Chapter 80

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Vermutlich zum ersten Mal in meinem Leben bin ich froh darüber, dass keiner von denen, die ich kenne oder mit denen ich befreundet bin, in meiner Klasse ist. Nach der Aktion von Jimin auf der Toilette werde ich ihm wahrscheinlich für eine Weile nicht in die Augen sehen können und da ich weiß, dass ich einen Fehler gemacht habe, wird es mir auch bei Taehyung schwerfallen. Ich weiß, dass ich es nicht hätte zulassen dürfen, aber andererseits will ich Taehyung doch auch keine Probleme bereiten. Die ganze Situation erscheint mir gerade noch verzwickter als zuvor und ich weiß auch nicht, was Taehyungs Geheimwaffe Yoongi daran ändern soll.

Als das Schulklingeln mich in die Mittagspause entlässt, seufze ich leise und packe bemüht langsam meine Sachen zusammen. Jede Minute, die ich gerade noch für mich habe, genieße ich, aber als ich meinen Blick hebe und Jimin grinsend auf der Schwelle zu meinem Klassenzimmer stehen sehe, weiß ich, dass meine Ruhe jetzt wohl vorbei ist.
»Lass uns Mittag essen gehen, Jeonggukkie«, begrüßt er mich, nachdem ich zu ihm getreten bin und gibt mir wieder wie selbstverständlich einen Kuss auf die Wange. Das lasse ich notgedrungen zu, auch wenn mein schlechtes Gewissen Taehyung gegenüber mit jeder Sekunde mehr wächst. 

Also lasse ich mich auch widerstandslos von dem Älteren mitziehen, welcher mir gerade irgendetwas Belangloses von seinem bisherigen Tag erzählt. Auch wenn ich früher immer mit Freuden seinen lustigen Geschichten und auch seiner angenehmen Stimme gelauscht habe, fällt es mir gerade wirklich schwer, einfach abzuschalten und so zu tun, als wäre alles wie immer. Jimin will mit mir gerade die Cafeteria betreten, als sich uns allerdings jemand in den Weg stellt.
Jimins fröhliche Plappereien stellen sich sofort ein und seinem Gesicht von der Seite aus zu urteilen wird ihm wahrscheinlich gerade schlecht. Vor uns steht nämlich niemand anderes als Yoongi, mit dem ich bis dato kein einziges Wort gewechselt habe.

»Ich glaube, wir sollten uns mal unterhalten«, brummt er mit einer tiefen Stimme und in Zusammenhang mit seinem grimmigen Gesichtsausdruck bekomme ich sogar ein wenig Angst vor ihm. Jimin scheint es nicht anders zu ergehen, denn er lässt sogar meine Hand los, so als wolle er nicht, dass Yoongi das sieht. In diesem Augenblick frage ich mich zum ersten Mal, ob Jimin vielleicht noch Gefühle für Yoongi hat. 

»Hey, Yoongi Hyung, schön dich zu sehen«, gibt mein Freund bemüht freundlich von sich, sodass ich ein wenig irritiert meine Stirn runzele. Weiß Yoongi denn eigentlich, was Jimin damals getan hat? »Wir haben uns so lange nicht gesehen und seit du hier bist, hatten wir ja auch noch keine Möglichkeit gehabt, miteinander zu sprechen. Wie geht es dir?«

»Spar dir das«, zischt unser Gegenüber, sodass Jimin sofort zusammenzuckt und meine Hand vermutlich aus einem Reflex heraus ergreift und somit zerquetscht. »Ich habe keine Lust auf deine ewigen Schauspielchen und dass du schon wieder der Grund dafür bist, dass es meinem Cousin schlecht geht, macht mich wütend und kotzt mich an!«

Diese Ansage hat gesessen und sogar einige Schüler um uns herum scheinen zu merken, dass hier gerade etwas abgeht. Yoongis Worte geben mir daher aber auch direkt die Antwort auf meine unausgesprochene Frage, nur diese Form von Aufmerksamkeit ist mir sichtlich unangenehm, weshalb ich meine Hand auch aus Jimins Klammergriff löse und einen Schritt zurücktrete. »I-Ich glaube, ihr solltet vielleicht-«

»Du gehst nirgendwohin, Jeongguk«, unterbricht Yoongi mich sofort und bringt mich auch dazu, auf der Stelle stehen zu bleiben. Mühsam versuche ich mit einem trockenen Schlucken den Kloß meinen Hals hinabzubefördern, welcher sich dort gebildet hat, aber Yoongi scheint gar nicht erst auf eine Antwort von mir zu warten, sondern bedeutet Jimin und mir mit einem Nicken, dass wir ihm folgen sollen.

