.anhang.zehntausend.

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"Woran denkst du gerade?"

Sie entfernt eine lästige Haarsträhne aus ihrem Gesicht, über die der angenehm warme, jedoch für ihren Geschmack viel zu starke Wind für eine kurze Weile die Kontrolle übernommen hat, und mustert ihn von der Seite.
Seine Stirn ist in leichte Falten gelegt, und in seinem sonst so warmen Blick spiegelt sich eine Leere wieder, die sie auf seiner Miene noch nie zuvor wahrgenommen hat.
Dass ausgerechnet dieser fröhliche, ausgeglichene, wundervolle Mensch nun in unbekannter Weise zu leiden scheint, stimmt sie besorgt.
Langsam hebt er seinen Kopf, doch nicht, um sie eines Blickes zu würdigen, so wie er es in letzter Zeit auffallend oft tut. Stattdessen taxiert er den sich ihm bietenden Anblick des Ozeans, der ihm von hier oben betrachtet zu Füßen zu liegen scheint.
Der Urlaub ist eine gute Idee gewesen. Er hilft, zu vergessen.
Aber die Wunden sind noch frisch, und so tief, dass sie ihre Zeit in Anspruch nehmen, um zu heilen; und diese Zeit fühlt sich an wie eine schmerzhafte Unendlichkeit.

"An sie."

Sie schmerzt noch immer, diese Antwort, obwohl sie sich an die Worte gewöhnt hat, ihnen sogar ab und zu im Traum begegnet.
- Oder gerade deswegen?

"Warum denkst du an sie?", fragt sie.
Eine weitere Frage, deren Antwort ihr Angst macht.

Er zählt die Möwen, die kreischend über dem Wasser durch die Lüfte segeln, aber er kommt nicht weit. Sie fliegen chaotisch.

"Weil sie weg ist. Weil ich ein Dummkopf bin."

"Sag so etwas nicht." Aufgebracht umklammert sie die Armlehne des pastellgelb angepinselten Stuhls. "Ich liebe dich."

Ihre Blicke kollidieren.
Er lächelt, während sich seine Iris für einen kurzen, wunderbaren Moment mit Wärme füllt.
"Und ich liebe dich."

Kaum ist der Satz ausgesprochen, widmet er sich wieder dem Wasser und der salzigen Luft, die sich beim Reden auf seine Zunge gelegt hat.

"Ich liebe dich und deine Augen und deine Stimme und dein Herz und deine selbstgemachten Scones und...dich."

"Aber...?"

"Ich liebe dich nicht so wie sie."

Sie zuckt zusammen.
Es tut weh.

Bevor sie sich zurückhalten, über ihre Reaktion nachdenken kann, öffnet sich das Ventil ihrer so mühsam unterdrückten Frustration.

"Weshalb verschwendest du dann noch deine Zeit mit mir?", zischt sie, bissiger als beabsichtigt.
"Ich habe es so satt, dir Tag für Tag meine bedingungslose Liebe zu beweisen und mein gesamtes Leben nach deinen Wünschen umzukrempeln. Ich war geduldig, das war ich wirklich. Aber irgendwann ist ein Limit erreicht."

Er zeigt keine Regung. Starrt weiterhin in Richtung des Horizonts und beginnt erneut, die Möwen zu zählen. Kommt wieder nur bis vierzehn.
Vierzehn.
Wo alles begonnen hat.

Dann sagt er: "Du bist mein Lebensinhalt. Aber was du erzählst, wurde niemals von dir verlangt. Du hast dich selbst dafür entschieden. Für mich. Wieso?"

Warum. Weshalb. Wieso.
Fragen über Fragen.

Sie atmet tief und kontrolliert ein, bevor sie die Luft durch den Mund wieder ausstößt.

"Weil ich dich liebe."

"Dann ist ja gut."

Er sieht sie an.
Nach einer Weile lehnt er sich ein Stück zu ihr und küsst sie.

* * *

Vor etwa einem Jahr habe ich mich gefreut wie verrückt, als ich gesehen habe, dass schon einhundert Leute mein (damals noch nicht fertiggestelltes) Fanfiction-Dingsbums gelesen hatten.

Danke für zehn Tausend Reads.

THE WAY IT GOES ϟ t.b.sWhere stories live. Discover now