11.

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Es ist jetzt drei Tage her, dass wir das Spiel gegen die PSA verloren haben.

Seitdem habe ich nichts von Jordan gehört, da Layla auch nichts weiß und ich nicht weiß, an wen ich mich wenden soll. Warum habe ich mir nie ihre Nummer geholt? Ich halte die Sorgen um dieses Mädchen kaum aus. Irgendwer muss wissen, wo sie wohnt. Ich suche alle Plätze ab, an denen ich ihre Freunde vermute. Schließlich sehe ich an einem Skateplatz tatsächlich einen ihrer Freunde, der glaub ich Paul heißt.

Er sieht etwas verwundert darüber aus, dass ich ihn anspreche. „Kannst du mir sagen, wo Jordan wohnt? Oder zumindest, wie es ihr geht?" Er mustert mich prüfend: „Bist du nicht die, die unsere Schule so hasst?" Ich seufze: „Ja, aber Jordan habe ich sehr gern." Er scheint nicht wirklich überzeugt, da kommt mir eine Idee. Ich fasse in meine Jackentasche und zeige ihm das kleine Metallstück. Er überlegt kurz, seine Augen haben sich geweitet, schreibt mir dann aber einen kleinen Zettel mit einer Adresse darauf. Ich gebe die Adresse in mein Handy ein und lasse mich durch die Straßen führen.

Tatsächlich wohnt Jordan gar nicht so weit von mir weg und als ich ihr Haus sehe, kann ich es kaum fassen. Es ist eine riesige Villa, diese Familie muss unglaublich viel Geld haben. Ich habe dieses Haus schon öfters gesehen, aber immer gedacht, dass es jemandem von der Royal gehört. Ein gepflasterter Weg führt hin zu einer Treppe. Die Tür öffnet mir eine Frau, die Jordan ähnlich sieht, aber etwas älter ist.

„Hey, ich bin eine Freundin von Jordan und wollte sie besuchen." Die Frau mustert mich und meint: „Jordan hat keine Freundinnen. Wenn du in sie verknallt bist, musst du schon warten, sie kann gerade nicht viel machen." Ich verziehe etwas das Gesicht: „Ich will nur kurz mit ihr reden." Die Frau tritt zur Seite und sagt mir den Weg zu Jordans Zimmer. Der Eingangsbereich erinnert mich etwas an mein eigenes Haus, nur das der hier noch größer ist. Die Wände sind allerdings recht kahl und es hängen nirgends Familienbilder wie bei uns zuhause. Ich gehe die große Treppe hoch in den zweiten Stock und klopfe, bevor ich in das Zimmer trete. Tatsächlich liegt Jordan in einem Bett am Ende des Raums und scheint zu schlafen.

Das Zimmer ist recht groß, aber auch ziemlich leer. Ihr Skateboard steht in der einen Ecke an der Wand, einige Zeichenblöcke liegen auf dem Boden. Ähnlich wie in ihrem Zimmer beim Camp fliegen überall Vans herum, doch in dem großen Zimmer fällt das kaum auf. Ihr Bein ist eingegipst und sieht echt übel aus, an ihrem Nachttisch liegen unzählige Packungen mit Schmerzmittel. Mein Herz zieht sich zusammen beim Anblick dieses sonst so starken und unverbesserlichen Mädchens.

„Hey", sage ich vorsichtig und sie regt sich leicht. Sie blinzelt und kurz leuchten ihre Augen, als sie mich sieht. Dann verfinstert sich ihr Blick und sie murmelt: „Was willst du hier?" Ich stelle die Blume, die ich mitgebracht habe auf die Fensterbank und lächele: „Wenn ich gewusst hätte, dass du reich bist, hätte ich mir manch einen Spruch wohl sparen können." Sie reagiert leider gar nicht auf den Spaß und greift nur nach dem Wasserglas. Sie richtet sich leicht auf und mustert mich dann. „Was willst du?" Ich seufze: „Ich will nach dir sehen. Wie geht es dir? Es tut mir so leid, was passiert ist." Ihr Blick wird wütend und sie schüttelt den Kopf: „Mir tut es leid. Es ist deine Schuld, dass ich vielleicht nie wieder Football spielen kann."

Tränen steigen in meine Augen, sie gibt wirklich mir die Schuld? „Wenn du es genau wissen willst, meine Prothese ist Schrott und ich brauche eine neue. Meine Eltern sind tot und wir haben kein Geld, sondern nur das Haus. Also werde ich sehr wahrscheinlich keine neue bekommen können." Eine Träne läuft über meine Wange und ich will etwas sagen, doch Jordan lässt es nicht zu. „Wehe, du bist so arrogant und bietest mir Geld an. Geh einfach, ich will dich nicht mehr sehen!" Ich halte mir eine Hand vor den Mund, um nicht zu schluchzen.

„Jordan", fange ich an, doch sie schreit: „Geh!"

Seit Tagen weine ich jeden Tag. Hin und wieder mache ich Sport und einmal habe ich mich mit Lynn getroffen. Sonst sitze ich nur in meinem Zimmer und starre die Wand an. Das sind die schlimmsten Sommerferien aller Zeiten, doch es ist mir egal.

Eine Woche fahren meine Eltern mit mir weg und wir sind in einem teuren Hotel. Den Luxus, den ich sonst immer so brauchte, kann ich nicht genießen. Meine Eltern fragen mich dauernd, was los sei, doch ich kann ihnen keine gute Antwort geben. Meine Gedanken sind ständig bei Jordan und den Worten, die sie zu mir gesagt hat. Ich vermisse ihre Nähe, auch wenn ich sie nur kurz hatte. Ich weiß mittlerweile, dass ich in sie verknallt bin und sich das so schnell nicht ändern wird. Keine Ahnung wie mir das passieren konnte, aber ich kann es nicht mehr verleugnen. Sie ist ein Mädchen, sie gehört zu den anderen und sie ist in meinen Augen einfach perfekt. Ich suche ständig nach Gründen sie wieder zu hassen, doch ich finde keine. Stattdessen erdrückt mich mein schlechtes Gewissen, weil ich wirklich Schuld an ihrem Unfall bin. Josh hat ihr mit Absicht das Bein gebrochen und das liegt daran, dass ich sie gern habe und er das weiß. Die Schule vertuscht das ganze und nennt es einen gewöhnlichen Sportunfall. Die ganze Situation macht mich so wütend und am schlimmsten ist, dass ich absolut machtlos bin.

Jordan will mich nicht in ihrem Leben haben und wenn ich ehrlich bin, kann ich ihr das nicht mal verübeln...

The girl from the other sideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt