Kapitel 12

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„Der einzige Sieg über Liebe ist Flucht." - Napoléon Bonaparte

Langsam und vorsichtig berührten sich unsere Lippen und führten einen sachten Tanz aus. Ich hatte meine Augen geschlossen und gab mich voll und ganz diesem unglaublich guten Gefühl hin. Über all in meinem Körper kribbelte es und ich fühlte mich vollkommen frei.

Oliver griff mit einer Hand in meinen Nacken, um mich noch näher an ihn heran zu ziehen. Auch ich wurde mutiger und legte meine Hand auf seine Wange. Sofort schien es, als würde er sich dagegen schmiegen und unser Kuss intensivierte sich. Ein wohliger Seufzer verließ meine Lippen.

Ich fühlte mich nicht nur vollkommen frei, nein. In seinen Armen konnte ich endlich das erste mal so etwas wie Sicherheit und Geborgenheit spüren.

Lange konnte ich diese überwältigten Gefühle jedoch nicht auf mich einwirken lassen, denn das Klingeln eines Handys durchschnitt die Stimmung zwischen uns. Dieses mal war es nicht Olivers Handy, was klingelte. „Oh ... dieses Mal scheine ich gefragt zu sein", lachte ich verlegen und kramte nach meinem Handy, was hier doch irgendwo liegen musste. Immer noch spürte ich, wie meine Wangen leicht rot angelaufen waren. Oliver sagte nichts und wand seinen Blick von mir ab.

Als ich mein Handy gefunden hatte, sah ich, dass meine Schwester versucht hatte, mich zu erreichen. Ich rief sie zurück, da sie es bereits aufgegeben hatte.

„Feya, endlich", begrüßte mich meine Schwester leicht angespannt. „Hava, auch schön von dir zu hören", antwortete ich sarkastisch, „Was gibt es denn?" Sie würde sich wahrscheinlich niemals vorstellen können, bei was sie mich gerade unterbrochen hatte. Mit wem sie mich gerade unterbrochen hatte.

„Ich hatte doch gerade dieses Gespräch", deutete sie an. „Ja? Und? War es so, wie ich es dir gesagt habe?", fragte ich und lief etwas von Oliver weg. Er musste ja nicht gleich alles mitbekommen, auch wenn wir uns gerade geküsst hatten und uns somit näher gekommen waren.

„Naja ... Wie soll ich das sagen? Unsere neuen ‚Freunde' scheinen nicht die zu sein, für die wir sie halten", ließ sie verlauten und ich drehte mich mit einem verwirrten Gesichtsausdruck zu Oliver hin, um ihn von der Seite zu mustern. Er war immer noch von mir weggedreht und schaute nachdenklich auf die Stadt.

„Äh ... Ich kann dir nicht ganz folgen", gestand ich meiner Schwester. „Sicherlich kannst du dich noch an Felicity erinnern", sagte sie und ohne dass ich hätte antworten können, sprach sie weiter, „Sie ist die Geschäftsleiterin von Palmer Technologies! Kannst du das fassen?" Sie klang aufgebracht.

„Was?", das klang ehrlich gesagt sogar für mich etwas zu verrückt. „Ja! Als ich in die Chefetage bin, saß sie an diesem riesigen Tisch. Zu erst war ich echt überrascht, sie ausgerechnet hier zu sehen, aber dann sagte sie mir, dass sie die Chefin war. Weißt du wie veralbert ich mir vorkam?", wollte sie wissen. „Naja ... Jetzt macht es auch Sinn, dass sie dir damals so auf die Pelle gerückt ist. Sie wollte dich einfach besser kennen lernen, so als neue Angestellte."

Ehrlich gesagt fand ich es nicht mal so schlimm, dass Felicity Havas Chefin war. So kannte man sich wenigstens ein bisschen.

„So dreist", beschwerte sie sich und ließ noch ein paar Flüche raus, denen ich aber keine wirkliche Beachtung mehr schenkte. Viel mehr konzentrierte ich mich auf den Mann vor mir. „Ähm Hava", unterbrach ich ihren Redeschwall, „Es ist gerade etwas ungünstig ... Reden wir später weiter." Murrend stimmte sie mir zu. Wir beide mussten so oder so miteinander sprechen, denn auch sie musste unbedingt erfahren, dass er wieder in der Stadt war.

