achtzehn

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Isabella stand am steinernen Geländer und sah hinauf in die Krone eines riesigen Baumes, welcher seine monströsen Äste teilweise sogar über den Rand der Terrasse in die Richtung reckte, aus der ich soeben gekommen war.

Ihre aufwendige Hochsteckfrisur hatte sie geöffnet, sodass ihr Haar ihr in sanften Wellen über Rücken und Schultern fiel und ihr Gesicht hinter einem dichten, glänzenden Vorhang verbarg.

"Isabella", sagte ich leise und kam vorsichtig ein paar weitere Schritte auf sie zu.

"Es ist alles in Ordnung.", wies sie mich zurück.
Ihre Stimme klang schwach und brüchig, ganz anders, als ich sie sonst gewohnt war.
"Gehen Sie wieder rein und genießen die Veranstaltung."

Vorsichtig streckte ich die Hand nach ihr aus, und bevor Isabella sich in irgendeiner Form dagegen wehren konnte, hatte ich ihr die Haare aus dem Gesicht gestrichen - und entblößte damit einen Anblick, der mich unfreiwillig zusammenzucken ließ.

"Nein. Nichts ist in Ordnung.", stellte ich ernsthaft besorgt fest.
Mitfühlend reichte ich ihr ein Taschentuch, mit dem sie ein paar der Tränen trockete, die unaufhaltsam ihre geröteten Wangen herunterflossen.

Ihr Anblick rief eine merkwürdige Angst in mir hervor, und plötzlich wünschte ich mir nichts sehnlicher, als dass sie mir endlich erzählte, was vorgefallen war.
Erst jetzt, als sie endlich ihre Maske fallen gelassen hatte und mir einen Einblick in ihre wahren Gefühle gewährte, erkannte ich das einfache, zerbrechliche Mädchen hinter der bisher so erfolgreich aufrecht erhaltenen Fassade.

Ich wusste, es würde kompliziert werden, ihr die ganze Wahrheit zu entlocken; doch die Gewissheit, dass Isabella die Situation damit sowohl für sie als auch für mich viel einfacher machen würde, trieb mich ungemein an.

"Es hat etwas mit Dylan zu tun, habe ich Recht?", tastete ich mich zaghaft voran.

Isabella fuhr sich bloß mit dem Ärmel ihres flüchtig übergeworfenen Mantels über die Augen, die zum ersten Mal seit unserer ersten Begegnung nicht vor Lebenslust sprühten.

Sie war wahrlich kaum wiederzuerkennen.

"Sie müssen es mir nicht sagen", stotterte ich, langsam etwas hilflos, da ich noch immer keine Antwort ihrerseits erhalten hatte, "aber vielleicht wäre es für Sie leichter, wenn Sie sich einmal richtig aussprechen würden."

Ich wappnete mich bereits für eine erneute Abweisung, doch zu meiner großen Erleichterung stimmte sie mir zu.
"Vermutlich haben Sie Recht."

Auf diese schlichte Aussage folgte ein paar Sekunden lang betretenes Schweigen.
Ich spürte, wie Isabella erneut mit den Tränen kämpfte, und kam endgültig zu dem Schluss, dass etwas wirklich schwerwiegendes geschehen sein musste.

Ein verzweifeltes Schluchzen entrang ihrer Kehle, woraufhin sie sich zitternd die Hand vor den Mund presste und mich auf eine Weise ansah, wie es nur Personen mit einem unglaublich schlechten Gewissen taten.

"Ich habe einen furchtbaren Fehler gemacht."

"Wir alle machen Fehler", startete ich einen vergeblichen Versuch, sie etwas zu beruhigen, wobei ich den starken Drang verspürte, sie einfach in die Arme zu schließen und ihr sanft über den Rücken zu streichen - genau so, wie es meine Mom immer getan hatte, als es mir schlecht gegangen war.

Doch stattdessen krallte ich meine Finger in den Stoff meines teuren Kleides und wartete ab, bis sie bereit war, mir alles zu offenbaren.

"Es war vor ein paar Wochen.", begann sie leise und zögerlich, als fürchtete sie, jemand könnte uns hören, obwohl auf der gesamten Terrasse weit und breit keine Menschenseele zu entdecken war.

"Ich vermisste Tommy - mehr als alles andere auf dieser Welt. Er hatte nichts als Termine, ich hatte ihn seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Gott, er fehlte mir so sehr..."

Sie hielt kurz inne, nur um ihren Kampf gegen in ihr aufsteigende Tränen erneut zu verlieren.
Dankbar nahm sie das zweite Taschentuch an, das ich ihr reichte.

"Durch Zufall erfuhr ich, dass Dylan gerade in der Stadt war...also...fuhr ich zu ihm ins Hotel."

Plötzlich versuchte eine unbekannte Kraft, mir den Boden unter den Füßen wegzuziehen.

Ich war zu nichts anderem in der Lage, als Isabella entgeistert anzustarren, während sich eine schreckliche Vermutung wie ein Parasit in meinem Kopf einnistete.

Ihre Stimme war nicht mehr als ein akustisches Wrack, als sie die Worte aussprach, von denen ich mehr als inständig gehofft hatte, sie wären nicht wahr.

"Ich habe Thomas mit Dylan betrogen."

Nein.

Das konnte nicht wahr sein.

Mein Verstand schrie mir zu, dass Isabella niemals zu so etwas in der Lage sein könnte, während meine sich überschlagenden Gedanken zu zahlreich für meinen viel zu kleinen Kopf schienen.

"Bella! Was ist denn nur los?!"

Thomas.

Mühevoll riss ich mich so gut es ging zusammen und antwortete schnell an ihrer Stelle: "Natürlich. Alles okay. Der ganze Trubel wurde ihr wohl einfach etwas zu stressig."

Ich sah noch, wie Isabella mir einen dankbaren Blick zuwarf, bevor ich erhobenen Hauptes an dem besorgten Thomas vorbei zurück ins Innere des Saals schritt.

Wenn er es für korrekt hielt, mir die kalte Schulter zuzuwenden, dann würde ich ihn wohl oder übel mit seinen eigenen Waffen schlagen müssen.

THE WAY IT GOES ϟ t.b.sWhere stories live. Discover now