23 | Glühwürmchen

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     ... oder wie die Realität uns ausrufen ließ.

 oder wie die Realität uns ausrufen ließ

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     LEBEN IST WUNDERSCHÖN. Das ist der erste Gedanke, der mir durch den Kopf geht, als ich aufwache und stumm an die weiße Decke starre, während sich neben mir Ajax' Oberkörper in regelmäßigen Abständen hebt und senkt. Sein leiser Atem streift meine Wange, aber ich spüre es kaum, lausche stattdessen, wie sich das leise Rauschen des Windes mit seinen langsamen Atemzügen vermischt.

     Alles, woran ich denken kann, ist, dass es vorbei ist. Dass heute der letzte Tag unserer Reise ist und wir zurückfahren müssen. Theoretisch geht der Weg noch weiter, aber nicht mehr voran, sondern zurück und das macht ihn für mich irgendwie zu dem Gegenteil von einem Weg.

     Ich weiß nicht genau, wie lange ich auf dem Rücken liege und ins Nichts starre. Es scheint, als würden all die Eindrücke der letzten Wochen mich nun einholen und festhalten. Als hätte ich zum Beginn unserer Reise einen Kinosaal betreten und jetzt ist der Film plötzlich vorbei und die Lichter gehen an, während der Abspann beginnt.

     Irgendwann – und ich weiß wirklich nicht, wie viel Zeit zwischen dem Aufwachen und Aufstehen verstrichen ist – winde ich mich so unauffällig und vorsichtig wie möglich aus Ajax' Umarmung und gleite aus dem Bett. Ein kühlerer Windstoß fährt durch das halb geöffnete Fenster, wirbelt die feinen weißen Gardinen in die Luft, bevor sie wie Geister wieder nach unten segeln.

     Meine nackten Füßen berühren den Holzboden und auf Zehenspitzen schleiche ich aus dem Schlafzimmer und Richtung Balkon, um die ersten Sonnenstrahlen genießen zu können. Werfe zum ersten Mal in den vergangenen Tagen keinen letzten Blick über die Schulter, um in das friedliche Gesicht des Franzosen blicken zu können.

     Die Sonne muss erst vor kurzer Zeit aufgegangen sein. Als ich aufgewacht bin, haben noch keine Lichtstrahlen ihren Weg durch die Vorhänge gefunden, aber mittlerweile nimmt sogar schon das Wohnzimmer die Farbe von mildem Gold an.

     Kurzerhand entschließe ich mich, dass ich weiter will, als nur bis auf den Balkon. Dass ich mehr Freiheit fühlen will. Also husche ich zurück in das Schlafzimmer, in dem der Franzose noch immer ungestört schläft. Und während ich meine kurze Schlafhose gegen eine Jogginghose eintausche, mir Ajax' Pulli über den Kopf ziehe und in meine Vans schlüpfe, frage ich mich, wann ich das letzte Mal allein war.

     In den vergangenen Wochen hatte ich nicht einmal das Bedürfnis, mich zurückziehen zu müssen. Nicht wirklich. Denn alles, was ich brauche, sind die drei Chaoten, mit denen ich diese Reise angetreten habe. Aber als ich möglichst lautlos die Wohnungstür hinter mir schließe und das Haus verlasse, fällt mir auf, dass Einsamkeit sehr beruhigend sein kann. Sehr ausfüllend.

     Meine Füße tragen mich zum Hafen, der in der Morgensonne unerwartet still vor mir liegt. Auf meinem kurzen Weg begegnet mir niemand, nur, als ich der Promenade zu folgen beginne, passiere ich einige wenige Menschen, die den Tag ebenfalls früh begonnen haben.

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