03 | Fluchtreflex

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     ... oder wie wir uns gegenseitig im Meer ertränken wollten.

 oder wie wir uns gegenseitig im Meer ertränken wollten

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     DIE NACHTLUFT KLIRRT. Jeder merkt, dass etwas in der Luft liegt, nur wissen die meisten Menschen einfach nicht, was in der Luft liegen soll. Sie werden für einige Sekunden mit zusammengekniffenen Augen und einer Furche zwischen den Augenbrauen am Fenster stehen und in die Dunkelheit blicken, bevor sie einen weiteren Schluck ihres Rotweins zu sich nehmen und wieder vor den Fernseher treten.

     Zeitgleich streunen vier junge Menschen durch das dunkle Gestrüpp, während der dünne Strich des Mondes absolut gar keine Lichtquelle darstellt und das genervte Fluchen besagter Personen die nachtaktiven Lebewesen verschreckt.

     «Ey, wessen Scheißidee war es bitte, durch den Wald zu gehen? Wir hätten die Straße nehmen können», zischt Mathea und streckt die Hände aus, um die Äste, durch die Ajax sich gerade kämpft, nicht ins Gesicht zu bekommen.

     Aber man kennt das Problem: der Wald hat andere Pläne und so trägt jeder von uns bereits nach einigen Minuten Kratzer auf der Haut mit sich herum, wobei die allgemeine Laune ins negative Unendliche sinkt.

     Seufzend muss auch ich mir eingestehen, dass es nicht unsere beste Idee gewesen ist. Am Ende ist man ja bekanntlich immer schlauer.

     «Irgendwie hatte ich mir das cooler vorgestellt», ertönt Lovis' enttäuschtes Murren von hinten. «Mehr so Horrofilm mäßig.»

     Schnaubend gibt Mathea ihr Missfallen kund. «Fehlt nur noch der Serienmörder, huh?»

     «Ich mein's ernst», beschwert mein Bruder sich und man hört deutlich, dass er beleidigt ist – wieso auch immer.

     «Ich auch», erwidert meine beste Freundin. «Aber was hast du denn erwartet? Gruselige Musik vermischt mit dem verheißungsvollen Geschrei der Eulen und dem Rauschen des Flusses, worin der Mörder die Opfer ertränken wird?»

      Theatralisch erhebt sie ihre Stimme und breitet die Arme aus.

     «Was für ein Film war das denn bitte?», erkundige ich mich mit hochgezogenen Augenbrauen und bahne mir weiter einen Weg durch das nachtdunkle Gestrüpp.

     «Ein schlechter», ertönt Lovis' grummelnde Einschätzung - er schmollt noch immer.

     «Wisst ihr», beginnt Ajax mit nachdenklicher Stimme, «ich hatte immer eine Lieblingsstelle in solchen Filmen.»

     «Lass mich raten: wenn die Opfer ertränkt wurden», meint Lovis ironisch und ich kann beinahe hören, wie er seine grünen Augen mit den feinen, blauen Sprenkeln verdreht.

     «Nein», erwidert Ajax nüchtern. «Ich mochte es immer, wenn die ganzen unwichtigen Nebencharaktere ihre Klappe gehalten haben.»

     Kurz legt sich Schweigen über unsere Gruppe, bis Mathea dieses unterbricht: «Ich find's irgendwie seltsam, dass deine Lieblingsszenen die sind, in denen du nichts zu tun hast. Dabei stehst du doch sonst so gerne im Mittelpunkt.»

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