Während wir das auch tun, stelle ich mir die Frage, wo Taehyung gerade steckt, denn Tatsache ist, ich hätte ihn aktuell gerne bei mir. Am liebsten würde ich seine Hand halten oder seiner beruhigenden Stimme lauschen, aber die Tatsache, dass Yoongi nun von sich aus einen Zug macht, bestätigt mich in der Annahme, dass Taehyung ihm irgendetwas aufgetragen hat. Nach einer Weile betreten wir drei dann einen leeren Klassenraum und nachdem Jimin und ich uns unschlüssig vorne an das Lehrerpult stellen, nimmt Yoongi uns gegenüber auf einem anderen Pult Platz und lässt seine Beine baumeln.

»Ich glaube, ich sage einfach geradeheraus, was ich denke«, beginnt er nach einer Weile bedrückenden Schweigens und ich bilde mir sogar ein, Jimins Herz neben mir klopfen zu hören. »Ihr beide kotzt mich an, sogar gleichermaßen. Jimin, du hast damals verdammte Scheiße gebaut, aber jetzt setzt du dem ganzen noch die Krone auf. Kannst du Taehyung nicht wenigstens nach dem, was du uns beiden damals angetan hast, glücklich sein lassen?«

»Yoongi Hyung, aber ich.. Ich bin in Jeonggukkie verliebt«, widerspricht Jimin mutig, aber nicht weniger kleinlaut, was Yoongi allerdings nur zu einem Lachen bringt. »Bullshit! Nichts für ungut, Kleiner«, sagt er und sieht mich dabei kurz an. »Jimin, du hast immer mich geliebt. Und jetzt hast du angeblich Gefühle für deinen besten Freund, den du dein ganzes Leben lang kennst?«

Darauf erwidert Jimin nichts, sondern senkt nur seinen Blick und kaut auf seiner Lippe herum. »Du bist einfach jemand, der nicht gern allein ist und sicher war die lange Zeit ohne mich schwer für dich«, fährt Yoongi einfach ungeniert fort. »Da Jeongguk keine Erfahrungen auf diesem Gebiet hat, dachtest du dann, dass es einfach mit ihm werden wird und das war es offensichtlich auch. Aber du hast nicht damit rechnen können, dass Taehyung sich somit an dir rächen wird.«

Als er Taehyung erwähnt, werde ich sofort hellhörig. Mein Blick schnellt nach oben und ich gehe einen Schritt auf Yoongi zu. »Was.. Was meinst du damit? Taehyung hat nie was von Rache gesagt.«

Der Blonde lächelt mich nur leicht mitleidig an und fährt sich einmal fließend durch die Haare. »Sorry, du solltest das so ganz sicher nicht erfahren, aber dieses kleine Schmierentheater hier geht mir mächtig auf den Sack. Kleiner, hör zu. Taehyung liebt dich wirklich. Du bist der Erste, den er nach Jimin an sich rangelassen hat und du hast selbst einige Fehler gemacht. Ja, sein Verhalten war auch nicht korrekt, aber wenn ihr beide miteinander über alles redet, wird das schon klappen.«

Er macht eine kurze Pause und sieht wieder zu Jimin, welcher noch immer nichts mehr gesagt hat und beinahe schüchtern den Blick gesenkt hält. »Und derweil werde ich mich um dich kümmern, Jimin. Es gibt eine Menge wiedergutzumachen, findest du nicht auch?«

𝟐𝟒/𝟕=𝐇𝐞𝐚𝐯𝐞𝐧│ᴛᴀᴇɢɢᴜᴋ Where stories live. Discover now