Kapitel 31

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„Die Zeichen, die die Menschen setzen, sind viel zu oft Narben." - John Green

Eine enorme Hitze weckte mich aus einem himmlischen Schlaf. Es dauerte einen Moment, ehe ich die Orientierung wiedergewonnen hatte und wusste, wo ich mich nun befand.

Ich lag in Olivers Bett.

Ein Blick auf die andere Bettseite verriet mir, dass die Wärmequelle Oliver war, dessen Körper meinen quasi mit seinem vereinigte. Ich dachte an die vergangen Stunden zurück, die wahrscheinlich zu den besten Momenten meines ganzen Lebens zählten. Dies zauberte automatisch ein riesiges Lächeln auf meine Lippen.

Unglaublich, dass mich dieser unfassbar gut aussehende Mann eben so begehrte, wie ich ihn. Es kam mir noch immer so vor, als würde ich seine himmlischen Lippen auf jeder einzelnen Stelle meines Körpers spüren.

Draußen war es stockdunkel. Nur die Lichter der einzelnen Häuser erhellten die dunkle Nacht und spendeten dem Schlafzimmer ein wenig Licht. Ich warf einen Blick auf die Uhr. Es war wirklich mitten in der Nacht.

Ich versuchte mich wieder bequem hinzulegen, um diesen Moment bis ins Kleinste auszukosten, ehe dann morgen wieder die bittere Realität auf uns einbrechen würde und wir vielleicht wieder die ein oder andere Krise abbekamen.

So sehr ich es jedoch versuchte, um so schlimmer wurde es. Ich konnte einfach kein Auge mehr zu machen. Ich fühlte mich hell wach und komplett fit.

Durch meine unruhigen Bewegungen schien auch nun Oliver aus seinem Schlaf zu erwachen. Er drehte sich auf den Rücken, ehe er die Augen öffnete und einfach nur stumm nach oben blickte.

„Sorry, dass ich dich geweckt habe", entschuldigte ich mich wirklich aufrichtig. Das war wirklich das letzte, was ich gewollt hatte. Wegen mir war er aus seinem mehr als nur verdienten Schlaf erwacht.

„Nicht schlimm", erwiderte er knapp und klang dabei ein wenig kühl. Hatte ich irgendwas falsch gemacht? Sofort legte sich ein tonnenschweren Brocken auf mein Herz.

„Ist irgendwas? Habe ich irgendwas falsch gemacht?", wollte ich nun vorsichtig wissen, da er immer noch nichts weiter gesagt hatte und auch sonst keine weiteren Anstalten machte, irgendwas zu sagen. Beinah kam ich mir schon komplett unerwünscht vor. Insgeheim hatte ich mir das gemeinsame Aufwachen ein wenig anders vorgestellt.

„Nein, alles gut", antwortete er. Doch irgendwas an seiner Stimme verriet mir, dass genau das nicht der Fall war. Unsicher kaute ich mir auf meiner Lippe herum und wandte meinen Blick wieder von ihm ab. Sein nackter Oberkörper brachte mich völlig um den Verstand. Am liebsten würde ich mit meinen Fingern jeden Quadratzentimeter abfahren und dabei seine Reaktionen genauestens beobachten, aber ich glaubte, dass das in diesem Moment mehr als nur unangebracht wäre.

Ich räusperte mich, um unter anderem auch auf andere Gedanken zu kommen. „Ich werde ins Bad gehen", sagte ich leise und stand auf. Plötzlich kam mir alles so kalt und unsicher vor. Die Geborgenheit und die Wärme, die ich noch eben neben ihm in seinem Bett vernommen hatte, war wie weggewischt.

Etwas niedergeschlagen schnappte ich mir mein T-Shirt, welches am Boden lag und machte ich mich also auf zum Bad, um mir kaltes Wasser ins Gesicht zu spritzen. Was hatte er denn auf einmal nur? Er bereute doch nicht etwa diese gemeinsame Nacht? Ich fand sie mehr als nur wunderschön und eigentlich hatte ich gedacht, dass dies auf Gegenseitigkeit beruhte.

Nachdem ich meine Gedanken wieder einiger Maßen sortiert hatte, ging ich wieder zurück in sein Schlafzimmer. Dort war Oliver gerade dabei, sich eines seiner T-Shirts überzuziehen. Zwar sagte er nichts, aber ich merkte einfach, dass er jetzt lieber allein sein wollte.

