sechs

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Als ich wieder zu Bewusstsein kam, hatte ich jegliches Zeitgefühl verloren.
Und die Tatsache, dass der winzige, hell erleuchtete Raum, in dem ich, auf einer Liege gebettet, lag, vollkommen fensterlos war, machte es mir nicht viel leichter.

Noch nahm ich alles recht vage und verschwommen wahr, doch immerhin erkannte ich, dass ich mich in einem Krankenwagen befinden musste.

Als Kind hatte ich mir einmal in der Schule die Hand gebrochen, und der Krankenwagen, der mich zum Notarzt transportiert hatte, hatte von innen genau so ausgesehen wie dieser. Vielleicht war es sogar der selbe wie damals.

Bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, registrierte ich, dass ich Gesellschaft hatte: Eine hoch gewachsene, gertenschlanke Frau mit dem typischen Erste-Hilfe-Logo auf der Brust ihres weißen Poloshirts.

"Ah, Sie sind wach.", stellte sie fest.
"Gut."
So, als könnte sie meine Gedanken lesen, und bevor ich überhaupt den Mund öffnen konnte, um zu einer Frage anzusetzen, erklärte sie mir:
"Sie sind in einem Krankenwagen hinter dem Kino.
Wie geht es Ihnen?
Kopfschmerzen? Übelkeit?"

Ich schüttelte den Kopf.

"Alles klar", murmelte sie und notierte sich etwas in ein kleines Heft, welches sie wohl schon die ganze Zeit über in der Hand gehalten hatte. Dann schlang sie mir den Gurt eines Blutdruckmessgeräts um den Oberarm und drückte energisch auf das kleine Luftkissen am Ende des dünnen Schlauchs, der von ihm ausging.

"Sie Ärmste waren wirklich kaum zurechnungsfähig. Tja, einen Typen wie Thomas Sangster hautnah zu erleben kann einen schon mitnehmen, was?"

"Ist mein Körper für meine Ohnmacht verantwortlich gewesen oder musste...nachgeholfen werden?", stellte ich eine Gegenfrage.

Die Frau lachte und nahm mir das Blutdruckmessgerät wieder ab, um mir nur wenige Sekunden später mit einer unangenehm hellen kleinen Taschenlampe direkt in die Pupillen zu leuchten.
"Was das angeht, kann ich Sie beruhigen. Im Gegensatz zu anderen Fans waren Sie geradezu zahm. Beruhigungsmittel wären völlig überflüssig gewesen. Ihr kleiner Anfall war also rein biologisch."

Jetzt lachte auch ich.

~~~

Keine zehn Minuten später durfte ich den Krankenwagen verlassen.

Ich war noch völlig benommen und litt unter höllischer Migräne, seit ich von der Liege aufgestanden war - kurz: Ich wollte nur noch nach Hause.

Doch ich wurde aufgehalten.

Just in dem Moment, in dem ich aus dem Wagen stieg - oder, besser gesagt, taumelte - und mich heimwärts bewegen wollte, stellte sich mir eine Gruppe breitschultriger Bodyguards in den Weg.

Und sie waren nicht allein.

Schlagartig sanken meine Blutdruckwerte zurück in den Keller.

Das konnte unmöglich wahr sein.

Ich begriff es erst wirklich, als er vor mir zum Stehen kam und mich aus seinen dunklen Augen ansah, während im Hintergrund zehn Tausend Menschen alles dafür geben würden, in meiner Haut zu stecken.

Diese zehn Tausend Menschen hatten offensichtlich keine Ahnung von dem Tornado, der in diesem Augenblick in mir wütete.
Ich stand kurz vor einem Herzkasper.
Und diesmal meinte ich das wirklich ernst.

"Hey!", rief er mir zu, wobei seine Stimme kaum gegen das Kreischen der Fans ankam.
"Geht es dir besser?"

Ich drehte mich um und hielt nach einem wunderhübschen Mädchen hinter mir Ausschau, doch da war niemand.

Er meinte tatsächlich MICH.

Ich senkte den Blick und fixierte ihn auf den Boden unter meinen Füßen, um nicht bei seinem Anblick zu kollabieren.
Ach was, ich würde auch kollabieren, wenn ich ihn nicht ansah. Aber sicher war sicher.

"Ja!", rief ich, so laut wie möglich, zurück.
Zu allem Übel klang meine Stimme einfach grauenhaft.

Dann nahm ich mein letztes bisschen Mut zusammen, sah ihm ins Gesicht und versuchte, zu lächeln, ohne dabei wie der letzte Volltrottel auszusehen.

Er lächelte zurück.

Heilige Schnauze, dieser Mann war zum Niederknien.

"Das ist schön.", erwiderte er freundlich.

Dann vergrub er die Hände in den Taschen seiner schwarzen Jeans, sah mich über die Schulter hinweg noch einmal an und verschwand ohne ein weiteres Wort mitsamt seinen Leibwächtern.

Fast hätten meine Beine endgültig versagt, fast wäre ich völlig am Ende gewesen.

Fast.

Doch der alleinige Gedanke an Thomas' Sorge um ausgerechnet MICH erfüllte mich mit einer unglaublichen, beflügelnden Kraft, die es mir ermöglichte, den Heimweg heil zu überstehen und dann völlig am Ende in mein Bett zu fallen.

THE WAY IT GOES ϟ t.b.sTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon