Familienessen

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Sein Herz schlug immer noch, als Kageyama sich eine halbe Stunde später auf den Weg nach Hause machte. Er hatte seinen Eltern gesagt, das er nur kurz eine kleine Runde joggen gehen würde, deswegen trug er auch nur eine leichte Jacke und eine Trainingshose. Mit einem Grinsen auf den Lippen beschleunigte er also seine Schritte, bis er in seinen gewohnten Rhytmus verfiel. Schließlich sollte ein wenig Wahrheit in seiner Lüge stecken, außerdem sollten seine Eltern keinen Verdacht schöpfen, wenn er unverschwitzt nach Hause kommen würde.
Sosehr er diese ganzen Lügen auch verabscheute, umso größer war das warme Gefühl in seiner Brust, das sich dort ausgebreitet hatte, nachdem Hinata diese schleimigen total klischehaften Worte gesagt hatte. Er hatte sie zwar nicht erwidert, also zumindest nicht mit Worten, doch er hatte ihn danach geküsst und es hatte sich eindeutig richtig angefühlt.
Die letzten zwei Tage hatte er genügend Zeit gehabt darüber nachzudenken, ob das zwischen ihnen wirklich was ernstes war, oder nur so eineme Urlaubsliebelei oder wie auch immer man das nannte.
Als Hinata ihn im Park sitzen gelassen hatte, war er noch lange dort geblieben. Die durchaus zornigen Worte seines kleinen Mittelblockers hatten ihn derart überrumpelt, das er ihn nicht mal aufgehalten hatte, als er aufgewühlt davon gestürmt war.
Obwohl er es sich nicht eingestehen wollte, hatte der andere genau ins Schwarze getroffen. Er hatte Angst. Davor was seine Eltern sagen und wie die anderen Spieler reagieren würden, allgemein wie sein Leben sich nun verändern würde. Das alles machte ihm eine heiden Angst. Noch nie zuvor in seinen 16 Jahren hatte er sich um etwas anderes als sich, seinen Sport und die Schule Gedanken machen müssen und nun war da eine weitere Person die ihm wichtig war und die er nicht enttäuschen wollte. Aber es war verdammt schwer an alles dabei zu denken, sich in ihn hineinzuversetzen, Mitgefühl zu zeigen, seiner Meinung aufeinmal Gewicht einzuräumen und dazu, musste er auch noch mit diesem wahnsinnigen Verlangen in sich kämpfen, ihn ständig berühren zu wollen, was er wirklich noch nie zuvor in irgendeiner Weise gespürt hatte.
Der Schweiß lief ihm von der Stirn und in den Nacken und der kalte Wind lies seine Haare im Nacken fast schon gefrieren, also zog er schnell seine Kapuze über, schließlich wollte er nicht krank werden. Unglaublich das Hinata diesen Weg jeden Tag zur Schule fuhr, zwar fuhr er mit dem Fahrrad und lief nicht wie er zu Fuß, trotzdem war es eine reife Leistung. Inzwischen war er endlich am Fuß des Berges angekommen. Bergab zu joggen war zwar nicht so anstrengend wie bergauf, aber er würde es bestimmt später in seinen Waden spüren.
Beflügelt legte er die letzten Meter zu seinem Haus zurück und kramte schonmal in seiner Jackentasche nach dem Schlüssel. Als er stehen blieb um aufzusperren, spürte er das befriedigende brennen in seinen Oberschenkeln und das kalte Prickeln auf seiner Haut.
Drinnen zog er schnell seine Schuhe aus und beeilte sich unter die Dusche zu kommen.
Das ausnahmsweise warme Wasser brannte auf seiner kühlen Haut und taute ihn von innen auf. Er strich mit geschlossenen Augen über seine kribbelnden Oberschenkel die einfach nicht warm werden wollten. Dabei stellte er sich vor wie das wesentlich kleinere Hände machen würden und sofort wurde ihm ziemlich heiß und das hatte nichts mit der Temperatur des Wassers zu tun. In seinem Kopf formten sich Bilder von orangenen Haaren die vor ihm knieten, kleine Hände die sich in seine Oberschenkel krallten und unglaublich weiche Lippen die..
Etwas erschrocken über diese eindeutigen Gedanken, öffnete er die Augen. Noch vor ein paar Wochen war er bei solchen Vorstellungen wütend geworden, doch nun lies er seinen Gedanken einfach freien Lauf und beeilte sich seine steigende Erregung so schnell wie möglich los zu werden, da er nicht genau wusste wie lang er noch Zeit hatte.

