Kapitel 14

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„Ich bin doch bescheuert." Brianna hob eine Hand, um sich durch die Haare zu fahren, wie so oft, wenn sie nervös oder unschlüssig war, traf bloß auf die Kapuze ihrer Strickjacke und ließ ihre Hand wieder sinken. Vorher zog sie aber die Kapuze noch etwas vor, damit niemand ihr Gesicht sehen konnte.

Oder vielmehr die Maske, die sie aufgesetzt hatte.

Nach dem Angriff auf Valerie hatte es tatsächlich neue Befragungen gegeben. Niemand hatte ihr unterstellt, dass sie Valeries Angreiferin überwältigt hatte, aber sie wusste auch nicht, ob man sie nicht doch verdächtigte.

Wie sie ausgerechnet in dieser Situation doch auf die Idee gekommen war, ihren früheren Plänen nachzugehen, wusste sie nicht. Vielleicht war es die Tatsache, dass sie Valeries Angreiferin hatte überwältigen können. Sie konnte etwas mit ihren Fähigkeiten anstellen, anderen helfen. Da konnte sie sich nicht einfach verstecken.

Offen auftreten konnte sie aber auch nicht.

Das Interview von Tony Stark und Spiderman hatte ihr die Lösung gezeigt: Eine Maske, eine Verkleidung. Und nun stand sie hier, kam sich total bescheuert vor und wusste nicht, was sie tun sollte. Herumlaufen und auf einen Einbruch oder einen Überfall auf einen Fußgänger hoffen?

Mit in die Hosentaschen geschobenen Händen und gesenktem Kopf ging sie weiter. Sie hatte schon mehrmals an diesem Abend überlegt, einfach nach Hause zurückzukehren. Josie war zum Glück mit Jake im Kino und würde gar nicht merken, dass sie gerade unterwegs war.

Sie tastete nach der Maske, die sie gestern erst in einem Bastelladen gekauft hatte. Professionell war sie zwar nicht, aber sie versteckte ihr Gesicht. Bei nächster Gelegenheit wollte sie sie schwarz färben. Noch war sie schlicht weiß, ein einfaches Modell, das man selber färben und dekorieren konnte. Dekoration brauchte sie keine, es reichte ihr, wenn man ihr Gesicht nicht sah. Sie wollte sich nicht auf einmal in einem YouTube Video oder dergleichen wiederfinden.

Schreie wurden vor ihr laut und Briannas Herz setzte kurz aus, bevor es erst holprig und langsam weiterklopfte und dann immer schneller wurde. Jemand schrie um Hilfe, irgendwo dort vor ihr um die Ecke. Sie zögerte, dann tastete sie nach den Schatten, die es überall gab. Während sie loslief, hüllte sie sich in diese Schatten. Wer da auch war, er sollte sie nicht sofort sehen.

Der Mann hätte sie ohnehin nicht gesehen, er stand mit dem Rücken zu ihr und bedrohte zwei junge Frauen mit einer Pistole. Eine Handtasche hatte er bereits erbeutet, die andere Frau schien keine bei sich zu haben. Sie versuchte weinend ihre Jacke zu öffnen, deren Reißverschluss klemmte.

Lange überlegen konnte Brianna nicht und so beschloss sie einfach, den Mann komplett mit Schatten zu fesseln und ihm die Pistole zu entreißen. Dann würden die Frauen fliehen können.

Die Frauen schrien auf, als der Mann von den Schatten verschlungen wurde. Sie wichen zurück, offensichtlich nicht sicher, ob sie fliehen sollten oder ob dies eine neue, erschreckende Bedrohung durch den Mann war. Brianna löste einige Schatten von sich, sodass sie zumindest ansatzweise sichtbar wurde, und nahm dem Mann die Handtasche ab, um sie den Frauen zu reichen.

„Los, geht schon", rief sie ihnen zu. Die Frauen starrten sie ängstlich an und Brianna seufzte entnervt. Wenn sie ihnen schon sagte, dass sie gehen sollten, konnten sie doch hoffentlich nicht glauben, sie sei eine Gefahr für sie. „Nun macht schon, haut ab. Oder ruft zumindest die Polizei." Eine der Frauen nickte und holte ein Handy aus ihrer Handtasche. Sie zitterte dabei so sehr, dass ihr das Telefon beinahe aus der Hand fiel.

Als sie dann den Vorfall schilderte, klang sie hysterisch und so, als würde sie gleich wieder in Tränen ausbrechen. Vermutlich war das aber auch normal. Immerhin waren sie und ihre Freundin gerade überfallen worden.

Nur ein SchattenWhere stories live. Discover now