Nachdem ich aufgelegt hatte, ging ich langsam wieder auf Oliver zu. Er schaute noch immer nachdenklich aus dem Zimmer. Irgendwas schien ihn wirklich sehr zu beschäftigen und dass ihn das direkt nach unserem Kuss zu denken gab, machte mich leicht nervös.

„Oliver?", sprach ich ihn rücksichtsvoll an. Er war so tief in Gedanken, dass er kurz seinen Kopf schüttelte, ehe er sich wieder zu mir drehte. „Oh Sorry, ich war gerade etwas in Gedanken", entschuldigte er sich und irgendwie wirkte er auf einmal sehr mitgenommen. „Ist alles in Ordnung?", wollte ich von ihm wissen, was er sofort bejahte. „Es ist alles gut, mach dir keine Sorgen", beruhigte er mich, „ähm ... Es ist spät geworden. Vielleicht solltest du wieder nach Hause gehen."

Verwirrt von seinem plötzlichen Verhalten griff ich nach meinen Sachen, um mich auf den Weg nach Hause zu machen. Irgendwas schien ihn zu belasten. Sah er unseren Kuss etwa als Fehler an? Ein unwohles Gefühl machte sich in mir breit und ich fühlte bittere Enttäuschung.

„Ja ... vielleicht ist das wirklich besser", sagte ich trocken und ging zu seiner Apartmenttür, ohne mich noch einmal zu ihm umzudrehen. Erst als ich die Tür öffnete, warf ich nochmal einen Blick zu ihm. Er machte keine Anstalten mir ‚Auf Wiedersehen' oder ähnliches zu sagen.

Enttäuscht von dem heutigen Tag saß ich nun zu Hause und wartete sehnsüchtig auf Hava, die heute ziemlich auf sich warten ließ. Erst spät am Abend hörte ich, wie sie die Tür öffnete und in unser Apartment kam.

„Sorry, dass ich so spät komme, aber ich wurde noch aufgehalten", entschuldigte sie sich und schaute mich dann komisch an. Sie bemerkte meinen nachdenklichen enttäuschten Blick. „Ist alles gut bei dir? Wie lief das Gespräch heute mit Oliver?", wollte sie sofort von mir wissen. Ich zuckte mit den Schultern.

„Hava ... Ich muss dir was sagen", eröffnete ich ihr ernst. Sofort spannte sie sich an und schaute mich eben so ernst an, wie ich sie. „Alvin ist hier", sagte ich leise und sie hielt geschockt den Atem an. Jegliche Farbe wich aus ihrem Gesicht und geschockt hatte sie die Augen aufgerissen.

„Was?", fragte sie nach und konnte meinen Worten scheinbar keinen Glauben schenken. „Ja ... Er war plötzlich in dem Café, wo ich auf Oliver gewartet habe. Er hat mich angesprochen, wollte mich sogar anfassen", berichtete ich ihr, was vorgefallen war. Auch von meiner Flucht und dem anschließenden Besuch bei Oliver erzählte ich ihr.

Still hörte sie mir zu, unterbrach mich kein einziges mal, denn sie war immer noch geschockt. Sie konnte sich noch nicht mal für den Kuss richtig begeistern, denn auch sie hatte damals mit Alvin die Hölle durchlebt.

„Ich kann es einfach nicht glauben", sagte sie und fuhr sich gestresst mit den Händen durch die Haare und stand vom Sofa auf, „Ich dachte wir wären ihn los." Ich ließ meine Schultern sinken. „Das dachte ich auch." „Verdammt was machen wir denn nun?" Stille. Keiner von uns beiden hatte eine vernünftige Idee, was wir nun machen sollten.

„Vielleicht wäre es nun wirklich besser, wenn wir von hier wieder verschwinden würden."

Arrow's BubbleWhere stories live. Discover now