dreiunddreißig

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'Was du liebst, lass frei. Kommt es zurück, gehört es dir - für immer.'
- Konfuzius

*

Was ist Liebe?

Liebe ist Glück.
Liebe ist das Kribbeln tausender Schmetterlinge in deinem Bauch, der Herzschlag des anderen im Duett mit dem deinen.
Liebe ist Liebe.

Wahre Liebe aber ist Schmerz.

Ich muss es wissen, denn ich habe es selbst erfahren.

*

~366 Tage später~

"Blair."

"Hm?"

"Hey, du kleiner Siebenschläfer."

Murrend schlug ich die Augen auf und blinzelte einem aufgeweckten braunen Augenpaar entgegen.

"Ich liebe dich", sagte Dylan und strich mir liebevoll eine Haarsträhne aus der Stirn.

Ich gab ein schwermütiges Grunzen von mir und drehte mich auf die Seite.

Sein helles Lachen erfüllte das Schlafzimmer und veranlasste mich schließlich doch dazu, mich träge aufzusetzen und ihn mit einem vorwurfsvollen Blick zu strafen.
Er wusste genau, wie sehr ich es hasste, vor zehn Uhr morgens geweckt zu werden.

Mein Ärger verflog allerdings recht schnell, als er flink zu mir auf die Matratze krabbelte und mir einen federleichten Kuss auf die Lippen hauchte.

Ich schmiegte mich seufzend an seine Schulter und schloss für einen Moment noch einmal die Augen.
"Du bist der einzige Mensch, der mich so früh morgens zum Lächeln bringen kann.", murmelte ich in den Stoff seines T-Shirts und war kurz davor, wieder wegzudriften, als Dylan sich aufrichtete und mich mit sich in die Küche zog.

"Komm schon, du Schlafmütze. Zeit fürs Frühstück."

"Wie läuft es mit 'Scorch Trials'?", erkundigte ich mich beiläufig, während ich meinen Pancake mit einer meterdicken Schicht Nuss-Nougat-Creme bestrich und genüsslich hineinbiss.

Kopfschüttelnd über meine enorme Vorliebe für Süßes griff er nach seinem randvoll mit Orangensaft gefüllten Glas und setzte es an seine Lippen.
"Wahnsinnig gut. Es wurde nach nur zwei Wochen fast ein Viertel von der Summe eingenommen, die letztes Jahr mit dem ersten Teil erzielt worden ist."

"Du bist ja auch ein anbetungswürdiger Schauspieler.", grinste ich stolz.
Noch heute erschien es mir etwas surreal, allein mit Dylan O'Brien am Frühstückstisch zu sitzen.
"Wann ist noch gleich diese Party, auf die wir eingeladen sind?"

Mit einem flüchtigen Blick auf die Uhr stellte er das Glas zurück auf die Tischplatte.
"Wir fahren heute Nachmittag los.
Wieso?"

"Ach...", stammelte ich und nestelte ertappt am Saum der quietschgelben Tischdecke herum.
"Ich weiß nur nicht recht, ob ich wirklich mitkommen soll."

Er starrte mich verständnislos an, bevor es plötzlich nur so aus ihm heraussprudelte:
"Was redest du da? Du MUSST mitkommen! Will kann es kaum erwarten, dich kennenzulernen...und Kaya erst! Es wird lustig, das verspreche ich dir. Sogar Thomas kommt, und das, obwohl er mitten in den Vorbereitungen für die Hochz-"

"Ich möchte einfach nicht hingehen, okay?", unterbrach ich ihn grob und sprang so abrupt auf, dass das Besteck auf dem Tisch klirrte.

"Hey, ist ja gut.", sagte er verwundert. Im Gegensatz zu mir war er die Ruhe selbst.

Natürlich. Er hatte ja keinen Grund, um aufgebracht zu sein. Keinen Schmerz, der ihm die Seele zerfetzte, wenn er an eine Person dachte, die sein Herz zur selben Zeit leben und sterben ließ.
Alles, was er hatte, war ein perfektes Hollywood-Leben und eine rücksichtslose Schnorrer-Freundin, die davon profitierte, ohne dass er ihr auch nur ansatzweise so viel
bedeutete wie die Person, die sie wahrhaftig liebte.

Ich biss mir auf die Lippe und unterdrückte die in mir aufsteigende Welle von Emotionen, um meine Fassade weiterhin aufrecht zu erhalten.
"Tut mir leid", murmelte ich und ließ mich zurück auf den Stuhl plumpsen.

