Hätte er blos nichts gesagt

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Kageyama betrat mit einem komischen Gefühl sein Zimmer, zwar fühlte es sich vertraut an, doch heute erschien es ihm so leer und groß wie noch nie. In ein paar Stunden würden seine Eltern zurück kommen, bis dahin würde er schonmal damit beginnen seine Wäsche zu waschen und ein bisschen aufzuräumen. Dem ging er auch schnell nach, obwohl er sich immer wieder dabei erwischte das er stehen blieb und hörte. War das ein Knacken? Schritte? Nein, das bildete er sich ein, er war schließlich allein. Eine Woche Trainingslager mit der ganzen Mannschaft und dann noch die Nacht bei Hinata, hatten ihn wohl dem Alleinsein entwöhnt.
Nachdem er fertig war, lies er sich entspannt auf sein Bett fallen und betrachtete gedankenverloren die Decke, dabei nahm er sich seinen Volleyball und begann ihn nach oben zu spielen.
Nach kurzer Zeit wurde er jedoch müde und bevor er es verhindern konnte, war er auch schon eingeschlafen.

Als er eine zarte Berührung an seinem Kopf spürte wachte er ruckartig auf und blickte in das lächelnde Gesicht seiner Mutter. "Guten Morgen Schlafmütze wieso liegst du denn noch im Bett, es ist bereits Mittag. Hast du nichts besseres zu tun", fragte seine Mutter mit einem leichten Vorwurf in der Stimme und stand auf um ein Fenster zu öffnen. Die kalte Luft half Tobio wacher zu werden und er setzte sich verschlafen auf.
"Hast du deine Wäsche schon eingeräumt", fragte sie als nächstes und sah sich neugierig um.
"Hab ich, müsste gleich fertig sein", antwortete er routiniert.
"Gut, dann zieh dich um und geh am besten duschen, du riechst irgendwie dreckig. Wir wollen zusammen essen, ich und dein Vater haben ein paar Köstlichkeiten mitgebracht."
Verdutzt roch er an seinem Shirt, das er sich eigentlich nach dem Waschen frisch angezogen hatte, doch irgendwie hatte sie recht, er roch dreckig und zwar nach Lust und Sex. Oh man war das peinlich. Schnell lief er ins Bad damit seine Mutter nicht sah wie er verlegen rot anlief.
Nach dem Duschen putzte er sich zur Sicherheit auch nochmal die Zähne und bei dem Blick in den Spiegel blieb er kurz hängen. Seine schwarzen noch feuchten Haare klebten an seiner Stirn und tropfen ihm sachte auf den Oberkörper, doch seine ganze Aufmerksamkeit galt nun der kleinen filigranen Silberkette um seinen Hals. Er hatte sie fast schon vergessen, als wäre sie schon immer dort gewesen. Sollte er sie ablegen? Was wenn seine Eltern sie sehen würden?
Aber irgendwann musste er es ihnen sowieso sagen. Tobio Kageyama war kein Feigling, zwar zollte er seinen Eltern höchsten Respekt und sie waren auch ziemlich streng, doch er würde sich niemals von seinem Ziel abbringen lassen. Anfangs waren sie auch nicht sonderlich begeistert gewesen, das er anfangen wollte Volleyball zu spielen, doch als die ersten Erfolge kamen, waren sie doch einverstanden und fingen an ihn zu fördern. Vielleicht weil sie schnell begriffen hätten, das er schulisch manchmal ganz schön auf dem Schlauch stand und ihm ganz sicher keine Karriere als Arzt oder Bänker bevorstand.
Eine viertel Stunde später ging er entschlossen und doch mit einem mulmigen Gefühl die Treppe herunter. Von unten duftete es richtig lecker und ihm lief schon das Wasser im Mund zusammen, als er am Esstisch vorbei ging. Seine Mutter zog gerade etwas aus dem Backofen und wirkte äußerst stolz auf das Ergebnis. Sein Vater stand locker im Türrahmen mit einem Glas Wein in der Hand und tippte geistesabwesend auf seinem Smartphone herum. "Legst du wohl dein Handy aus der Hand und begrüßt deinen Sohn", rügte Frau Kageyama ihren Mann und dieser steckte widerwillig das Ding in seine Hosentasche. "Na Sohn, das Haus steht ja noch, hast du gut gemacht", sagte er etwas unpassend als sein Handy plötzlich klingelte und er die Küche verlies.
"Ich war ja gar nicht zuhause", meinte Tobio blos kleinlaut und lehnte sich an den Kühlschrank.
"Bist du nicht gestern zurück gekommen", fragte seine Mutter hellhörig geworden und rührte in einem der vielen Töpfe.
"Ähm ja aber ein Mitspieler aus unserer Mannschaft, bzw. seine Mutter hat mich eingeladen bei ihnen zu essen und anschließend zu übernachten..."
"Hast du dich wenigstens anständig bei der guten Frau bedankt Tobio", wollte sie streng dreinschauend wissen.
"Ja hab ich", sagte er ehrlich.
"Dann ist ja gut. Ich wusste garnicht das du mit einem deiner Teampartner näher befreundet bist."
Tobio schluckte, vor seiner Mutter war auch kein Stahltresor sicher.
Er hatte sich echt angestrengt keinerlei Mimik oder Gestik für sich sprechen zu lassen, doch scheinbar hatte ihn jetzt schon irgendwas verraten.
Also blieb nur noch abstreiten und das möglichst überzeugend.
"Ja, nein, also so gut sind wir eigentlich nicht befreundet, ich wollte nur seine Mutter nicht beleidigen und ablehnen, schließlich hat sie mich eingeladen". hah, das war eine gute Antwort, die Höfflichkeit war in Japan äußerst wichtig und es galt als schlichtweg unverschämt eine Essenseinladung auszuschlagen, gerade wenn sie von einer Frau ausgesprochen wurde.
Seine Mutter nickte zufrieden und fing an ihre Teller anzurichten.
Damit schien das Thema gegessen und sie fragte ihn beiläufige kurz angebundene Fragen über das Trainingslager, denen er genauso verhalten antwortete. Eigentlich glich das ganze mehr einem abgehackten Interview, als einer Unterhaltung und es fühlte sich auch komplett anders an, als heute morgen in der kleinen schnuckeligen Küche mit Shoyos Mutter. Nicht so warm und herzlich und ehrlich interessiert, sondern eher pflichtbewusst und kalt. Wieso fiel ihm das jetzt so verstärkt auf?

