Kapitel 9

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Sie hätte sich ein Taxi vors Haus kommen lassen sollen. Brianna schauderte leicht, während sie durch die nächtlichen Straßen eilte. Viel war in ihrer Wohngegend nicht mehr los, auf der Hauptstraße würde sich das gleich ändern und dort war auch der Taxistand, zu dem sie unterwegs war. Ein Mann war ihr mit seinem Hund entgegengekommen und seit sie um die Ecke gebogen war, hörte sie hinter sich Schritte.

Diese waren es, die sie nervös machten. Vielleicht hatte da jemand nur das gleiche Ziel wie sie, aber vielleicht folgte ihr auch jemand. Überfälle waren keine Seltenheit und immer, wenn sie spät am Abend oder gar in der Nacht unterwegs war, fürchtete sie Opfer eines solchen zu werden.

Die Schritte hinter ihr beschleunigten und ihr Herz nahm sich das zum Vorbild. Sie hoffte, dass die Person einfach schneller lief, weil sie festgestellt hatte, dass sie sonst ihre U-Bahn verpassen würde.

Als sie in einen Hauseingang gezerrt wurde und jemand eine Hand auf ihren Mund presste, wusste sie, dass sich ihre Hoffnung nicht erfüllen würde. Angsterfüllt starrte sie in das Gesicht ihres Angreifers, das halb von dem Schirm eines Caps verdeckt wurde.

„Geld her", ertönte eine leise, männliche Stimme und mit zitternden Fingern tastete Brianna nach ihrer Tasche. Der Verschluss wollte einfach nicht aufgehen und sie wimmerte leise, als der Mann sie fester gegen die Wand drückte. „Na los, mach schon!" Bilder von den Berichten, die sie sich heute angesehen hatte, blitzten vor ihrem geistigen Auge auf und ihre Finger erstarrten. Es war dunkel.

Überall um sie herum waren Schatten.

Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie nach diesen Schatten griff und sie um sich zog. In dem schwachen Licht, das sie noch erreichte, erkannte der Mann wohl, dass etwas nicht stimmte, denn seine Augenbrauen zogen sich zusammen. Sie fühlte die Schatten, die ihn berührten, und schob ihn von sich weg. Er taumelte und wäre gestürzt, hätte sie ihn nicht noch immer mit den Schatten gehalten.

„Du bist so ein Freak", rief er und Angst schwang in seiner Stimme mit.

„Nein." Sie schob ihn mit den Schatten weiter zu einer Laterne und fesselte ihn an den Laternenpfahl. „Ich bin eine Mutantin." Lange würden die Schattenfesseln nicht halten, aber es sollte reichen, damit sie den Taxistand erreichen konnte. Zumal sie bezweifelte, dass er jetzt noch einmal versuchen würde sie auszurauben. Sicherheitshalber ließ sie sich von den Schatten verschlucken, sodass er gar nicht sehen würde, wohin genau sie ging.

Immer noch hämmerte ihr Herz wild in ihrer Brust und sie fragte sich, ob sie das gerade tatsächlich getan hatte. So schnell sie konnte, lief sie die Straße runter. Erst als sie um die Ecke gebogen war, ließ sie die Schatten los. Der Taxistand war nah und sie gönnte sich einen kurzen Moment, um zu verschnaufen, bevor sie in das erste Taxi in der Reihe stieg und dem Fahrer die Adresse von Lindseys Elternhaus nannte.

Die Fahrt verlief schweigsam. Brianna störte das nicht, sie war gerade auch nicht zum Reden aufgelegt. Immer wieder ging sie gedanklich den Überfall durch. Der Mann hatte zu spät bemerkt, wie sie die Schatten um sie versammelte. Sie fragte sich, ob sie mit Hilfe der Schatten eine Messerklinge oder Pistolenkugel abwehren konnte.

Schaudernd wurde ihr bewusst, dass sie viel zu wenig über ihre Fähigkeiten wusste. Natürlich hatte sie einige Dinge ausprobiert, sie war neugierig gewesen, aber sie hatte ihre Fähigkeiten noch nie in einem Ernstfall benutzen müssen.

Noch etwas anderes wurde ihr bewusst. Sie hatte Glück gehabt, dass der Mann offensichtlich selber kein Mutant gewesen war. Ob sie gegen einen anderen Mutanten bestehen konnte, wusste sie nicht. Vermutlich kam es darauf an, was für Fähigkeiten derjenige hatte und wer von ihnen seine Fähigkeiten besser beherrschte.

Nur ein SchattenOù les histoires vivent. Découvrez maintenant