn von Jace weg. Seine Augen suchen mich – ich erschaudere. Sie sind dunkel und hasserfüllt, doch als ich nach ihm greife und er meine Hand nimmt, wird sein Blick weicher. Ich ziehe ihn zu mir. Seine Züge sind kalt, emotionslos und er atmet sehr schnell aus und ein.
Dann kommt die Polizei.

Stumm sitzen wir auf den Stühlen in der Polizeistation. Neben mir sitzt Darren und neben ihm Chris. Owen und Brianna sitzen uns entgegen. Mein Bruder läuft im Flur auf und ab. Er ist außer sich vor Wut.
Erst als der Polizist sagt, dass wir gehen dürfen, erhebe ich den Blick vom Boden. „Eure Eltern sind informiert und sollten jeden Augenblick hier sein."
Ich bin so erschöpft, weswegen ich meinen Kopf an Darren's Schulter lehne. Ihn so zu sehen hat mir Kraft geraubt. Er drückt mir ein Kuss auf den Kopf. Ich spüre die Blicke meines Bruders auf uns, doch in diesem Moment ist es mir egal.
„Brianna!", ruft Lydia entsetzt, sobald sie uns sehen und schließt weinend ihre Tochter in die Arme. Auch mein Dad scheint besorgt zu sein, denn als er mich sieht umarmt er mich. Was sie wohl denken mussten, als Polizisten bei ihnen anrufen mussten um zu sagen, dass ihre Kinder in einer Prügelei verwickelt waren. Schuldgefühle überrollen mich.
„Geht es dir gut? Hat er dir was getan? Was ist passiert?" Lydia überhäuft Brianna mit Fragen, welche schluchzend zusammensackt. „Dieser Mistkerl! Er ist doch verrückt, lässt dich einfach nicht in Ruhe!" Tröstend umarmt sie ihr Kind.
Dann beginnt Owen alles in Detail zu berichten, obwohl er die Hälfte der Zeit nicht da war.
Währenddessen blicke ich zu Darren, der gedankenverloren zur Wand starrt. Das Blut an seinen Lippen ist getrocknet und sein Auge ist blau angeschwollen. Auch weitere kleine Kratzer zieren sein sonst makelloses Gesicht.
„Wäre Darren nicht da, wüsste ich nicht was passiert wäre", beendet Brianna schluchzend die Erzählung und sieht dankbar zu ihm.
„Zum Glück warst du da, als Chris und ich draußen waren, Mann", stimmt Owen zu, doch Darren winkt ab.
„Kein Problem", antwortet er nur.
Auch mein Vater bedankt sich bei meinem Freund, während ich ungläubig zuhöre, wie sie Darren als Superhelden darstellen, obwohl er gerade fast jemanden umgebracht hätte. Ich sehe zu ihm und Tränen sammeln sich in meinen Augen. Wie kann jemand, der für mich wie ein Engel ist, fähig sein, einen Menschen zu töten?
Als Lydia ihn dann auch noch zum Essen einlädt, kann ich ein ironisches Schnauben nicht unterdrücken. Irritiert sieht Darren mich an, doch ich zucke nur die Schultern.
„Ich komme sehr gerne, vielen Dank für die Einladung", bedankt er sich höflich.
„Wir erwarten dich um 18 Uhr bei uns. Das ist das Mindeste, das wir tun können."

Als ich Stunden später auf meinem Bett liege und an die Wand starre, kann ich keinen einzigen Gedanken fassen, weswegen ich mir einfach selbst beim Atmen zuhöre.
Einatmen.
Ausatmen.
Einatmen.
Ausatmen.
Einatmen.
Die Luft anhalten.
10 Sekunden.
15 Sekunden.
20 Sekunden.
25 Sekunden.
30 Sekunden.
Mein Handy vibriert und ich schnappe nach Luft. Erleichtert nehmen meine Lungen das Sauerstoff auf und ich bin kurz enttäuscht darüber, wie schwach Menschen eigentlich sind. Ich sehe aufs Handy und mein Herz setzt aus, als ich Darren's Namen lese.
»Ich bin vor der Tür, mach auf.«
Ich springe schnell auf und rase die Treppen hinunter. Da mein Dad bei Lydia ist und mein Bruder wieder bei seiner Freundin, brauche ich mir keine Sorgen machen, dass wir erwischt werden.
Ich atme tief durch, bevor ich die Tür öffne. Und obwohl Darren übel zugerichtet wurde, sieht er atemberaubend aus.
„Komm rein." Ich trete zur Seite und atme seinen Duft ein, als er an mir vorbei in unser Haus läuft.
„Hast du Hunger? Durst?", frage ich etwas unbeholfen, als wir im Eingangsbereich stehen, während er sich neugierig umsieht.
„Bist du etwa allein Zuhause?", fragt er überrascht und ich nicke. „Dein Dad hat dich alleine gelassen?"
Nun werde ich rot, da es mir irgendwie peinlich ist.
„Äh... Ja. Lydia war ziemlich aufgewühlt, deswegen wollte er sie nicht alleine lassen. Und mein Bruder ist bei seiner Freundin."
Darren nickt nur und bedenkt mich mit einem seltsamen Blick.
„Wieso bist du hier?", frage ich und versuche die aufkommenden irrsinnigen Erwartungen zu verdrängen.
Er mustert mein Outfit, welches aus einer Diddl-Pyjama-Hose und einem Top besteht und ich laufe wieder rot an.
„Ich habe dich vermisst", meint er nur. „Komm her."
Und sofort bin ich in seinen Armen, genieße den Halt den er mir gibt und wie alle negativen Gedanken meinen Kopf verlassen, je länger und fester er mich hält. „Möchtest du über heute Abend reden?", fragt er leise in mein Haar.
„Ja, ich denke schon."
„Okay."
Wir bleiben noch einige Minuten in dieser Position, ehe wir uns lösen.
„Komm", sage ich, nehme seine Hand und führe ihn zu meinem Zimmer. Irgendwie fühlt es sich erschreckend intim an, als er sich auf mein Bett setzt. Er sieht sich um, ehe er versucht ein Gespräch zu beginnen.
Ich beobachte ihn. Er schaut auf seine Hände, leckt über seine Lippen und denkt angestrengt darüber nach, was er sagen könnte. Plötzlich tauchen Bilder von unserer letzten Nacht vor meinem Auge auf und ich spüre ein Ziehen in meinem Unterleib. Ich habe auf einmal das Bedürfnis ihn zu berühren. Ich kaue auf meinen Lippen, versuche einen kühlen Kopf zu bewahren, doch je länger ich ihn so ansehe, wie er verloren auf meinem Bett sitzt, desto stärker wird das Verlangen in mir. Ich versuche mich vergeblich zusammenzureißen, doch ich kann keinen einzigen klaren Gedanken fassen und möchte nur noch Darren auf mir spüren. Wow – so etwas habe ich noch nie erlebt.
Wie von alleine erhebe ich mich, gehe zur Tür und halte den Blickkontakt zu Darren, welcher mich irritiert beobachtet. Mir ist ganz heiß.
Ich taste nach dem Lichtschalter, ohne den Blick zu wenden, und betätige ihn. Das Licht geht aus, doch dank des Lichts, welches der Mond uns spendet, erkenne ich seine Umrisse. Man hört nur unsere Atemstöße.

the burden - Die Bürde unserer LiebeWhere stories live. Discover now