39.

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Da die anderen länger weg sind, laufe ich etwas durch Hamburg.

Die Stadt gefällt mir, ich liebe Wasser und der Hafen ist wirklich groß. Es ist ziemlich kalt und im Grunde habe ich nicht die richtigen Klamotten für solches Wetter. Ich schlendere durch einige Läden und finde in dem einen eine süße Kette, die an Jane wunderschön aussehen würde. Ich kaufe sie und mache mich auf den Weg zurück ins Hotel. Kurz vorm Eingang fällt mein Blick auf ein Hochhaus mit einer großen Werbetafel. Ich erkenne sofort das Gesicht der Frau von vorhin und kapiere wer sie ist. Hilton, die Topmarke wenn es um Handys und ähnliches geht. Selbst ich kenne diesen Namen, hatte nur keine Ahnung, wie Alexa Hilton aussieht. Ihre Arroganz kann man ihr wohl nicht mal verdenken, sie hat wirklich viel erreicht.

„Hey", quiekt eine fröhliche Stimme und im nächsten Moment wirft Jane sich um meinen Hals. Sie ist aus dem Taxi gestiegen, als ich in Gedanken versunken war. „Hey", nuschele ich in die Kapuze ihrer Jacke und gebe ihr einen Kuss auf die Wange. „Du bist ja ganz kalt", stellt sie fest und legt ihre warmen Handflächen auf meine Wangen. Ich lächele über ihre Fürsorge und lasse mich von ihr ins Hotel zerren. Sie redet auf dem Weg zu ihrem Zimmer über das Essen und erzählt, wie unerträglich die andere Familie war. In ihrem Zimmer bringe ich sie damit zum Schweigen, dass ich meine Lippen auf sie lege. Sie quiekt überrascht, lächelt dann aber und erwidert meinen Kuss. Ich schiebe sie zu ihrem Bett und sie lacht, als ich sie in die weichen Kissen drücke. „Hast du mich vermisst?", fragt sie und sieht mich unschuldig an. Ich beiße mir auf die Lippe und streichle die reine Haut unter ihrem Shirt. „Wie lange haben wir, bis deine Eltern loswollen?" Sie grinst und zieht mich zu sich: „Mir egal."

Am späten Nachmittag gehen wir mit Janes Eltern in die Innenstadt und während Jane und Michael shoppen gehen, führt mich Rose durch einige Gassen. „Michelle und ich sind gerne gereist und unsere Eltern haben uns früh vertraut. Wir durften eigentlich machen, was wir wollten", erzählt sie und zeigt dann auf ein kleines Plätzchen an einem Fluss. „Hier saß ich mit deiner Mutter und wir redeten über unsere Zukunft", meint sie und ich merke, dass sie in Erinnerungen schwelgt. Ich versuche mir meine junge Mutter vorzustellen und muss automatisch lächeln.

„Komm", meint Rose nach einigen Minuten, in denen wir einfach unseren Gedanken nachgegangen sind. Sie führt mich zu einem Fahrstuhl und im nächsten Moment sind wir in einem Tunnel unter einem Fluss. „Das ist der alte Elbtunnel", erklärt Rose mir und holt aus ihrer Tasche ein Polaroid. Es zeigt sie und meine Mutter in genau diesem Tunnel. Sie stehen nebeneinander und meine Mutter hat ihren Arm über Rose Schulter gelegt. Das Lächeln meiner Mutter treibt Tränen in meine Augen, sie sieht so glücklich aus. Eine Welle der Dankbarkeit überkommt mich und bevor ich drüber nachdenken kann, habe ich mich auch schon fest an Rose gedrückt. Sie ist kurz überrascht über diese Geste, dann schließen sich ihre warmen Arme schützend um mich und Tränen laufen über meine Wangen. Zum ersten Mal seit vielen Jahren fühle ich mich nicht mehr so hilflos. „Danke", flüstere ich und Rose nickt, während sie meinen Rücken streichelt.

„Bekomme ich auch eine Umarmung?", ertönt die Stimme meiner Freundin plötzlich und ich zucke zusammen. Sie und Michael kommen auf uns zugelaufen und ich wische mir schnell die Tränen weg. Rose lässt mich los und ich lege meinen Arm um Jane, die sich sofort an mich schmiegt. „Alles gut?", fragt sie mich mit ihrem Blick und ich nicke lächelnd. Ich gebe ihr einen Kuss auf die Stirn und sie grinst erleichtert. Wir laufen Händchen haltend durch den Tunnel und sie erzählt von den Klamotten, die sie gekauft hat. „Ich hoffe, es war nicht so schlimm mit meiner Mutter", meint sie irgendwann und ich schüttele den Kopf. „Ich denke, sie ist gar nicht so übel. Sie hat dir nicht nur ihre Arroganz vererbt." Sie schlägt mir lachend gegen den Arm: „Halt die Klappe." Wir gehen in einem guten Restaurant essen und spazieren abends durch die Hafencity. Ich verstehe, warum meine Mutter gerne hier war. Später will ich auch in einer Stadt wohnen, in der es so viel Wasser gibt.

Mein Blick fällt auf meine Hand, die fest mit Janes verschränkt ist und ich lächele.

Mir ist egal wo ich später bin, solange sie dabei ist.

The girl from the other sideWhere stories live. Discover now