Eine halbe Stunde später stand er vor seinem Kleiderschrank. Eine schwarze Boxershort, schwarze Jeans und ein dunkelblaues T-shirt sollten es heute sein. Die Uhr zeigte halb zwei, also eine halbe Stunde noch. Irgendwie fröhlich aber mit steigender Anspannung ging er die Treppe herunter und in die Küche, in der es schon wunderbar köstlich nach dampfendem Gemüse, Austernsauce und gebratenem Fleisch roch.
Zu besonderen Anlässen konnte seine Mutter wirklich die leckersten Gerichte zubereiten und es hätte alles so harmonisch wirken können, wenn keine so kühle Stimmung in der Luft liegen würde. Seine Mutter war eine gute Hausfrau, das Haus war geschmackvoll eingerichtet, alles war sauber und aufgeräumt und sie hatte alles im Griff. Trotzdem hatte sie sich nie dafür entschieden zu Hause zu bleiben, sondern hatte ihre eigene Karriere selbst nach der Hochzeit immer weiter verfolgt und war sehr erfolgreich inzwischen. In seiner Kindheit war er deswegen von zahlreichen Babysittern betreut worden, zu denen er aber nie eine Beziehung aufgebaut hatte. Mit zwölf war er das erste Mal mehrere Tage allein zuhause geblieben und von da an war die Beziehung zu seinen Eltern immer dürftiger geworden. Er respektierte sie zwar und bewunderte sie für ihren Erfolg und es hatte ihm auch nie an etwas gefehlt, doch eine liebevolle Bindung zu ihnen hatte er irgendwie nie richtig aufbauen können. Das wurde ihm jetzt mehr und mehr bewusst, nachdem er gesehen hatte wie Shouyo mit seiner Mutter umging. Diese kleinen liebevollen Berührungen, das ehrliche Lächeln und das Interesse an ihrem Kind, hatte ihm offenbart wie eine Mutter sein konnte und hatte ihm deutlich gemacht was für Unterschiede zwischen ihnen herrschten.
Neugierig schielte er über die Schulter seiner Mutter die ein wenig kleiner war als er und leckte sich die Lippen. "Das Essen dauert noch ein wenig Tobio, aber du solltest schonmal den Tisch decken, dein Vater ist mal wieder in seinem Arbeitszimmer versumpft, eigentlich wollte er nur schnell eine Telefonnummer raussuchen. Typisch. Wieder bleibt alles an mir hängen."
"Du wolltest doch dieses Essen veranstalten", erinnerte er sie, bereute es aber im nächsten Moment. "Natürlich, das gehört sich auch. Sie sollen nicht denken das wir unseren Sohn bei Wildfremden übernachten lassen und uns nicht angemessen dafür bedanken. Weißt du, das stellt uns in ein ziemlich trübes Licht Tobio. Du hättest hier alles gehabt,  die Heizung war an, Essen wäre im Gefrierfach und wir wären ja eh vor Mittag daheim gewesen."
Seine Mutter schien wirklich angefressen zu sein und schaffte es doch tatsächlich ihm ein schlechtes Gewissen einzureden.
"Es tut mir leid Mutter, ich wollte nicht respektlos sein, ich wollte nur nicht unhöfflich wirken und ihr großzügiges Angebot ablehnen", erklärte er und seine fröhliche Stimmung ging allmählich den Bach runter.
"Ist schon in Ordnung". Sie drehte sich kurz zu ihm und auf ihren Lippen lag ein unsicheres Lächeln, das aussah als müsste sie sich erst daran erinnern wie das ging, lächeln.
"Kannst du jetzt trotzdem den Tisch decken"?

