einundzwanzig

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Ich beneidete Thomas' Tapferkeit.

Jeder gewöhnliche Mensch wäre am Boden zerstört gewesen und hätte sich tagelang irgendwo verkrochen, wo er vor weiteren Verletzungen und Sticheleien der Gesellschaft in Sicherheit war.

So nicht Thomas.

Thomas zeigte Stärke.

Er machte einfach dort weiter, wo er begonnen hatte, und versteckte seine Gefühle gekonnt unter einer Decke aus falscher Fröhlichkeit.

Von Isabella war keine Spur zu entdecken, als ein viel zu gut gelaunter Thomas am nächsten Tag mit Harvey und mir im Schlepptau das Privatjet nach London betrat.
Im Gegensatz zu mir schien ihm der Schlafmangel kaum zuzusetzen, denn er redete ununterbrochen von seiner Vorfreude auf das Wiedersehen mit seiner Familie in der Heimatstadt - inklusive seiner Schwester Ava.

Wieder ein sicheres Zeichen, dass es im Moment nicht gut um ihn stand; ich hatte ihn noch nie so gesprächig erlebt.

Während er sich mit Harvey über die vergangene Gala unterhielt, platzierte ich mein MacBook auf meinem Schoß und gab 'Ava Sangster' in die Suchleiste ein.
Die Bilder, die mir Google daraufhin präsentierte, ließen mich ehrfürchtig innehalten.

Sie war bildhübsch.

Langsam wurde es echt auffällig, dass ich ausschließlich von ausgesprochen attraktiven Personen umgeben zu sein schien.
Tja, ich schätze, so war das nun mal im Kreise der Freunden und Verwandten von Thomas Sangster - es war überflüssig, hinzuzufügen, dass Thomas selbstverständlich der mit Abstand best aussehendste war...nicht nur in diesem gerade erwähnten Kreis.

Jedenfalls wurde ich durch die Konfrontation mit Avas Schönheit bezüglich meines Aussehens zusehends negativ beeinflusst, weshalb ich den Browser wieder schloss und mich den Jungs zuwandte.

"Wann können wir wieder mit Isabella rechnen?", erkundigte ich mich plump - das dümmste, was ich hätte tun können.

Thomas musterte mich, als hätte ich seine Abneigung gegen mich soeben deutlich verstärkt.
"Das ist noch unklar."

Ich seufzte, und anstatt mich zurückzunehmen und ihn nicht weiter zu verärgern, tat ich genau das Gegenteil:

"Sie haben sich also noch nicht wieder vertragen."

Was war bloß in mich gefahren?!

"So ist es.", antwortete er mit einem bitteren Unterton und befahl mir, ihn nicht weiter über dieses Thema auszufragen, indem er sichtlich angespannt aus dem Fenster auf die sich unter uns ausbreitende Wolkendecke blickte.

Er zwang mich praktisch dazu, ihn anzustarren.

Oh ja, er war ganz eindeutig der best Aussehendste.

Im Laufe des Fluges kam die Stewardess auf ihren roten Peeptoes angestöckelt und verriet uns, dass sich der Flug etwas verzögern würde.

"Um wie viel Uhr findet das Lunch mit meiner Familie noch gleich statt?", fragte Thomas daraufhin, stets darauf bedacht, mich keiner intensiveren Blicke zu würdigen, und legte gestresst die Stirn in leichte Falten.

Konzentriert blätterte ich in meinem kleinen Taschenkalender, bis ich fand, wonach ich gesucht hatte.
"Um 13 Uhr."
Skeptisch sah ich auf meine Armbanduhr - es war viertel nach zwölf.
"Das werden wir niemals pünktlich schaffen", japste ich verzweifelt.

Thomas kaute nachdenklich auf seiner Unterlippe herum, was total verführerisch aussah und mich damit von meiner hauptsächlichen Beschäftigung ablenkte.

"Es sei denn...", brachte Harvey mich zurück auf den Boden der Tatsachen, "Sie setzen uns auf dem Weg nicht im Hotel ab, sondern nehmen uns mit."

Ein paar Sekunden lang schien Thomas hin- und hergerissen zu sein, und man sah ihm deutlich an, dass er sich herzlich wenig mit dem Gedanken anfreunden konnte, wie Harvey - und vor allem ich - in seinem engsten Familienkreis mit am Esstisch saßen.

Doch schließlich gab er nach und stimmte missmutig zu.
"Gut, wenn es sein muss. Ich rufe an und sage Bescheid, dass sie für zwei weitere Personen den Tisch decken sollen."

Dann fiel sein Blick auf mein Outfit, bestehend aus einer engen, verwaschenen Jeans und einem signalroten Sweater.
"Ein kleiner Tipp für die letzten vier Wochen als meine Agentin", sagte er kühl,
"seien Sie immer auf unerwartete Wendungen wie diese vorbereitet."

THE WAY IT GOES ϟ t.b.sDove le storie prendono vita. Scoprilo ora