Kapitel 13

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„Entweder du sprichst es aus und riskierst, alles zu zerstören. Oder du frisst es in dich rein und zerstörst dich selber."

Stille hatte sich über uns gelegt. Ich konnte erkennen, wie Hava ernsthaft über meine Worte nachdachte. Fast schon glaubte ich, dass sie meinem Vorschlag zustimmen würde, doch dann sagte sie: „Nein Feya, das ist nicht richtig. Er wird uns immer und immer wieder finden. Wenn wir nicht endlich was unternehmen, dann werden wir ihn nie los."

Entsetzt sah ich sie an. Wie kam sie bitte auf die seltsame Idee, dass wir etwas gegen Alvin ausrichten konnten?

„Wir sind nicht mehr alleine, Feya", sagte sie schließlich. Wieder wurde es still. Ich starrte meine Schwester einfach nur so an. „Wir können niemanden in die Sache einfach so reinziehen", stellte ich fest. Ich wollte niemanden in die Sache mit reinziehen und dann womöglich noch dessen Leben gefährden.

Hava lachte auf und fuhr sich gestresst durch die Haare. „Oliver ist der verdammte Bürgermeister. Er wird uns sicherlich helfen können", antwortete sie. Fassungslos starrte ich sie an. „Nein, auf gar keinen Fall", erwiderte ich wütend. „Nicht, nachdem er heute so komisch reagiert hatte. Irgendwas ist da und ich will ihn jetzt nicht auch noch mit meinem Kram belästigen." „Tja, dann wäre es besser, wenn du das Problem mit ihm schnellstmöglich in den Griff bekommst, bevor es morgen Abend komisch zwischen euch wird", sagte sie und ließ es beinah gleichgültig klingen. „Warte was?" „Felicity hat uns heute bei dem Gespräch für ein Abendessen morgen eingeladen. Ich gehe ganz stark davon aus, dass auch Oliver da sein wird."

Ich musste schlucken. Das hieß, dass mir nur noch ein Tag blieb, um die ganze Sache mit Oliver zu klären, dabei wollte ich ihm einfach aus dem Weg gehen, in der Hoffnung, dass er den Kuss so schnell wie möglich wieder vergessen würde.

Hava sah mich mit einem ernsten Blick an. „Du musst das, was da zwischen euch passiert ist, mit ihm klären und zwar nicht nur wegen dem Essen sondern auch wegen dir selbst. Ich sehe doch jetzt schon, wie dich das fertig macht." Ich nickte. Sie hatte recht.

Schon am nächsten Morgen hatte ich beschlossen Oliver gleich nach dem Aufstehen eine SMS zu schreiben, in der ich ihm um ein Treffen bat. Doch auch nach mehreren Stunden erhielt ich kein Lebenszeichen. Viel Zeit um das zu klären, würden wir nicht mehr haben.

So beschloss ich am Nachmittag bei ihm einfach zu klingeln. Es regte sich jedoch nichts. Wahrscheinlich war er noch im Rathaus. Das sollte mein Vorhaben nicht beenden. Entschlossen entschied ich kurzerhand dazu, ihm einen Besuch im Rathaus abzustatten.

Mit dem nächstbesten Bus fuhr ich also nun zu ihm. Mich beschlich jedoch dieses komische Gefühl, beobachtet zu werden. Immer wieder versuchte ich mich unauffällig umzusehen, erkannte jedoch nichts. Die Tatsache mit Alvin machte mich schon ganz paranoid.

Als ich endlich das Rathaus erreichte, durchströmte mich eine Welle der Sicherheit und Geborgenheit. Auch dieses komische Kribbeln machte sich wieder in meinem Bauch breit. Er musste hier sein. Schnell erkundigte ich mich nach ihm am Empfang. Die Dame blickte mir etwas misstrauisch entgegen, doch davon ließ ich mich nicht unterkriegen.

Nachdem ich endlich wusste, wie ich zu seinem Büro kam, trugen mich meine Beine schnell in die genannte Richtung. Ich wurde nervös. Was er wohl sagen würde? War ich bereit mir irgendwelche schlimmen Dinge anzuhören, für die ich vielleicht noch ganz nicht bereit war?

Ich klopfte an. Einige Sekunden hörte ich nichts. War er überhaupt hier? Doch dann wurde mir die Tür ein Spalt breit geöffnet. Ein in einem schicken Anzug gekleideter Oliver blickte mir überrascht und leicht nervös entgegen. „Feya, was machst du denn hier?", wollte er geschockt von mir wissen. Unsicher biss ich auf meine Unterlippe. „Ähm ... Ich wollte eigentlich mit dir reden?", unsicher schaute ich leicht zu ihm nach oben.

Er wirkte auf einmal unsicher und blickte kurz hinter ihn. „Also ... naja, wenn es dir nicht passt, dann regeln wir das einfach ein anderes mal?" „Nein, nein, ich muss eben nur schnell hier die Besprechung zu Ende führen", antwortete er nun endlich und trat aus der Tür, die er aber sofort wieder hinter sich schloss. Anscheinend war er gerade nicht allein.