Eine Stunde später

Sie saßen alle um den reichgedeckten Tisch, seine Mutter hatte jedem von ihnen eine ordentliche Portion aufgetan und bei einer sehr verhaltenen Stille aßen sie nun.
"Man ist das lecker, Mama kannst du das auch mal kochen", durchschnitt Natsus helle freudige Stimme die angespannte Stimmung und für einen kurzen Moment erstarrte Frau Kageyama, lächelte dann jedoch.
Tobio warf Shouyo einen Blick zu der seine Nervosität nicht annähernd beschrieb, doch der ältere der ihm gegenüber saß, lächelte blos und nahm ihm etwas seine Bedenken.
"Es ist wirklich sehr gut, danke nochmal für die Einladung Frau Kageyama und natürlich auch ihnen Herr Kageyama wir freuen uns sehr hier zu sein", bestätigte Frau Hinata mit einem aufrichtigen zurückhaltenen Lächeln.
Seine Mutter entspannte sich neben ihm bei diesen Worten und wirkte mit sich sehr zufrieden. Sein Vater ass weitesgehend still, so wie er es eben immer tat, doch diese Tatsache störte Hinatas Schwester mal so garnicht, sie plapperte einfach drauf los.
"Ja sie haben ein sehr schönes Haus, es ist viel größer als unseres, sie müssen ganz schön viel Geld verdienen oder"?
Herr Kageyama verschluckte sich prompt bei diesen ehrlichen Worten und nahm einen Schluck aus seinem Wasserglas. "Natsu, soetwas fragt man nicht", ermahnte sie Hinatas Mutter und entschuldigte sich gleich dafür, doch sein Vater antwortete: "Ja meine Frau und ich haben eine sehr gute Arbeit und wir arbeiten für unser Geld auch hart und viel".
Zufrieden mit dieser Antwort steckte sich das kleine Mädchen einen Löffel Reis in den Mund und war erstmal still.
Beruhigt konnte auch Tobio weiter essen. Jedes Mal wenn die holprige Konversation in Gang kam, befürchtete er das irgendwas schlimmes passieren würde und immer wieder musste er sich daran erinnern, das es nur ein Essen zwischen zwei Familien war und nicht die letzte Henkersmahlzeit. Trotzdem musste er sich wahnsinnig anstrengen, seine zitternden Finger unter Kontrolle zu halten.
"Darf ich fragen was genau sie arbeiten Frau Hinata", fragte seine Mutter neugierig, doch er wusste das sie ihr diese Frage aus ganz anderen Gründen als Neugier stellte. Für sie waren Frauen die nur zu Hause waren, einfach zu faul zu arbeiten. Oh Gott das würde Diskussionen geben.
"Nun derzeit bin ich Hausfrau, solange meine Tochter noch nicht zur Schule geht, möchte ich für sie da sein. Der Vater der beiden arbeitet in Deutschland und konstruiert in einer Fabrik Maschinenbauteile, er versorgt uns und besucht uns ein paar Mal im Jahr. "
 "In Deutschland, das ist ja wirklich sehr weit weg und er lebt dort allein?"
"Schatz ist das nicht etwas zu privat", schaltete sich plötzlich sein Vater ein und Tobio war froh darüber, denn sonst hätte er es getan.
"Entschuligung, ich wollte nicht unhöfflich sein".
"Ist schon in Ordnung. Falls sie wissen möchten, ob er dort eine andere Frau hat, nun wir sind seit der Geburt von Natsu einvernehmlich geschieden, verstehen uns aber sehr gut, ob er nochmal geheiratet hat kann ich leider nicht sagen".
Gut das Hinatas Mutter so ruhig reagierte und sich nicht anstacheln lässt dachte Tobio bewundernd und sehnte sich jetzt schon nach dem Ende dieser Mahlzeit.
"Interessant. "
Eine Weile blieb es still und man hörte nur das leise klappern der Stäbchen am Tisch, bis Shoyo sich noch ein weiteres Mal Reis auf den Teller geben wollte. Tobio beobachtete ihn und sah das seine Hand ebenfalls zitterte und es passierte wie es kommen musste, mit einer ungelenken Bewegung stieß er das Wasserglas seiner Mutter um, die daraufhin zurückwich und ihren Löffel herunter schmiss.
Typisch Hinata, Trottel.
"Oh Entschuldige Mama".
Schnell richtete er das Gals wieder auf.
"Ist schon gut, das kann mal passieren", beruhigte sie ihn.
"Soll ich ein Tuch holen", fragte daraufhin seine Mutter und verschwand bereits in der Küche.
"Mir ist das heute morgen erst mit der Milch passiert, da hast du geschimpft", meinte Natsu patzig und fing an sich mit ihrer Mutter darüber zu streiten, was der Unterschied zwischen einem Versehen und einem Unfall war, der dadurch entstanden war, das sie mit ihrer Puppe am Esstisch gespielt hatte.
Shoyo war inzwischen abgetaucht um den Löffel zu suchen und Frau Kageyama hatte damit begonnen den Tisch mit einem Geschirrtuch trocken zu tupfen.
Totales Chaos also. Tobio schloss genervt die Augen, er hatte gewusst das das in einer Katastrophe enden würde, aber nicht das es nicht mal bis zur Nachspeise dauern würde.
Gerade tauchte Hinata mit einem triumpfierenden Lächeln schwungvoll unter dem Tisch auf, während seine Mutter den Rest des Wassers beseitigte und Frau Hinata eine zusätzliche Serviette anbot. Da hörte er aufeinmal den Satz: "Das ist aber eine schöne Kette".
Ihm blieb das Herz stehen. Kette? Oh Scheiße, das konnte nichts gutes bedeuten.




kagehina kribbeln im BauchNơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