Sie saßen also irgendwann alle am Esstisch, sein Vater hatte es tatsächlich geschafft sein Handy zumindest am Tisch zur Seite zu legen und ass mit ordentlichen Appetit.
Frau Kageyama verteilte an alle das Essen und lobte sich dabei selbst, weil ihr Mann das nicht überriss. Dann verfielen sie in ein langes Schweigen in der man nur das Klappern des Geschirrs und das leise kauen hörte. Wie immer. Das Essen schmeckte wirklich gut, doch irgendwie brachte er die lobenden Worte nicht über die Lippen, das war einfach nicht seine Art.
Gerade als er sich das letzte Stück Fleisch in den Mund schob, setzte seine Mutter erneut an.
"Wie hieß der Junge"?
"Welcher Junge", fragte nun Herr Kageyama und sah ihn misstrauisch an.
"Der bei dem er gestern übernachtet hat", erklärte seine Frau und sah ihn mit kalten Augen an.
"Ähm, Hinata", murmelte er etwas undeutlich.
"Sprich ordentlich Tobio, das ist sehr unhöflich", ermahnte ihn seine Mutter.
"Hinata Shoyo, er ist Mittelblocker in unserer Mannschaft", sagte er noch einmal, diesmal deutlicher und etwas lauter als es angebracht gewesen wäre.
"Nun gut zu wissen." Ihre Worte hatten einen komischen Unterton der sogar Tobio auffiel, auch wenn er im deuten von Stimmen nie so gut gewesen war.
Dieses Gespräch entwickelte sich eindeutig in eine Richtung die er als unangenehm empfand und am liebsten wäre er aufgestanden und in sein Zimmer gelaufen, doch seine Eltern hatten ihn streng erzogen, weshalb er sitzen bleiben musste, bis alle fertig waren.
Sein Vater der bis jetzt äußerst still gewesen war, sah ihn mit einem immer noch zögerlichen Blick an. "Du hast bis jetzt noch nie bei einem Mitschüler übernachtet, weder in der Mittelschule noch in der Oberschule. Wie kommt es, das du nach dem Essen nicht einfach nach Hause gegangen bist, das wäre durchaus angebracht gewesen, schließlich kennt sie weder dich noch unsere Familie", fragte sein Vater ruhig und Tobios Herzschlag verdreifachte sich. Mit solchen Fragen hatte er nicht gerechnet, er hätte einfach den Mund halten sollen und behaupten, das er hier geschlafen hatte.
Doch nun saß er hier, direkt vor ihren Augen und musste ihnen eine passable Antwort geben. Er schluckte.
"Nun ja, unser Bus ist erst spät angekommen und das Haus von Hinata ist fast auf der anderen Seite des Berges", versuchte er zu erklären sah jedoch das die Augen seiner Mutter sich zu schlitzen verengten. Seinem Vater genügte diese Antwort und er ass mit großen Hingabe seinen Teller leer. Nur noch einen kurzen Augenblick und er könnte sich entschuldigen und vom Tisch aufstehen, aber seine Mutter kam ihm zuvor. "Das war eine äußerst lobende Geste von der Familie Hinata und ich finde wir müssen ihnen unsere Dankbarkeit erweisen und sie ebenfalls zum Essen einladen. Am besten bald. Am nächsten Dienstag vielleicht, sage das deinem Freund."
Das letzte Wort klang aus ihrem Mund etwas verzerrt und er beeilte sich auf sein Zimmer zu kommen.
Oh scheiße, was hatte er blos getan?
Ein Familienessen, und das mit den zwei unterschiedlichsten Familien die es womöglich gab? Das konnte doch nur schief gehen. Am liebsten hätte er gegen die Wand geschlagen, doch er zögerte da man den Krach wahrscheinlich bis nach unten gehört hätte. Das würde in einem einzigen riesigen Phiasko enden und am Ende würde ihr Geheimnis doch noch ans Licht kommen. Tobio hatte zwar gesagt das er es irgendwann sowieso sagen musste, aber doch nicht nächsten Dienstag?

kagehina kribbeln im BauchWhere stories live. Discover now