Dylans Blackberry gab einen piependen Ton von sich und befreite uns somit aus dieser merkwürdigen Situation, in der keiner so recht wusste, was er sagen sollte.
Er zog das Gerät aus seiner Hosentasche und schaute überrascht auf das leuchtende Display.
"Wenn man vom Teufel spricht..."

Jeder Muskel in mir spannte sich an.
Ich wollte nicht über Thomas reden. Geschweige denn an ihn denken.
Dylan erzählte oft von ihm, und das reichte mir vollkommen aus.

Ich konnte nicht zulassen, dass alte Wunden aufgerissen wurden.
Und genau deshalb würde ich auf keinen Fall auf diese Party gehen.

Dylans Griff um das Handy verstärkte sich, während er seine Augen erschrocken aufriss.

"Was ist denn los?", fragte ich gespannt, denn es schien zweifellos etwas ernstes geschehen zu sein.

Mit zusammengezogenen Augenbrauen legte er das Blackberry vor sich auf den Tisch und betrachtete es, als wäre es ein Fremdkörper aus dem All.
Dann sah er mich an und erzählte mir endlich, was er erfahren hatte:

"Die Hochzeit wurde abgeblasen."

Mir stockte der Atem, und für den Bruchteil einer Sekunde schien die Welt um mich herum stillzustehen.
Doch dann riss ich mich am Riemen und entgegnete kühl:
"Oh. Wie schade."
Um mich nicht weiter mit dem Thema beschäftigen zu müssen, begann ich, meinen zweiten Pancake zu bearbeiten.

Ich wusste nicht, ob sich nun irgendetwas ändern würde.
Aber was auch immer sich möglicherweise veränderte, würde meine Welt entweder endgültig zertrümmern - oder sie für alle Ewigkeit heilen.

*

Ich sah zu, wie Dylans Limousine die Auffahrt entlangfuhr und auf die Hauptstraße bog, wo sie schließlich röhrend am Horizont verschwand.
Nach langer Diskussion hatte ich ihn dazu überreden können, alleine zu der Party zu fahren und mich mit vermeintlichen Bauchschmerzen zurückzulassen.

Ratlos lehnte ich meinen Kopf gegen die ozeanblaue Tapete und schloss für einen wohltuenden Moment die Augen.
Ich hatte mir beinahe ein ganzes Leben mit Dylan aufgebaut, ohne einen Gedanken daran verschwendet zu haben, wie ich das ganze wieder beenden sollte.

Das hatte ich nun davon.

Exakt ein Jahr und einen Tag war es her, als ich mit der ganzen Thomas-Geschichte abgeschlossen hatte.
Ich hatte mir eine ganz neue Welt aus Träumen und Illusion erschaffen, eine Welt mit einer dicken, hohen Mauer drumherum, damit ich bloß nicht vergaß, dass ich nun dort hin gehörte.
Und irgendwann war diese Welt so selbstverständlich geworden, dass mir auch meine erzwungene Liebe zu Dylan keine Schwierigkeiten mehr bereitete.

Doch die Wahrheit war:
Ich hatte nie wirklich mit Thomas abgeschlossen.
Und ich gehörte auch nicht in diese Welt.
Ich musste einsehen, dass man wahres Glück nicht selbst erschaffen konnte. Es kam zu einem, sobald die Zeit reif war.

Ein Klopfen an der Tür ließ mich erschrocken zusammenfahren.

Einen Augenblick lang blieb ich an der Wand stehen und drehte meinen Kopf verwundert in Richtung Hauseingang.
Ich hatte keinerlei Besuch erwartet, und der Postbote hatte heute wie immer seinen freien Tag.

Es klopfte erneut, und endlich überwand ich mich und öffnete.

Ich musste mich im Türrahmen festhalten, damit der Boden unter meinen Füßen an seinem Platz blieb.

Der Mann, der vor mir stand, hatte sich kein bisschen verändert.
Seine dunkelbraunen Augen funkelten noch immer in dem selben abenteuerlichen Glanz wie damals, während sein wirres, honigblondes Haar ihm verlockend in die Stirn fiel. Auch an seinem schlanken, geraden Körperbau, welcher von seinem aus schwarzen Jeans und einem blütenweißen Hemd bestehenden Outfit betont wurde, hatte sich nichts geändert.

Mein Herz pochte, mein Puls raste, doch ich deutete bloß auf die Reisetasche in seiner Hand und fragte:
"Wohin geht's?"

Er streckte die Hand aus.

"Weg von hier."

Dann lächelte er mich an, wie er niemand anderen auf dieser Erde anlächelte.

Ich lächelte zurück und verflocht meine Finger mit seinen.

Das Glück kam zu einem, sobald die Zeit reif war.

THE WAY IT GOES ϟ t.b.sOnde histórias criam vida. Descubra agora