46.

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POV Jane

Ich bin viel früher als alle anderen nach Hause gegangen und habe die ganze Nacht in mein Kissen geheult. Die Schule läuft die ganze Woche nur an mir vorbei und ich rede mit fast niemandem.

Lynn sieht mir an, was in mir vorgeht und ist beim Training nicht so hart zu mir. „Du musst die nächsten Spiele nicht mit auflaufen", meint sie nach dem Training zu mir und ich nicke nur geistesabwesend. Sport ist mir gerade genauso egal wie alles andere. Nach der Schule laufe ich ziellos durch die Gegend und komme irgendwann zu dem Skateplatz, an dem ich einmal mit Jordan und Paul gewesen bin. ich sehe noch vor mir, wie sie mich angrinst und dann einen coolen Sprung mit ihrem Skateboard macht, um mich zu beeindrucken. „Hey", ruft eine Stimme und als ich mich umdrehe, erkenne ich Jordans besten Freund. Er lächelt mich so lieb an, dass ich es nur erwidern kann. Er zieht mich in eine kurze Umarmung und mustert mich dann: „Jordan hat nicht mit mir geredet, aber ich sehe, wie scheiße es ihr geht. Habt ihr euch getrennt?" Tränen steigen sofort in meine Augen und ich nicke nur schnell. Er seufzt und wir setzen uns auf eine der Bänke. „Hör mal, ich weiß nicht, was zwischen euch vorgefallen ist. Aber ich habe euch zusammen gesehen und ich habe gesehen, was du mit Jordan gemacht hast. Sie ist ein anderer Mensch dank dir und ich hoffe sehr, dass sie es bleibt." Ich schaue nachdenklich auf die Skaterampen und erinnere mich, wie ich hier in Jordans Armen gestanden habe. „Bitte gib sie nicht auf", flüstert Paul und ich sehe ihn kurz an. Dann nicke ich, selbst wenn ich wollte, ich könnte Jordan niemals aufgeben. „Du musst für sie da sein. Ich weiß, dass sie dir nie sagen wird, was in ihr vorgeht, aber sie ist sehr verletzt", sage ich zu Paul, der sich durch die kurzen Strähnen streicht. Er hält mir seine Hand hin: „Versprochen." Ich erwidere den Händedruck und lächele leicht: „Versprochen."

Die nächsten Wochen versuche ich, wieder besser in der Schule zu werden und mehr mit meinen Freunden zu machen. Sarah hat Geburtstag und wir feiern eine Poolparty bei ihr zuhause. Es ist ein Abend, an dem ich nach Ewigkeiten mal wieder wirklich lache und glücklich bin. Wir tanzen und trinken bis in die frühen Morgenstunden. „Scheiß auf alle anderen, wir sind alles, was wir brauchen", meint Lynn und hebt ihr Glas grinsend. Wir stoßen alle an und ich lächele meine beste Freundin an. Sie zwinkert mir zu und wird im nächsten Moment auch schon in den Pool geschubst. Es dauert nicht lange bis ich auch im kühlen Nass lande und lachend anfange, mit Lynn zu kämpfen. Vielleicht ist mein Leben doch nicht komplett zerstört.

Ein Mal treffe ich mich sogar mit Josh und es fühlt sich nicht mehr so unangenehm an in seiner Nähe. Er erzählt mir von seinen Plänen ein Sportstipendium zu bekommen und ich freue mich für ihn. „Es tut mir wirklich leid, dass ich Jordan das Bein gebrochen habe. Ich habe schwarz gesehen, weil du ihr so sehr verfallen bist. Natürlich ist das keine Entschuldigung", meint er irgendwann. Ich seufze und versuche, mich zusammen zu reißen. An Jordan zu denken, trifft mich jedes Mal wieder heftig. Josh bemerkt meine Reaktion und er zieht besorgt eine Augenbraue hoch. „Was ist bei euch los?", fragt er vorsichtig. Ich schüttele den Kopf, darüber will ich jetzt sicher nicht mit ihm reden. „Ich weiß ich war ein Arsch, aber ich bin immer für dich da", meint er und ich schenke ihm ein kurzes Lächeln. „Das ist lieb, aber ich kann es nicht erklären. Wir sind einfach nicht mehr zusammen." Zum Glück gibt er sich damit zufrieden und wir wechseln das Thema. Am Abend esse ich bei seinen Eltern mit, doch wirklich wohlfühlen tue ich mich nicht. Nach der Welt, die Jordan mir gezeigt hat, wird mir keine andere jemals wieder genügen.

POV Jordan

Langsam steige ich wieder ins Training ein, meine Hand ist verheilt und meine ständigen Wutausbrüche haben sich gelegt. Paul war in den letzten Wochen ständig bei mir und hat mich davor beschützt, irgendwas Dummes zu machen. Er und Liam sind überglücklich und so sehr ich mich für ihn freue, kann ich es trotzdem kaum ertragen. Wieder ein paar Bälle zu werfen, tut gut und lenkt mich von meinem Frust ab. In zwei Wochen darf ich das erste Mal wieder auflaufen, mein erstes Spiel ohne Prothese. Ich spüre genau, wie gerne ich meine Gedanken mit einer bestimmten Person teilen würde. Megan hat mit allem Recht, was sie gesagt hat. Jane ist das Beste, was mir jemals passiert ist und ich wäre ein Vollidiot, sie gehen zu lassen. Ich weiß genau, dass die Jungs bei ihr Schlange stehen und irgendwann wird sie nicht mehr nein zu ihnen sagen. Sie wird mir nicht ewig hinterher weinen. Ich wäre gerne arrogant genug zu glauben, dass sie nicht von mir loskäme. Ich habe mehrmals überlegt, ob ich mit anderen Mädchen ins Bett steige, doch am Ende würde es mir nichts bringen. Der Kick, den ich früher immer brauchte, ist nichts im Vergleich zu all den Emotionen, die Jane in mir weckt. Ich muss an Paris denken und wie Jane gelacht hat, als ich ihr den Schaum von meinem Milchkaffee ins Gesicht geschmiert habe. Ich schüttele den Kopf über meine eigenen Gedanken und schnappe mir einen Ball.

Jetzt ist es erstmal wichtig, wieder spielen zu können.

The girl from the other sideWhere stories live. Discover now