- SIXTY-SEVEN -

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Mein Tee war schon längst ausgekühlt. Trotzdem rührte ich immer noch darin herum. Vollkommen in Trance umklammerte ich den Löffel und starrte an die Wand. Das ging schon so, seit Harry vor zwei Tagen einfach aus meinem Zimmer gestürmt war.

Demonstrativ schüttelte ich den Kopf. Ich wurde meine Gedanken nicht los. Mein Kopf konnte einfach nicht verarbeiten, was Harry mir erzählt hatte. Das fühlte sich so surreal an. Jemand wollte ihm wehtun. Und jemand war in der Lage, ihn zu töten. So richtig, wie in einem Film. Das konnte nicht der Realität entsprechen. Das durfte nicht der Realität entsprechen.

Was er wohl angestellt hatte?

In unserem kleinen Cheddar hatte niemals, irgendwer ein Verbrechen begangen. Der langweiligste Job hier, war wohlmöglich der, der Polizei. Also konnte ich kaum glauben das sich Kriminalität hier irgendwo hinter unseren Mauern verbarg. Und dann auch noch so nah konfrontiert mit Harry.

Ich spürte, wie meine heile Welt ein wenig mehr zerbröselte.

Meine Beunruhigung verminderte sich nicht durch den Fakt, dass ich, weder was von meinen Freunden gehört hatte, noch von Harry. Was wenn er wieder angegriffen wurde? Was wenn es diesmal schlimmer war?

Seufzend schob ich meinen Tee weg und legte den Kopf auf meine Arme.

Hinter mir hörte ich die Schritte meines Vaters. ,,Du musst heute zu Dr. Haddon."

,,Ich geh nicht mehr zu Dr. Haddon. Mir geht es gut.", nuschelte ich.

,,Du schleichst seit zwei Tagen durch dieses Haus, als hättest du einen Geist gesehen."

Frustriert drehte ich mich um. ,,Ich mein es ernst, Dad. Mir geht es gut. Ich bin nur Müde. Und ich will endlich wieder vernünftig laufen können." Ich warf meinen Beinen einen scharfen Blick zu. Wenn sie den doch nur bemerkten könnten.

Als ich zurück zu meinem Dad sah, schlich sich ein schlechtes Gewissen bei mir ein. Ich mochte mir gar nicht vorstellen, was für Sorgen er gerade hatte. Seine Frau war ihm weggelaufen, seine Tochter angefahren worden und trieb sich nun mit dem Kerl rum, der das Auto gefahren hatte. Dann konnte er nicht arbeiten gehen, damit er ein Auge auf mich behalten konnte und jetzt schien es auch noch, als würde es mir wieder so schlecht gehen, wie vor dem Unfall.

Aber so war es nicht. Es ging mir nicht schlecht.

Ich stand auf und nahm mir meine Krücken. ,,Es ist alles in bester Ordnung. Ich verprech es. Mach dir keine Sorgen." Beruhigend lächelte ich ihn an.

Gerade als ich mich auf dem Weg zur Treppe befand, klingelte es an der Tür. ,,Ich geh schon!" Mühsam drehte ich mich um und schleppte mich in die entgegengesetzte Richtung.

Ich öffnete die Tür und konnte gar nicht so schnell denken, wie sich jetzt jemand um meinen Hals warf. Vor Schreck ließ ich meine Krücken fallen und sackte fast zu Boden. Aber die zwei Arme, die sich um mich gewickelt hatten, hielten mich an Ort und Stelle.

,,Harry.", presste ich hervor. Die Luft wurde mir knapp.

Er sagte nichts, lockerte seinen Griff nur und vergrub seinen Kopf in meinem Nacken.

Was war hier los?

Trotz des großen Fragezeichens konnte ich nicht anders, als Harry's Körper, gedrückt an meinen, zu genießen.

Der Moment endete jedoch damit, das Harry mich wieder von sich weg schob und mich von oben bis unten musterte. ,,Geht es dir gut?" Seine Hände umschlangen immer noch meine Oberarme, gaben mir halt.

,,Natürlich geht es mir gut. Warum denn auch nicht?"

,,Ich hab dir Sms geschickt und dich angerufen."

Lost In Forest || H.S.Where stories live. Discover now