Nur ein Schatten

Kapitel 12

„Jake ist so toll." Für die frühe Stunde war Josie sehr gut gelaunt und nicht nur ihre Aussage, auch das Strahlen in ihren Augen verriet Brianna, dass das Treffen mit Jake mehr als gut gelaufen war.

„Ist er das?" Neckend zog sie an dem lockeren Zopf, den Josie heute trug. Ein ungewohntes Bild, da sie ihr Haar sonst immer hochsteckte, aber vielleicht hatte sie dazu noch keine Lust gehabt.

„Ist er." Josie biss sich auf die Unterlippe, konnte sich ein Kichern aber nicht verkneifen. „Ich hab es getan. Ich hab ihn nach der Pizza geküsst."

„Wie? Du hast erst die Pizza geküsst und dann ihn?" Josie verlor ihren Kampf gegen das Lachen und vergrub ihr Gesicht an Briannas Oberarm.

„Du bist doch doof." Nur langsam beruhigte Josie sich wieder und hob den Kopf, um Brianna anzusehen. „Die Pizza hab ich gegessen, nicht geküsst. Und während wir noch unsere Cola tranken, hab ich Jake geküsst." Wieder verzogen sich ihre Lippen zu einem breiten Grinsen. „Und er hat mich auch geküsst. Und dann meinte er noch, er wollte das schon die ganze Zeit, hat sich aber nicht getraut."

„Das freut mich. Vor allem, dass er sich jetzt wohl doch traut." Brianna drückte Josie auf einen der Küchenstühle und reichte ihr eine Tasse Tee. Gedeckt hatte sie bereits, jetzt schob sie die ersten Toastscheiben in den Toaster. Von dem Erlebnis bei ihrer Nachbarin wollte sie Josie jetzt noch nicht erzählen, dazu war die gerade zu aufgekratzt. Sie begann ihr in allen Einzelheiten von ihrem Date – jetzt war sie sich ganz sicher, dass es eines gewesen war – mit Jake zu erzählen.

Brianna versorgte sie mit Toast, der ihrem Gefühl nach schneller verschwand, als sie ihn toasten konnte. War es also wieder einmal soweit. An Josies Essverhalten konnte sie genau nachverfolgen, wann ihre Schwester ihre Tage bekam. Aber Heißhungerattacken waren ihr lieber als schlechte Laune, wie Brianna sie in der Vergangenheit bei ihren Freundinnen immer mitbekommen hatte.

Dieser Gedanke brachte, zusammen mit Josies Schwärmen von ihrem Date, noch andere Fragen mit sich. Sollte sie Josie zum Frauenarzt schicken, damit sie die Pille bekam? Dieser Gedanke mochte ziemlich früh sein, aber besser so, als dass Josie ihr irgendwann von einer Schwangerschaft beichtete.

Auf Kondome allein wollte Brianna sich nicht verlassen. Sie sah ja sehr deutlich an ihrer Mutter, wie sehr es deren Lebenspläne durcheinander geworfen hatte so früh schwanger zu werden. Ihre Mutter war in Josies Alter gewesen, als sie mit Brianna schwanger geworden war, und Brianna konnte sich vorstellen, dass ihre Großeltern alles andere als begeistert sein würden, sollte sich die Geschichte wiederholen.

„Hörst du mir überhaupt noch zu?" Josies Gesicht schob sich vor ihres und ihre Schwester zog eine Schnute. „Nein, ich glaube nicht."

„Entschuldige, ich war grad etwas abgelenkt", gab Brianna zu und lächelte leicht. „Mit der Frage, ob wir zum Arzt gehen sollten, wenn das mit dir und Jake jetzt ernst wird." Josies Wangen wurden schlagartig rot und sie sackte auf ihren Stuhl zurück.

„Bri!" Ihre Stimme war ein einziges Krächzen. „Jake und ich hatten grad ein Date und haben da nur so ein bisschen herumgeknutscht. Das heißt noch lange nicht, dass wir ... Nee, wirklich, das müssen wir sicher nicht."

„Ein Gespräch schadet sicher nicht."

„Grandma dreht doch durch, wenn sie das hört", murmelte Josie und sah Brianna skeptisch an. „Sie hatte mal mit einer Freundin telefoniert und dachte, ich bin in meinem Zimmer und mache Hausaufgaben, aber ich wollte mir was zu trinken holen ... Na, egal. Jedenfalls hab ich das zufällig mitgehört. Sie klagte darüber, dass Mom dich so früh bekommen hat und dann nicht mehr studiert hat. Und meinte dann, dass sie froh ist, dass wenigstens wir Mädchen so vernünftig seien."