Kapitel 26

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„Schlecht geschlafen?" Jill stellte einen Kaffeebecher vor Brianna ab und diese lächelte dankbar. „Was frag ich", fuhr Jill fort, während sie sich setzte. „Gibt's schon was Neues?"

„Leider gar nichts." Nachdem sich am vergangenen Abend nebenan nichts getan hatte, hatte sie bei ihren Großeltern angerufen, aber auch die hatten keine neuen Nachrichten von der Polizei. Wenigstens lag Margaret nicht mehr apathisch im Bett herum. Ihrem Großvater nach war sie zwar noch weit von seiner Mag entfernt, aber sie stand auf und aß aus eigenem Antrieb. Vorerst reichte ihm das.

„Das kommt noch." Jill sah so besorgt aus, wie Brianna sich fühlte. Sie war plötzlich unglaublich froh, sie als Kollegin zu haben. Während sie einen Schluck ihres Kaffees nahm, öffnete sie die oberste Schublade ihres Schreibtisches und holte eine Packung Gummibärchen heraus, die sie Jill zuschob.

„Man soll eine Sucht zwar nicht fördern, aber es muss ja niemand davon erfahren." Verschwörerisch zwinkerte sie Jill zu und die grinste.

„Ich verrate es niemandem." Eine Weile arbeiteten sie schweigend an ihren Texten, wobei Jill gelegentlich auf die Handschrift eines wohl längeren Briefes schimpfte. Brianna war derart abgelenkt, dass sie oft nach einem Satz schon vergaß, was sie gerade gelesen hatte. Vielleicht sollte sie doch zu Hause bleiben. Andererseits machte ihr der Gedanke Angst, allein zu Hause zu sitzen und noch mehr in ihren trüben Überlegungen zu versinken.

Als ihr Handy piepte, griff sie so schnell nach ihm, dass sie es vom Tisch stieß und in die Palme daneben beförderte. Wenigstens war die Erde nicht nass gewesen. Rasch wischte sie ein paar Erdkrümel von dem Gerät und entriegelte es. Fast etwas enttäuscht registrierte sie, dass sie bloß eine Nachricht von Oliver hatte, nichts von ihren Großeltern oder der Polizei.

„Also, es ist zwar keine Sache, die SHIELD betrifft, aber ich habe einen Freund in einer der Abteilungen, der – ganz hypothetisch natürlich nur – für mich die Datenbanken der Polizei durchforsten würde, um zu sehen, ob Informationen zurückgehalten werden, würde ich jemanden kennen, dessen Verwandter entführt wurde, weswegen ich dir auf diesem Weg schreibe und nicht intern per Mail."

Sie musste den Satz mehrmals lesen, um ihn zu verstehen, und ein kleines Lächeln zupfte an ihren Lippen. Das passte zu Oliver, wie sie ihn bisher kennengelernt hatte. Wenn er nervös war, neigte er dazu ohne Punkt und Komma zu reden und ganz offensichtlich schrieb er auch so.

„Und hat dieser Freund es schon getan?" Einen Moment zögerte sie noch, dann schickte sie die Antwort ab. Nur wenig später piepte ihr Handy erneut.

„Nein. Ich war nicht sicher, ob es okay ist, wenn ich mit ihm darüber rede. Soll ich?" Diesmal zögerte Brianna länger. Natürlich konnte es sein, dass die Polizei Informationen hatte, die sie noch nicht weitergeben wollten. Vielleicht fürchteten sie, dass ihre Großeltern oder sie selber etwas unternehmen wollten, wenn sie den Namen eines Verdächtigen wussten. Vielleicht war es auch das normale Vorgehen, damit bei den Verwandten eines Entführungsopfers keine falschen Hoffnungen geweckt wurden.

„Es ist okay." Sie schaute auf die drei Worte, atmete durch und schickte ihre Nachricht ab. Oliver war online und sie sah an den sich ändernden Häkchen, dass er die Nachricht sofort las. Mehr als ein „okay" kam aber nicht. Sie seufzte leise auf und legte das Handy beiseite.

„Schlechte Nachrichten?" fragte Jill und Brianna sah zu ihr. Dann schüttelte sie mit schwachem Lächeln den Kopf.

„Oliver versucht mich aufzumuntern." Gelogen war das nicht. Wenn sein Freund etwas in Erfahrung bringen konnte, was nicht gerade von der Leiche eines 16jährigen Mädchens handelte, könnte sie das tatsächlich aufmuntern.

Nur ein SchattenWhere stories live. Discover now