Kapitel 5

93 9 0
                                    


Brianna brütete gerade über einer Formulierung, als die Sirene losging. Erschrocken fuhr sie in ihrem Bürostuhl hoch und blickte zu Jill, die sich mit ruhiger Miene erhob. Sie lächelte Brianna leicht an.

„Vielleicht nur eine Feueralarmübung. Das machen sie regelmäßig. Eigentlich sollen wir dann alles hierlassen, aber ich nehm meine Tasche und Jacke immer mit, hab sie ja griffbereit." Auch Brianna stand auf und nahm sich schnell ihre Sachen, die sie wie die anderen in einem Schrank nah bei der Tür aufbewahrte. Sie folgte Jill und den anderen aus ihrem Büro und war überrascht, wie ruhig und geordnet die anderen Mitarbeiter über den Flur zu den Fluchttreppen gingen. An ihrer Schule und auch später an der Universität waren solche Übungen deutlich chaotischer abgelaufen.

„Warum wird das denn nicht angekündigt?" Erst als sie die Frage ausgesprochen hatte, wurde Brianna klar, warum diese Übungen wohl nicht angekündigt wurden, und sie winkte ab. „Schon gut, klar ... Es soll ja möglichst echt sein und ein echtes Feuer kommt auch nicht mit Ankündigung."

„Genau das." Jill grinste und hing sich an Philip, der vor ihnen lief. „Nicht zu schnell, sonst kommen wir nicht nach."

„Ich trag dich nicht wieder die Treppen runter." Philip lachte und wandte sich zu Brianna um. „Das musste ich vor ein paar Monaten mal machen, als Jill einen verstauchten Knöchel hatte und nicht gut laufen konnte. Ich hatte Jill auf dem Rücken und Valerie hat ihre Krücken genommen. Wir hätten eigentlich einen dieser Rettungssitze nehmen können, aber es war keiner übrig."

„Aber seitdem gibt es noch ein paar mehr." Jill lächelte. „Geraldine hat direkt eine Beschwerde an die Verwaltung geschickt, dass es nicht angehen könne, dass diese Sitze so knapp bemessen sind. Jetzt sind sie es nicht mehr."

„Sowas hatten wir an der Uni oder der Schule gar nicht", erinnerte Brianna sich. „Eigentlich bescheuert, da kann es ja auch immer mal jemanden geben, der nicht laufen kann und das bräuchte."

„Vermutlich braucht es bloß genügend Druck, dass sich darum gekümmert wird." Sie erreichten das Erdgeschoss und Brianna folgte Jill auf den Innenhof. Ihre Kollegin führte sie weiter, bis sie einen kleinen Unterstand erreichten. „Hier trifft sich unsere Abteilung. Die Wesley kommt sicher gleich auch zum Durchzählen. Wenn mal jemand fehlt, der eigentlich da sein sollte, geht immer gleich die Fragerei los, ob derjenige grad eine Pause gemacht und rausgegangen ist oder so. Aber wir sind ja grad komplett. Valerie, steck die Zigaretten weg, du wolltest aufhören." Seufzend packte Valerie das Päckchen weg, das sie gerade aus ihrer Tasche geholt hatte.

„Ich weiß. Es ist nur nicht so leicht, wie diese ganzen blöden Ratgeber behaupten." Dankend nahm sie ein Kaugummi von Jill entgegen, genau wie Philip, während Brianna und Caren ablehnten. „Ich hoffe ja ..."

Was auch immer Valerie hatte sagen wollen, ging in einem ohrenbetäubenden Knall unter.

Jill riss Brianna mit sich zurück, weiter in den Unterstand hinein, und irgendwo weiter vor ihnen erklangen Schmerzensschreie. Brianna versuchte zu sehen, was passiert war, aber sie sah bloß Leute, die an ihnen vorbeiliefen. Das Dach des Unterstandes versperrte ihr die Sicht nach oben, aber sie hörte einen weiteren, diesmal leiseren Knall, der aus einiger Entfernung zu kommen schien.

„Okay, wir müssen hier weg", rief Caren über die Schreie um sie herum hinweg und Jill schnaufte.

„Und wohin? Die rennen uns über den Haufen."

„Wir können auch nicht hierbleiben. Da oben hat es eine Explosion gegeben." Philip wies mit blasser Miene auf das Bürogebäude. „Und da sind ... Dinge. Drohnen oder sowas." Er zuckte zurück und stieß gegen Jill und Brianna. „Scheiße. So hab ich mir den Tag nicht vorgestellt."

Nur ein SchattenWhere stories live. Discover now