zweiundzwanzig

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In dem edlen Jaguar, der uns zum Haus der Familie Sangster brachte, herrschte beklemmendes Schweigen.

Thomas hatte uns eingeschärft, dass wir ausnahmslos niemandem von der geografischen Lage des Hauses erzählen sollten, bevor er sich wieder der eingehenden Betrachtung der an uns vorbeiziehenden Straßen widmete, als wäre diese Beschäftigung sein größtes Hobby.

Mein Smartphone vibrierte in meiner Hosentasche, und da ich momentan nichts besseres zu tun hatte, sah ich nach, wer mir soeben eine Nachricht gesendet hatte.

Es war Harvey.

Auch er hielt sein Handy in der Hand und sah mich grinsend an.

'Das hast du ja mal wieder großartig hinbekommen ;)'

'Was?', tippte ich stirnrunzelnd in die Tastatur ein und drückte auf 'Senden'.

Sein rechter Mundwinkel hob sich unmerklich.
'Dich bei ihm unbeliebt zu machen.', schrieb er und sah mich dann von der Seite an.

Ich lächelte trocken.
'So was kann ich offenbar gut.
Aber er war schon vorher so komisch in meiner Gegenwart. Hast du eine Ahnung, was mit ihm los ist?'

'Ich kenne ihn kaum länger als du', kam schnurstracks die Antwort, 'also muss ich dich leider enttäuschen :)'

Uns blieb keine Zeit mehr, um weiter zu chatten, denn der Wagen kam abrupt vor einem schmalen Reihenhaus aus altem Backstein zum Stehen.

"Sind wir unbeobachtet?", fragte Thomas an Harvey gerichtet, welcher sofort den Kopf aus dem Fenster streckte und nach neugierigen Gesichtern Ausschau hielt.
Als er nickte und damit Thomas' Verdacht auf potentielle Reporter oder Paparazzi entschärfte, stiegen wir aus und hasteten eilig zum Hauseingang.

Thomas schlug den antiken Türklopfer in Form eines majestätischen Löwenkopfes mit einem Eisenring im Maul energisch gegen das Holz der Haustür, woraufhin diese sich nur wenige Sekunden später öffnete und den Blick auf eine Frau mittleren Alters mit rötlich glänzendem Haar und großen, wachen Augen freigab.

"Thomas!", rief sie freudig und zog ihn mit einem viel zu jugendlich wirkenden Quieken in eine lange Umarmung.
An ihrem Lächeln erkannte ich sofort, dass es sich bei dieser Frau zweifelsohne um seine Mutter handelte.

Auch Harvey und ich wurden eine Spur zu stürmisch von ihr begrüßt, wobei sie sich uns als Thomas' Mom, Tasha, vorstellte.

Schnell hatte ich entschieden, dass diese Frau wohl mental in ihren jungen Jahren hängengeblieben sein musste.

Nichts desto trotz wirkte sie doch recht angenehm auf mich - ganz anders als der Herr, der nun hinter einer Ecke hervorschritt und in sicherem Abstand zu uns stehen blieb, um uns eingehend zu betrachten.
Seinen schmalen Mund hatte er zu einem geraden Strich verzogen, ein Detail, das seinem steinernen Blick einen herablassenden Ausdruck verlieh.
Das musste dann wohl Thomas' Vater sein.
Ich brauchte nicht lange, um zu erraten, von wem Thomas wohl seine ernste Ader geerbt hatte.

Der Mann begrüßte Harvey und mich mit einem festen Händedruck und stellte sich ohne die kleinste Regung seiner Mundwinkel mit dem Namen Mark vor.

Und schließlich gesellte sich auch Ava zu der kleinen Versammlung, fiel Thomas überglücklich in die Arme und schüttelte dann auch uns höflich die Hände.
Ihr elegant um den Hinterkopf drapiertes Haar hatte beinahe die gleiche Farbe wie das ihres Bruders, während ihr Gesicht jedoch deutlich rundlicher, aber keinesfalls hässlicher aussah.

"Ihr werdet es nicht glauben", verkündete Tasha uns mit einem vielsagenden Blick in Thomas' Richtung, "wir haben noch einen Überraschungsgast!"

Damit lockte sie uns ins große, aber bescheidene Esszimmer - wo uns eine Person erwartete, mit der wohl keiner von uns dreien an diesem Tag gerechnet hätte.

THE WAY IT GOES ϟ t.b.sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt