Chapter 10 🍀

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"Was sollte daran so schlimm? Also.. Es ist schlimm, keine Frage, aber du hast es dir nicht ausgesucht. Also für mich ist es wahrscheinlich nicht so schlimm, wie es für dich ist." Nickend bestätigte Felix die Worte, wandte seinen Blick dann wieder etwas peinlich beruhigt in das Buch und spürte regelrecht den besorgten Blick des Mannes. Er bereute es, das Thema angerissen zu haben. So sehr und doch fühlte es sich befreiend an, dass Chan mehr oder weniger davon wusste. Seine eigenen Gefühle verwirrten ihn und brachten ihn zu einem weiteren Seufzen, obwohl ihm viel eher nach weinen war. Am liebsten würde er der Situation entfliehen, doch es würde nur zeigen, wie schwach er war, wie sehr er sich mittlerweile für sich schämte. Doch Menschen hatten ihn geprägt und wenn er sich mit jemanden anfreundete, versuchte er händeringend diese Person bei sich zu behalten. Er wollte sie nicht verlieren und zugleich wusste er, dass es einen krank machen konnte. Vielleicht war er dies bereits schon. Krank von der Angst, die ihn zu Dingen zwang, die er nicht beeinflussen konnte. 

"Ich dank' dir, dass du mir die Wahrheit erzählt hast. Es ist keinesfalls selbstverständlich." Felix' Kopf schellte nach oben, als der Ältere seine Hand auf die seine gelegt hatte und ihn dadurch überraschte. Die Angst schien für einen kurzen Moment wie weggeblasen sein, seine Gedanken gaben Ruhe und so konnte der Rosahaarige ein Lächeln aufsetzen, welches nicht gezwungen war. Nicht so, wie die letzten Tage, an denen er sich dazu zwang, weil Jeongin für ihn da war. Der Koreaner hatte ihm sogar eher in Panik getrieben, weil er immer wieder darauf bestand, dass Felix die Wahrheit sagen musste, obwohl er es selbst wusste. Die ständige Erinnerung machte ihm jedoch zu schaffen und es hätte ihm wohl ein wenig mehr geholfen, hätte man ihm von seinen Gedanken abgelenkt.

Felix schlug sein Buch zu, weil er sich sicher war, dass sie noch ein wenig reden würden und das Buch würde er sich für die nächsten Wochen ausleihen, weil er die Vorlesungen damit nachbereiten würde. Also wäre es auch nicht sonderlich schlimm, dass er die Seite, auf die er eigentlich war, vergaß. 

"Also... Ich möchte kein Mitleid oder sowas. Nur ich denke, dass du irgendwann fragen wirst, wieso ich so gut wie taub bin..." Ein letztes Mal biss er sich auf die Lippe, schaute in Chans Augen, die ihn ziemlich überrascht anschauten, ehe er noch einmal tief durchatmete und den Mut tankte, den er dafür brauchte.

"Ich hatte einen Hirntumor, als ich vierzehn war. Er war schon ein bisschen größer gewesen und lag in der Nähe des Hörnervs. Zum Glück war er nicht bösartig, dass er gestreut hat, sodass man ihn operieren konnte. Dafür war das Risiko erhöht, dass ich taub werde. Ich hatte jede Menge Aufklärungsgespräche, dann kam die Operation und dann hatte ich Bestrahlung. Alles in einem ganzen Jahr. Ich musste die Klasse wiederholen, was nicht schlimm war... Ich hab gesehen, wer meine wahren Freunde waren. Eigentlich müsste ich Hörgerät tragen, aber die Chancen dadurch wären ein wenig mehr erhöht, dass ich taub werde, genauso wie es sein kann, dass der Krebs wiederkommt. Aber bisher ist er das nicht und ich hoffe, es bleibt dabei. Sonst wüsste ich nicht, was ich machen soll. Ich möchte nicht auch noch das letzte Bisschen meiner Hörfähigkeit verlieren und somit in meinem Leben eingeschränkt werden. So wird man viel weniger von der Gesellschaft akzeptiert und wird ausgegrenzt... Davor habe ich Angst... Vor der Ausgrenzung und Ungerechtigkeit..."

Chan schien zu überlegen, was er sagen würde. Es war keineswegs einfach über solch ein Thema zu reden, das wusste er. Zumal er auch nicht im Ansatz damit gerechnet hatte, dass Felix darüber sprach, geschweigedenn so eine Vergangenheit hatte. Es überforderte den Älteren sogar im ersten Moment.

"Aber ist es nicht wichtiger, wenn man erstmal darauf achtet, dass man gesund ist? Ich bin mir ziemlich sicher, dass man auch Menschen kennenlernt, wenn man nichts hören, sehen oder nicht sprechen kann. Zwar sind nicht so viele offen dafür, aber die, die es sind, sind auch wirklich an dir interessiert. Viele sind einfach nur oberflächlich geworden und suchen sich die Menschen aus, die ihnen im Leben gerade passen..."

𝗬𝗼𝘂 𝗡𝗲𝘃𝗲𝗿 𝗞𝗻𝗼𝘄 ✧ CHANLIXWo Geschichten leben. Entdecke jetzt