Er griff nach meiner Hand und das Kribbeln in meinem Magen nahm noch mehr zu. Ich wusste gar nicht, dass es noch zu steigern ging. Oliver führte mich in ein kleines Büro, welches direkt neben seinem war. Hier waren wir allein und ungestört.

„Wenn es dir nichts ausmacht vielleicht hier mal kurz einen Moment zu warten, ich muss schnell noch nebenan was zu Ende bringen", erklärte er mir ruhig, aber ich konnte erkennen, dass er tief in seinem Inneren sehr angespannt war. Er hatte es wahrscheinlich gerade mit einem schwierigen Gesprächspartner zu tun. Ich nickte und schon verschwand er durch die Mitteltür zurück in sein Büro.

Nachdem die Tür hinter seinem Rücken zurück ins Schloss fiel, war es eine Zeit lang ruhig. Nur leises Gemurmel drang durch die Tür zum Nebenzimmer. Etwas verloren sah ich mich um und bemerkte, dass ich mich im Büro von Lance befand. Er war, soweit ich wusste, Olivers Stellvertreter. Plötzlich ertönte von nebenan aufgebrachtes Geschrei, welches ich Oliver zuordnen konnte. Am liebsten wäre ich sofort rüber gegangen, um nachzusehen, ob es ihm gut ging, aber ich riss mich zusammen. In diese Angelegenheiten dürfte ich mich nicht einmischen.

Schlagartig wurde es wieder ruhig und auf einmal öffnete sich die Tür. Oliver hatte zwar ein Lächeln aufgesetzt, aber ich konnte klar und deutlich erkennen, dass er immer noch sehr gestresst war. Allein seine grün-grauen Augen verrieten, dass in ihm ein Sturm aufgebracht tobte.

„So ... Ich bin jetzt fertig, komm doch mit in mein Büro", sagte er und deutete mit einer einladenden Geste hinter sich. Ich zögerte nicht lang und trat in sein Büro ein. Es war deutlich größer als das von seinem Stellvertreter. Außerdem bekam es durch die großen Fenster deutlich mehr Licht und wirkte somit viel freundlicher.

Er bat mich auf einem Sessel vor seinem Schreibtisch Platzzunehmen, bevor er diesen selbst umrundete und sich auf seinem Schreibtischstuhl niederließ.

„Ist alles in Ordnung bei dir?", fragte ich besorgt nach und deutete auf den kleinen Ausraster an. Oliver presste seine Lippen angestrengt aufeinander, versuchte dabei aber immer noch ein sorgloses Gesicht zu machen. Dann nickte er zögerlich mit dem Kopf und schloss die Augen. „Es ist alles gut ... Nur ein bisschen Stress hier auf der Arbeit", antwortete er. So ganz konnte ich ihm keinen Glauben schenken, aber ich hakte nicht weiter nach.

„So und jetzt zu dir. Was gibt es denn?" Nachforschend sah er mich an. „Ja, ich wollte mit dir reden wegen dem, was gestern zwischen uns da vorgefallen ist ...", stammelte ich vor mich. Es war mir ein bisschen unangenehm, das jetzt so direkt zu sagen.

Kurz hielt er inne, schien zu überlegen, was ich meinte, aber dann sackte er in sich zusammen, als ihm bewusst wurde, von was ich redete. „Feya", leicht traurig blickte er mir entgegen. Ich ahnte, dass die folgenden Wörter mich eventuell verletzen könnten, weswegen ich ihn schnell unterbrach.

„Ist schon gut Oliver, es war ein Fehler. Vielleicht können wir uns einfach darauf einigen, Freunde zu bleiben und vergessen den Kuss", schlug ich ihm schnell vor. Erstaunt schaute er mich an. In seinem Blick meinte ich so etwas wie Verwirrung zu erkennen.

Überfordert stieß er die angestaute Luft aus. „Ja ... Okay ... Wenn du möchtest", antwortete er zögerlich. Innerlich war ich natürlich etwas enttäuscht darüber, dass er nicht mal versuchte, noch irgendwas anderes vorzuschlagen. Das ließ ich mir jedoch nicht anmerken und lächelte ihm schwach entgegen.

„Gut, also dann werde ich jetzt mich mal wieder auf den Weg nach Hause machen", teilte ich ihm mit und war gerade dabei aufzustehen, als auf einmal eines seiner großen Fenster zersplitterte.

Ein Schuss.

Ein lautes Rauschen machte sich in meinen Ohren breit. Ich blickte schnell zu Oliver, der mich mit einem eben so geschickten Blick ansah. Doch dann erkannte ich Blut. Dunkelrotes Blut breitete sich auf seinem edlen weißen Hemd aus.

Arrow's BubbleWhere stories live. Discover now