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Am Abend schaffe ich es, dem Gespräch mit meinen Eltern aus dem Weg zu gehen.

Beim Hausaufgaben machen schlafe ich auf meinen Büchern ein, der Tag hat mich wohl doch mitgenommen. Als ich aufwache, fühle ich mich wie überfahren und die Sonne knallt in mein Zimmer. Ich reibe mir meine Augen und richte mich auf, wie spät ist es? Ich schaue auf meinen Wecker und springe sofort auf. Wir haben heute eine Trainingseinheit und ich habe voll verschlafen. Schnell ziehe ich mir mein Sportzeug an und packe meine Tasche. „Bis nachher", rufe ich ins Wohnzimmer und renne aus der Tür. So schnell wie heute bin ich noch nie zur Schule gefahren, trotzdem bin ich viel zu spät. Als ich ankomme, sind die anderen schon mittendrin, Lynn hat für mich übernommen.

Sie kommt zu mir und runzelt die Stirn: „Was ist los?" Ich zucke die Achseln: „Ich habe verschlafen." Verwirrt hält sie mich fest und mustert mich prüfend: „Jane Adams, bist du noch da drin?" Ich verdrehe die Augen und sie lacht: „Du verschläfst nie. Pünktlich bist du zwar nicht, aber ganz sicher nicht verplant." Ich beschließe Lynn später von Jordans Unfall zu erzählen, doch jetzt wird erstmal trainiert.

„Das wird die beste Saison seit langem", meint Sarah, als wir nach dem Duschen zum Parkplatz laufen. Sie hat Recht, wir sind noch besser drauf als letzte Saison. „Ernsthaft, mach endlich deinen Führerschein", sagt Lynn und sieht mitleidig dabei zu, wie ich mein Fahrrad hole. Sie hat wahrscheinlich Recht, aber bisher hatte ich nun mal immer eine Mitfahrgelegenheit. Lynn winkt mir noch zu und fährt dann, wie immer viel zu schnell, weg. Ich will mein Handy herausholen, um Jordan zu schreiben, doch es ist nicht in der Tasche. Ich muss es beim Stress heute Morgen zuhause vergessen haben. Also fahre ich durch die warme Spätsommerluft nach Hause und gehe in mein Zimmer. Mein Handy hängt immer noch am Ladegerät, an das ich es gestern Abend geschlossen habe. Als ich es anmache, erschrecke ich mich. Ich habe unzählige verpasste Anrufe von Jordan und mehrere Nachrichten.

J: Jane, geh an dein Handy!

J: Ich muss in die Reha, aber ich will dich nochmal sehen und mich verabschieden.

J: Verdammt, was machst du denn??

J: Ich sitze jetzt im Flugzeug...

Fuck, wieso hat sie davon im Krankenhaus nichts gesagt? Ich wusste gar nicht, dass eine Reha geplant ist oder wo sie sein soll. Ich versuche sie anzurufen, doch es geht sofort die Mailbox ran, sie fliegt wohl noch. Stattdessen rufe ich Paul an und er erklärt mir, dass die Reha zwei Wochen dauern wird. Sie findet in einer kleinen Stadt am Meer statt, die drei Flugstunden entfernt ist. Als ich auflege, ist mir zum Weinen zumute. Ich habe mich gerade daran gewöhnt, Jordan in meinem Umfeld zu haben. Warum muss ich gerade heute verschlafen?

Beim Abendessen rede ich kein Wort, bis mich meine Mutter irgendwann fragt: „Wer ist diese Jordan denn jetzt eigentlich? Woher kennst du sie?"

Ich seufze: „Vom Trainingscamp." Mein Vater lächelt: „Ach auch eine Cheerleaderin?" Ich überlege kurz und nicke dann einfach, weil ich keine Lust habe irgendetwas zu erklären. Meine Mutter sieht kurz so aus, als würde sie in einer Erinnerung schwelgen und sieht mir dann in die Augen: „Heißt sie zufällig Wellington?"

Verwirrt runzele ich die Stirn, woher wissen meine Eltern das? Das scheint meiner Mutter als Antwort zu genügen und sie seufzt: „Dieses arme Mädchen. Wir kannten ihre Eltern, sie waren Freunde von uns." Was? Mein Vater lächelt: „Ja, sie waren wirklich unfassbar gute Geschäftsleute. Ihre alleinige Anwesenheit strahlte immer Autorität aus." Jetzt weiß ich zumindest, woher Jordan dieses Selbstbewusstsein hat. Ob sie weiß, dass unsere Eltern sich kannten?

„Ihre Eltern wollten ihre Kinder natürlich auf der Royal sehen und wir haben Megan damals angeboten, es zu finanzieren. Diese Familie war schon immerzu stolz, Hilfe anzunehmen. Ich nehme an, dass Jordan auf der PSA ist?",fragt mein Vater und ich nicke überfordert. Das sind definitiv zu viele Informationen auf einmal für mich. „Du kannst sie gerne mal hierher einladen", schlägt meine Mutter vor. Das ist einerseits alles, was ich mir immer gewünscht habe, andererseits wird Jordan das bestimmt nicht wollen. „Immerhin finanzieren wir ja auch die Schule für sie", schiebt sie hinterher und mein Mund klappt auf.

Das ist doch jetzt nicht wahr? Wieso hat Jordan mir nichts davon erzählt?

Sie nimmt kein Geld von mir an, obwohl meine Eltern ihr ganzes Leben finanzieren?

The girl from the other sideWhere stories live. Discover now