„Ähm ... Ich denke es ist besser, wenn ich jetzt wieder gehe?", es klang eher wie eine Frage, als eine Feststellung, denn immerhin keimte noch ein wenig Hoffnung in mir, dass er mir gleich sagen würde, er wollte mich noch hier haben. Entgegen jeder Erwartung, erwiderte er jedoch nur ein leises „ja", ehe er sich wieder von mir abwendete und nachdenklich aus dem Fenster sah.

Massige Enttäuschung breitete sich in meinem gesamten Körper aus und ließ mich auf einmal wieder schlapp fühlen. Mein Herz schmerzte, so als hätte er es mit einer Hand hinausgerissen und dann einfach ohne weiteres zerquetscht.

Leise schlich ich mich wieder zurück in mein Apartment, darauf bedacht, Hava nicht zu wecken. Es war stockdunkel bei uns zu Hause, doch ich war nicht in der Stimmung, jetzt das Licht an zu machen, denn irgendwie passte das gerade dazu, wie ich mich fühlte und wie es in meinem Inneren aussah.

Missmutig machte ich es mir auf dem Sofa bequem. Gleichzeitig musste ich mir auch noch eine passende Ausrede einfallen lassen, die ich morgen Hava vorführen würde, damit ich ihr nicht von meinem kleinen Techtelmechtel mit Oliver erzählen musste, was sich im Nachhinein als eine bittere Enttäuschung herausstellte.

•••

Die Tage und Wochen vergingen wie im Flug. Beinah wirkte die Zeit für mich schon vollkommen unrealistisch, da ich mir wie Unterwasser vorkam. Oliver hatte seit dem Abend kein Wort mehr mit mir wirklich gewechselt. Außer natürlich die normalen Floskeln, um den freundschaftlichen Schein vor den anderen zur wahren.

Ich kann nicht abstreiten, dass dies mich mehr als nur schlimm verletzte. Ich hatte das Gefühl, dass er einfach mein Herz herausgerissen hatte, um es einfach vor meinen Augen zu zertrümmern. Nie hätte ich gedacht, dass er zu solch einem Monster mutieren würde.

Zwar hatte er mich nie drum gebeten, aber ich wusste, dass er es nicht begrüßen würde, wenn ich irgendjemanden von der Sache zwischen uns erzählen würde. Also beließ ich es dabei. Wenn ich ihn schon nicht auf diese Art und Weise haben konnte, dann wollte ich ihn wenigstens nicht als Freund verlieren.

„Feya?", meine Kollegin Ana fuchtelte mit ihrer Hand vor meinen Augen herum. Ich erschrak aus meinen Gedanken. „Ich weiß nicht, ob die Chefin das begrüßt, wenn du gleich hier in deiner ersten Woche gedankenverloren am Tresen hockst, obwohl du neue Kunden bedienen könntest", lachte sie und strahlte mich dabei glücklich mit ihren hellen blauen Augen an. Sie war einfach ein Mensch, der 24/7 am Lachen war.

„Oh, sorry, tut mir Leid", entschuldigte ich mich noch völlig neben der Spur bei ihr und richtete mich wieder auf. Anscheinend war ich wirklich ein wenig in meiner eigenen kleinen Welt versunken.

Immer noch strahlte sie mich an. „Kein Ding, es ist nur ein neuer Kunde gekommen. Gleich dahinten an Tisch 6", teilte sie mir nur schnell eben mit, bevor sie selbst zu einem der Tische ging.

Mein Blick scannte das kleine Café ab, in dem ich seit ein paar Tagen arbeitete, um wenigstens etwas Geld mit nach Hause zu bringen. Es war zwar nicht das, was ich mir unter einem wirklich guten Job für mich vorstellte, aber für den Übergang musste es reichen.

Schließlich blieb ich am besagten Tisch 6 mit meinem Blick hängen, um dem Kunden entgegen zu blicken. Doch das, was ich dann erkannte, ließ mich mein Blut in den Adern gefrieren.

Eiskalte Augen blickten mir schelmisch grinsend entgegen.

Alvin.

Arrow's BubbleWhere stories live. Discover now