- 13 -

5 1 0
                                    

„Um was geht's Dad?" Derek lässt sich wieder auf seinem Stuhl nieder. Die Atmosphäre ist angespannt und ich weiß, dass es etwas Unangenehmes ist, das er beichten wird.
„Ist etwas passiert?", frage ich drängend, damit er endlich rausrückt.
„Nein, nein." Er sieht auf seinen Teller, meidet unseren Blick. Huch, Dad und nervös? Langsam mache ich mir ehrlich sorgen. Dann sieht er wieder auf und blickt uns ernst an, die Nervosität verschwindet auf einmal.
„Ich habe jemanden kennen gelernt."
Stille.
„Lydia heißt sie und arbeitet in meiner Firma."
Ich schweige noch immer und auch Derek scheint mit der Situation überfordert zu sein.
„Äh, das freut mich für dich Dad", er räuspert sich, „Seit wann läuft das denn?"
„Seit fünf Monaten."
Moment mal. „Ist sie der Grund für den Umzug hierher?"
„Nun..."
„Ich fass es nicht!" Aufgebracht lasse ich das Pizzastück auf meinen Teller fallen.
„Bea, wir meinen es wirklich ernst und haben sogar überlegt zusammen zu ziehen." Dad sieht mir tief in die Augen. Er meint es ernst.
„Was ist an ihr denn so besonders? Warum kannst du sie nicht aus unserem Leben raushalten so wie deine tausend anderen Freundinnen?"
Wütend zieht mein Vater die Augenbrauen zusammen. „Beatrice Grace Parker, nicht in diesem Ton!" Ermahnend hebt er den Zeigefinger. „Morgen kommt sie mit ihren Kindern zum Essen und ich möchte, dass ihr nett zu ihnen seid."
Ich lache trocken auf und erhebe mich. „Freut mich für dich Dad. Schick mir dann einfach deine neue Adresse."
Mit stampfenden Schritten verlasse ich das Esszimmer und knalle auch noch die Tür hinter mir zu, damit die Show auch genug Drama enthält. Wie lächerlich das Ganze doch ist.
Ich schnaube vor Wut und setze mich auf mein Bett und fluche wie eine verrückte vor mich hin. Wie kann man so egoistisch sein? Er ist verdammt nochmal Familienvater! Und was macht er? Lügt uns an und zwingt uns umzuziehen, nur für seine Freundin, von der er uns noch nicht einmal erzählt hat? Ich fasse es nicht! Wenn Mom da wäre, hätte er nie so selbstsüchtig gehandelt. Ich unterdrücke ein Schluchzen.
Als es Minuten später an der Tür klopft, stehe ich schnell auf und eile ins Badezimmer, welches mit meinem Zimmer verbunden ist und schließe mich ein.
Als ich in den Spiegel blicke, zieht mein Herz sich zusammen und die Wut verpufft. Stattdessen macht sich eine tiefe Trauer bemerkbar und wächst mit jeder Sekunde. Tränen sammeln sich in meinen Augen, weswegen ich schnell meinen Kamm schnappe, der am Waschbecken-Rand liegt und kämme meine Haare, um nicht in Tränen auszubrechen. Ich werde jetzt nicht heulen, wie eine kindische und egoistische Tochter, die man in kitschigen Familiendramen sieht. Nein.
Ich lasse den Kamm langsam sinken.
Mein Handy in der Hosentasche vibriert. Eine Nachricht.
»Hey, hast du morgen Zeit?«
Ich muss lächeln. Es kribbelt wieder verdächtig hinter meinen Augenlider.
»Nein, tut mir leid. Dad's neue Geliebte kommt mit ihren Kindern zum Essen«
»Neue Geliebte?«
»Egal, frag nicht«
»Dir geht's damit gut, oder?«
Ich zögere.
»Ja«
Sekunden später klingelt mein Handy und mein Herz macht einen Satz, denn sein Name leuchtet hell auf.
„Hey", sage ich in den Hörer. Der Druck in meinem Herz macht sich erneut spürbar und schnürt mir die Kehle zu. Ich hasse das. Wenn man die Tränen solange es geht unterdrückt und dann irgendetwas Dummes, wie dieser Anruf von diesem tollen Kerl zum Beispiel, dafür sorgt, dass man in Tränen ausbricht und wie ein Kleinkind heult.
Dennoch verliere ich keine einzige Träne.
„Hi", ertönt seine sanfte Stimme und ich atme laut aus. „Wie geht es dir?"
Für einen Moment kann ich nicht antworten.
„Ich kann nicht glauben, dass er das tut, Darren." Meine Stimme klingt weinerlich, weswegen ich mich räuspere.
„Weinst du?" Seine besorgte Stimme zaubert mir ein Lächeln ins Gesicht.
„Nein."
„Gut."
Stille.
„Ich verstehe das alles nicht", wispere ich und meide meinen eigenen Blick im Spiegel, da ich mich erbärmlich fühle. Warum reagiere ich nur so extrem? Dad hatte schon zig Freundinnen.
„Es ist normal, dass du verletzt bist, Tris."
„Es ist nur so... Er hat meine Mutter geliebt, Darren. Er hat sie unglaublich geliebt. Nach ihrem Tod... Da wurde er zu einem komplett anderen Menschen. Er war früher liebenswert und fürsorglich, doch nun sehe ich ihn höchstens einmal im Monat." Ich atme tief durch, damit ich nicht zu heulen beginne. „Wie kann er sie dann ersetzen?" Meine Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern und auch Darren spricht sehr leise.
„Du hast das Gefühl, als hätte er mit ihr abgeschlossen nicht wahr?"
Ich nicke.
„Als wäre sie nun wirklich... weg."
„Ja", sage ich und verziehe schmerzerfüllt mein Gesicht. Was für ein Schwachsinn. Und er versteht mich. Mein Herz bricht und heilt innerhalb weniger Sekunden.
„Wann ist das Essen morgen?", fragt er plötzlich.
„Äh, vierzehn Uhr oder so denke ich."
„Wollen wir uns danach treffen, Tris?"
Mein Name aus seinem Mund klingt so toll und tröstend.
„Das wäre toll, Darren."

