- FIFTY-EIGHT -

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Einatmen. Ausatmen. Nachdenken. Du kannst es schaffen, nur daran zu denken, was du als nächstes tust. Gestern interessiert jetzt erstmal niemanden. Einatmen. Ausatmen. Okay.

Hunger. 

Ich hab Hunger. 

Du gehst jetzt essen und du konzentrierst dich nur auf dein Essen.

Ich stand auf. Meine Beine schmerzten. An meinen Füßen klebte getrocknetes Blut. Mein Kleid war verknittert.

Essen.

Ich stand auf dem Flur vor meiner Zimmertür. Langsame Schritte führten mich in Richtung Treppe. Nachdem ich mir über die Augen fuhr, waren meine Finger schwarz. 

Meine Hände legte ich auf das Geländer der Treppe.

Mein Name wurde unter mir gehaucht.

Ich riss den Blick von den Stufen los und sah zum Fuß der Treppe.

,,Mom, ich..-" Dann sah ich den Koffer.

Fast hätte ich nicht bemerkt wie sie leicht zur Seite schrat um ihn zu verdecken. Fast.

,,Möchtest du was essen, Liebe?"

Ich zog meine Stirn kraus. Koffer? ,,Du gehst.", stellte ich fest.

Ihr Gesicht verdunkelte sich. ,,Nur für eine Weile."

,,Du wolltest gehen, ohne mir was zu sagen"

,,Du hast geschlafen."

,,Du hättest mich wecken können!" Genau wie meine Mutter, erschrak ich bei der Lautstärke meiner Stimme.

,,Wo willst du hin?", fragte ich, diesmal ruhiger.

,,Dein Vater und ich hatten Streit und wir sind zu dem Entschluss-"

,,Wo willst du hin?", schrill schnitt ich ihre Worte ab.

Kurz war sie still. ,,Ich fahre erstmal nach London."

,,Erstmal?" Sie antwortete nicht. ,,Wo ist Dad?"

,,Die Arbeit hat angerufen, er ist schon Morgens los."

,,Weiß er das du abhaust?"

Wieder keine Antwort.

,,Dacht ichs mir."

,,Hör zu, es ist das beste wenn ich erstmal gehe. Ich komme ja zurück, ich brauche nur eine Pause."

,,Von wem?"

,,Von deinem Vater, dieser Stadt, meiner Arbeit. Das hat nichts mit dir zu tun, Liebes."

Eine Weile starrten wir uns an.

,,Was ein Zufall, dass du ausgrechnet jetzt mit dem Gedanken kommst, dich zu verpissen.", zischte ich.

,,Was? Warum?"

Ich zwang mich wieder zum Atmen, um die Ruhe zu bewahren. 

,,Schlechter Zeitpunkt."

Ich drehte mich um und ging die Stufen wieder hoch. Mein Frühstück, war jetzt das letzte, woran ich dachte.

,,Willst du dich nicht von mir verabschieden?"

Ich drehte den Kopf um in die Augen meiner Mutter schauen zu können. ,,Warum? Du kommst doch wieder."

***

Die Sonne ging schon unter, als das Auto meines Vaters in die Einfahrt bog. Ich hörte, wie er ins Haus kam. Seine Schritten hallten durch ein paar Räume und er rief meinen Namen.

Lost In Forest || H.S.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt