fünfundzwanzig

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Das Dach des modernen Hotels, in dem Harvey und ich die nächsten Wochen über schlafen würden, bildete eine riesige Dachterrasse mit einem beeindruckenden Ausblick auf die Dächer Londons.
Mittlerweile war die Sonne nur noch als glühender Halbkreis am wolkenverhangenen Horizont zu erkennen und ließ die Stadt in einem warmen Orange erstrahlen, während kühle Windstöße mein Haar um mein Gesicht tanzen ließen.
Bis auf ein paar japanische Touristen war die Terrasse vollkommen leer und damit genau das, was ich gerade brauchte:
Ein guter Ort zum Nachdenken.

Dies sollte sich jedoch schnell ändern, denn wie aus dem Nichts tauchte plötzlich Harvey neben mir auf.

"Ich hab' gewusst, dass du hier oben bist.", meinte er und fuhr sich verlegen über den kahl rasierten Kopf.

Ich lächelte träge. "Soll das heißen, du hast mich gesucht?"

"Nicht direkt.", entgegnete er achselzuckend. "Ich brauchte bloß etwas Gesellschaft."

"War dir das Essen vorhin nicht genug?", fragte ich ihn mit einer unbeabsichtigten Kälte in der Stimme.

Harvey sah mich von der Seite an, wobei ein merkwürdiger Ausdruck in seinem Blick lag.

"Du liebst ihn, hab' ich Recht?"

Abrupt wirbelte ich herum, völlig überrumpelt von seiner Frage.
"Was? Ich verstehe nicht-... Wen meinst du?"

"Du weißt genau, wen ich meine."
Ein vielsagendes Grinsen machte sich auf seinen Gesichtszügen bemerkbar.
"Muss dir nicht peinlich sein. Immerhin bist du nicht die erste, die ihm bedingungslos verfallen ist."

Ich schwieg, da ich wusste, dass der Versuch, Harvey von seiner festen Überzeugung abzubringen, sinnlos gewesen wäre.

"Von mir erfährt niemand auch nur ein Sterbenswörtchen.", versicherte er mir, woraufhin ich gereizt mit den Augen rollte.
"Du machst eine riesen-Sache daraus! Es spielt doch überhaupt keine Rolle, ob ich ihn mag oder nicht."

Er grinste frech.
"Doch. Tut es."

Falls er versucht hatte, mich zu verärgern, dann hatte er dies jetzt geschafft.

"Hau' ab, ich will allein sein.", murrte ich und boxte ihm freundschaftlich in den muskulösen Oberarm.
Zu meinem Erstaunen gehorchte er und ließ mich endlich in Ruhe nachdenken.

Das kurze Gespräch zwischen Harvey und mir hatte mich nicht sonderlich ablenken, geschweige denn aufmuntern können.
Immer wieder schwirrte mir diese eine Frage im Kopf herum, nistete sich in meinen Gedanken ein wie ein lästiger Parasit, und machte damit ständig auf sich aufmerksam. Sie verzehrte sich nach einer zufriedenstellenden Antwort, und sie würde keine Ruhe geben, ehe sie diese nicht bekommen hatte.
Und das war das Problem.
Ich kannte die Antwort nicht.

Der Klingelton meines Handys riss mich erneut aus meinen Gedanken und ließ mich genervt aufstöhnen.
Ich wollte nicht auf den Anruf eingehen, doch als ich den Namen erkannte, der auf dem Display aufleuchtete, nahm ich ab.

"Hey", meldete ich mich knapp und lustlos.

"Da ist ja jemand bester Laune!", stellte Isabella am anderen Ende der Leitung ironisch fest.
"Was ist los?"

Ich zuckte die Schultern.
"Nichts wichtiges."

"Wenn du meinst...Wie ist euer Hotel?"

Ich unterdrückte ein weiteres Stöhnen.
"Rufst du mich an, um über das Hotel zu reden?!"

"Eigentlich nicht."

Plötzlich begann sie, hysterisch zu kichern, woraufhin mir vor Schreck beinahe das Handy aus den Fingern rutschte.
"Thomas! Ah!! Thomas, nicht jetzt!", kreischte sie in den Hörer.

Ich musste mich beherrschen, nicht einfach aufzulegen.

"Dann komm' zum Punkt.", knurrte ich ungeduldig.

Isabella japste nach Luft, während im Hintergrund irgendetwas hörbar zu Boden fiel.

"Ist ja gut!", keuchte sie lachend. "Ich möchte dich etwas wichtiges fragen."

Erwartungsvoll lehnte ich mich mit dem Rücken an die mir bis zur Brust reichende Mauer, die mir sicheren Schutz vor einem Sturz von der Terrasse bot.
Welchen ich, wie sich dann herausstellte, auch brauchte.

"Willst du meine Trauzeugin sein?"

THE WAY IT GOES ϟ t.b.sWaar verhalen tot leven komen. Ontdek het nu