Als ich am nächsten Tag mich schlecht gelaunt auf das Sofa fallen lasse, klingelt es an der Tür. Ich seufze entnervt, mache mir allerdings keine Mühe aufzustehen.
„Sie sind da!", ruft mein Vater und eilt zur Tür (er würde nicht mal seiner Mutter persönlich die Tür öffnen). Schockiert verfolge ich das Geschehen. Diese Frau, wer immer sie ist, muss jemand ganz Besonderes sein. Und nur deswegen erhebe ich mich und gehe zum Flur um sie zu begrüßen. Eine Frau, Mitte vierzig, strahlt mich an und zieht mich direkt in eine Umarmung. Überrascht erwidere ich sie.
Sie ist sehr attraktiv, stelle ich fest, als wir uns wieder lösen. Sie trägt ihre hellbraunen langen Haare offen, sie sind geglättet und fließen ihren Rücken entlang. Sie ist schlank und passt zugegeben ziemlich gut zu meinem Vater (rein optisch betrachtet). Ich suche in ihren dunklen Augen nach etwas, was mir einen Grund gibt sie unsympathisch zu finden, doch sie strahlt pure Neugier und Nervosität, sodass ich einfach lächeln muss.
Hinter ihr stehen zwei Personen, vermutlich ihre Kinder. Ein Mädchen und ein Junge. Der Junge kommt mir bekannt vor, vermutlich kenne ich ihn von der Schule, doch das Mädchen ist mir fremd. Sie stellen sich als Owen und Brianna vor.
Brianna hat wie ihre Mutter braune Haare und Augen. Auch sie ist ziemlich schlank und hübsch. Sie hat hohe Wangknochen und einen Schmollmund. Außerdem ist sie erstaunlich groß. Fast so groß wie ihr breitgebauter Bruder. Dieser hat grüne Augen, doch dieselben Gesichtszüge wie die Damen. Allerdings strahlt er eine Kälte aus – kein Wunder. Wahrscheinlich ist er genauso genervt wie ich. Wer will schon mit Fremden zusammen ziehen?
Ich führe die Gäste – ganz wie die Brave Tochter es sollte – ins Wohnzimmer, wo wir alle Platz nehmen. Sofort beginnt der Smalltalk.
„Wie alt bist du denn Beatrice?" Interessiert sieht mich Lydia an.
„Achtzehn", antworte ich und erwidere das Lächeln.
„Herrlich – Owen und Brianna sind schon Neunzehn. Das freut mich, dass ihr fast im selben Alter seid."
Zwillinge also? Aha.

the burden - Die Bürde unserer LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt